Geschrieben: 26 Juni 2015 19:36
American Sniper
Story 7
Bild 9
Ton 10
Boni 5
Gesamt 8
American Sniper ist der aktuellste Film des Schauspielers und
Regisseurs Clint Eastwood. Basierend auf dem autobiografischen Buch
selbigen Titels, thematisiert das Drama die Erlebnisse des
tödlichsten Scharfschützen der US-Militärgeschichte, des
mittlerweile verstorbenen Chris Kyle. Jetzt liegt die HD-Umsetzung
des Films aus dem Hause Warner vor, welcher bei der letzten
Oscarverleihung den Preis für die beste Sound-Edition abstauben
konnte. Ob das amerikanische Kriegsdrama auch deutsche Zuschauer
für sich gewinnen sollte, prüfen wir im Review.
Story
Chris Kyle (B. Cooper) gibt als Scharfschütze seinen Kameraden aus
der US Army Deckung. Im Irak bewährt er sich in zahlreichen
Einsätzen als Soldat. Doch auch als Mensch wird Kyle gefordert,
denn zuhause wartet seine Frau Taya (S. Miller) mit seinen Kindern.
Es fällt der Familie schwer, Kyles Erlebnisse nachzuvollziehen.
Kann Chris Kyle den Krieg wirklich hinter sich lassen oder ist ein
Teil von ihm hinter seinem Scharfschützengewehr im Kriegsgebiet
zurück geblieben?
In den USA erhielt American Sniper zwar größtenteils positive
Rezensionen, die Resonanz aus dem US-Militär war aber gespalten. So
kritisierten viele Soldaten die aus dem Roman übernommenen
Selbstdarstellungen Kyles, dessen Autobiografie viele Verzerrungen
und Schönfärbereien enthalte. So soll Kyle im Gegensatz zu den
Darstellungen in Buch und Film in Wahrheit ein kontroverser
Charakter gewesen sein, der es mit der Wahrheit oft nicht allzu
genau nahm. Nachgewiesen werden konnte dies etwa an der Behauptung,
Kyle habe die Einnahmen durch seine Autobiografie wohltätigen
Stiftungen für Veteranen gespendet, obgleich festgestellt wurde,
dass er sie für sich selbst behielt. Auch zur Persönlichkeit Kyles
gibt es von Ex-Kameraden äußerst gespaltene Aussagen, die dem
verstorbenen Scharfschützen teilweise Spaß am Töten unterstellen.
Wer diese Hintergründe kennt, geht an Eastwoods in dieser Hinsicht
sehr einseitigen Film skeptischer heran. Denn tatsächlich ist
American Sniper nur an der Oberfläche ein Kriegsfilm und mehr ein
Charakter-Drama, das den Krieg als Szenario nutzt. Leider wird
Letzteres in der Regel einseitig und oberflächlich behandelt. Bei
allem im Film gezeigten Hadern inszeniert man Chris Kyle als
amerikanischen Helden, dessen Fehler am Ende doch in Wahrheit
Stärken sind. Das mag der Familie des hoch dekorierten Soldaten
zusagen, vergibt aber die Chance, die ambivalenten Schilderungen
anderer US-Marines aufzugreifen, um abseits der Autobiografie
weitere Blickwinkel einzubeziehen.
Am Ende ist American Sniper trotzdem ein mit besonnener Hand
erzähltes Drama, das entkoppelt von der Realität einen
Protagonisten zeigt, der die Sympathien des Zuschauers gewinnt.
Außerhalb der USA dürften Zuschauer aber deutlich skeptischer auf
den gezeigten US-Patriotismus reagieren – zumal die Darstellungen
der irakischen Bevölkerung nicht gerade zu dessen Vorteil
ausfallen. Das alles nimmt dem Film noch nicht seine emotionale
Wirkung, hinterlässt aber bei Europäern einen etwas faden
Beigeschmack. Kann man das fragwürdige Drumherum ausblenden,
verbleibt Bradley Coopers herausragende Leistung als
Hauptdarsteller, der dem fiktionalisierten Chris Kyle die
notwendige Tiefe verleiht. Cooper ist es, der den Film davor
rettet, in Durchschnittlichkeit zu versumpfen und hilft dem
überbordenden Patriotismus ein wenig Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Dabei stören bei Eastwoods Charakterdrama eben nicht übertrieben
grinsende Soldaten, welche die US-Flagge in Szene setzen, sondern
es sind die Zwischentöne, die in Zeiten von NSA-Skandalen und einem
allgemein deutlich kritischeren Blick der internationalen Politik
und Presse auf die USA leicht altbacken wirken.
