Ich sehe Nolan auch nicht als anspruchsvollen Filmemacher, aber
seine Werke sind auch keine Filme-von-der-Stange. Das ist besonders
auf Blockbuster-Ebene ein seltenes Unikat und verdient Anerkennung.
Gemessen am Niveau der "Konkurrenz" bekommt man hier noch was Neues
geboten, oder zumindest wird etwas Bekanntes mit einem neuen Kniff
ausgestattet. Es gibt wohl derzeit keinen anderen Filmemacher, der
so regelmäßig mit einem Blockbuster-Budget auf so wenig
Blockbuster-Konventionen setzt bzw. setzen muss. Natürlich bieten
seine Filme auch Spektakel um die breite Masse anzusprechen, aber
besteht der Hauptunterhaltungswert nicht aus optischen Spielereien
und Effekten, sondern einem Konzept, was den Inhalt zusammenhält
und trägt. Für mich wird bei Nolan ganz deutlich, dass zuerst die
Idee da war und dann erst die Visualisierung erfolgt. Bei anderen
Produktionen dieser Größenordnung bekommt man den Eindruck, dass
das genau anders herum abläuft (weshalb außer Schauwerten dann
meist nicht viel übrig bleibt).
Bei
Memento ist es die Idee, den Film chronologisch
rückwärts zu erzählen, womit der Film zu jeder Zeit über eine
gewisse Grundspannung verfügt, auch wenn mal nichts Dramatisches
passiert. Die spannende Frage ist nie nicht das "Was" sonder das
Warum". Ähnliches hat übrigens Gaspar Noé mit
Irreversible
gemacht, auch wenn hier die Erzählstruktur nicht ein einfaches
Gimmick darstellt, sondern auch einen Hintergedanken hat ("Wir
werden leben, nur die Zeit stirbt").
Bei der TDK-Trilogie hat Nolan das Superhelden-Genre geerdet. Er
hat alle übernatürlichen Elemente aus dem Franchise verbannt und
das ganze in eine nüchterne und realistische Optik gehüllt. Bane
war auf einmal nur stark und nicht übermenschlich, Scarecrow
funktionierte nur mithilfe eines Nervengases und die Action wurde
auf ein realistischeres Niveau heruntergeschraubt (mit erfreulich
geringem CGI-Einsatz). Man sieht an vielen Elementen wie ernst
Nolan sein Universum aufbaut, alles muss ein Sinn haben und nichts
wird durch irgendwelche Designs oder Actionsetpieces diktiert.
Beispiel Catwoman: Bei Nolan kommt ihre katzen-artige Erscheinung
dadurch zustande, wenn sie ihr Nachtsichtgerät hochklappt und
dieses somit die Form von Katzenohren suggeriert. Alles hat hier
einen Ursprung und Sinnhaftigkeit. Bei anderen Comic-Verfilmungen
wird deutlich weniger Wert auf kohärentes Worldbuiling
gelegt.
The Prestige lässt den Zuschauer bis zum Ende im Dunkeln
tappen, ob es in dieser Welt nun Magie gibt oder doch nur
Scharlatanerie ist. Durch sorfaltig platzierte Twists lässt er uns
immer wieder umschwenken, erst mit dem Ende kommt die Auflösung.
Wie die Magier führt hier uns auch der Regisseur hinter's Licht
(okay, am Ende war es ein Twist zuviel, aber ihr versteht was ich
meine). Außerdem ist das Thema mit dem Wettkampf zwischen zwei
Zauberern auch nicht bereits ausgelutscht gewesen, welchen man noch
in den Kontext mit historischen Figuren setzte und so eine Art
Paralleluniversum bildete. Nachahmer gab es später natürlich auch
(wie z.B. der eher mittelmäßige
The Illusionist mit Edward
Norton), aber auch ihnen fehlte die Frische und das Gefühl, hier
könnte jetzt alles passieren.
Inception ist genaugenommen nur die Vermischung von zwei
Genres, Heist-Movie und Sci-Fi. Beides Gattungen, die sonst eher
bekannten Regeln folgen. So eine Verschmelzung zweier Genres kann
aber Wunder wirken. Es hat auch etwas von einem
Abenteuerspielplatz, wenn man als Regisseur auf jeglichen Realismus
pfeifen darf und alles mit den Element Träume legitimieren kann.
Nolan nutzt das für tolle Szenarien und Action-Sequenzen.
Desweiteren lies Nolan genügend Berührungspunkte mit den uns
bekannten Erfahrungen mit Träumen, um das Thema nicht komplett
abgehoben erscheinen zu lassen ("It's only when we wake up that we
realize how things are actually strange." oder das Element der
Zeit: Träume dauern i.d.R. nicht länger als 5 sek, werden von uns
aber länger wahrgenommen).
Zum Thema Subtext: Der ganze Film kann als auch Allegorie auf das
Filmemachen gedeutet werden, jede Figur hält eine Funktion inne
(z.B. Regisseur, Autor, Darsteller, Publikum usw.).
Interstellar funktionierte als geerdetes
Weltraumabenteuer, was sich erfrischenderweise an den 80s
orientierte und das Thema nicht mit unnötiger Gewalt und Action
seine Dringlichkeit nahm. Ich mochte vor allem das anfängliche
Worldbuilding: Eine Apokalypse, die sich hauptsächlich in der
Unfruchtbarkeit der Erde niederschlägt. Somit droht die Menschheit
zu verhungern, anstatt von Zombies gefressen zu werden. Da ergibt
es auch total Sinn, dass die Regierung daraufhin das Schulsystem
anpasste, weil die Welt jetzt keine "Videorekorder oder derartige
Dinge mehr bräuchte". Damit geht auch die Leugnung der Raumfahrt
einher, damit die Kinder nicht mehr von höheren Berufen träumen,
weil sie ja nur noch Landwirtschaft betreiben sollen. Das ist auch
ein zynischer Kommentar gegenüber der Umweltverschmutzung: Dem
Mensch nütze die technologische Evolution nichts, wenn er selber
keine Rücksicht auf seinen Lebensraum gibt. Somit würde sich der
Großteil der Bevölkerung trotz gesellschaftlicher &
technologischer Errungenschaften wieder zu Viehhirten und Bauern
zurückentwickeln, ein "Feudales Zeitalter Reloaded" sozusagen. Dem
Ganzen fügten die Nolan-Brüder noch die Idee mit der
Relativitätstheorie hinzu, weshalb Zeit hier wirklich ein nicht
unwesentlicher Faktor ist (was sowohl im kämpferischen als auch im
emotionalem Sinne genutzt wird).
Zum Thema Subtext: Auch hier gibt es Anspielungen an den
erfinderischen Geist des Menschen. Der Trieb, der die Menschheit zu
neuen Erfindungen befähigt. Wenn McConaughey seine Kinder entgegen
des Lehrplans erzieht damit diese das "Greifen nach den Sternen"
nicht vergessen, dann wird das in einer Szene überraschend subtil
transportiert: Wenn er zu Beginn des Films seine Kids zur Schule
bringen will und dann von der Straße abweicht um einem Flugobjekt
hinterherzujagen, dann wird ganz deutlich, dass sich diese
Vaterfigur von gesellschaftlichen Zwängen und Erwartungen lösen
möchte und liebe neue Wege erschließen will. So eine Art von
Character-Introduction sieht man in Blockbuster doch eher selten,
hier ist es zur Perfektion ausgeführt. Ein Paradebeispiel für
"Show, don't tell".
Über
Insomnia lege ich mal den Mantel des Schweigens.
Wirkt für mich wie eine klassische Auftragsarbeit um sich etwas
Vertrauen zu erarbeiten. Die Idee für
Inception soll er
schon lange zuvor gehabt haben, aber er wusste dass er sich dafür
erstmal ein Standing in Hollywood aufbauen muss (Gerüchten zufolge
war das Bestandteil des Vertrages für TDKR).
Sicherlich ist nicht jeder Film der Kracher gewesen, aber
Langeweile nach Schema-F war es auch nicht. Für mich ist Nolan im
Big-Buget-Segment derjenige, wo man als Zuschauer am wenigsten
Kompromisse eingehen muss.