Bildqualität
American Sniper leidet in einigen Szenen unter etwas auffälligen
CGI-Effekten, die dann auch in einem weicheren Bildeindruck münden.
Abgesehen davon liegt hier eine Optik vor, die zur Charakterstudie
des Chris Kyle passt: Generell bedient man sich einer leicht
zurückgenommenen Farbgebung, die im Irak vor allem Braun- und
Rottöne in den Vordergrund rückt. Auch wirkt das Bild hier
absichtlich leicht ausgewaschen und spiegelt damit die triste
Atmosphäre perfekt wider. Bei den Szenen in den USA setzt man auf
eine neutralere Palette und lässt unterschiedliche Farbtöne ins
Bild fließen. So oder so ist der Detailgrad stets nahe des
Referenzlevels, was man parallel über die Schärfe sagen darf. In
den Kriegs-Szenen tendiert Schwarz manchmal ins Gräuliche und die
Kontraste sind absichtlich zurückgenommen – dies ist aber ein
Stilmittel und kein Fehler des Transfers. So normalisiert sich
beides bei den Gegebenheiten in den USA. Insgesamt liegt somit ein
hervorragendes HD-Bild vor, das den Film genauso wiedergibt, wie er
auch im Kino zu sehen gewesen ist.
Tonqualität
Warner Bros. legt bei seinen neuen Blockbuster-Veröffentlichungen
besonderen Wert auf die Umsetzung der deutschen Tonspuren: Das
unterstreicht die Abmischung in Dolby Atmos, welche die
Veröffentlichung von American Sniper ziert. Wer nicht über das
entsprechende Boxen-Setup verfügt, kann den Core in Dolby TrueHD
7.1 wiedergeben. Der Originalton liegt übrigens genau wie die dt.
Synchro in Dolby Atmos vor. Doch wichtig ist weniger der bloße
Codec, sondern das, was man tatsächlich hört: Und das ist
fantastisch. Die Dialoge sind glasklar im Zentrum platziert und
wirken wie die Befehlshaber über das restliche Klangbild. Dabei ist
es egal, ob man an Kriegsschauplätzen mit Chris Kyle einen
Überblick über das Areal gewinnt, während der Wind die hohe
Position umweht oder man in den USA in einer Bar umgeben von
wuselnden Stimmen doch in Einsamkeit versinkt. Immer strömen die
Umgebungsgeräusche präzise aus allen Boxen. Hier ist der Oscar
wahrlich verdient. Zusätzliches Lob gebührt dem zurückgenommenen
Soundtrack von Clint Eastwood selbst, der nur dann in den
Vordergrund tritt, wenn es unbedingt notwendig ist.
Ausstattung Leider kommt es in Mode, dass selbst erfolgreiche
Kassenknüller nur noch ein sparsames Extrapaket erhalten. Dieser
Trend hat auch American Sniper ergriffen, denn nur zwei Boni finden
sich auf der Blu-ray: „Die Geschichte eines Soldaten (HD, ca. 30
Min.) sowie „Das Making-Of von American Sniper“ (HD, ca. 29 Min.).
Der erste Beitrag umfasst dabei die Geschichte des Films von der
Konzeptionsphase bis hin zu den Reaktionen auf den fertigen Film.
Das Making-Of fungiert als Ergänzung und setzt vor allem viele
Interview-Auszüge ein, um den Film und etwa die Herangehensweise
von Bradley Cooper an die Hauptrolle zu zeigen.
Fazit
American Sniper ist hervorragend in HD umgesetzt und spiegelt die
Vision wider, die Regisseur Clint Eastwood für sein Charakter-Drama
hatte. So grenzt man die Szenen im Irak-Krieg stilistisch gekonnt
von den Aufnahmen aus den USA ab, was auf der Blu-ray die innere
Zerrissenheit Kyles unterstreichen kann, wie es in SD deutlich
schwerer möglich wäre. Für die Tonspur hat Warner sich ebenfalls
nicht lumpen lassen und liefert eine Spur in Dolby Atmos, die bei
entsprechender Hardware ein State-of-the-Art-Erlebnis liefert. Das
Bonusmaterial ist zwar informativ und liefert abwechslungsreiche
Blicke hinter die Kulissen, könnte aber etwas kritischer über die
Materie berichten und wäre mit etwas mehr Spielzeit noch ein paar
Punkte mehr wert gewesen. In den USA hat Clint Eastwoods American
Sniper bei Publikum und Kritikern abgeräumt. Doch außerhalb des
Lands der unbegrenzten Möglichkeiten wurde der Film deutlich
kontroverser aufgenommen. Das ist nicht nur wegen der idealisierten
Charakterisierung des Protagonisten berechtigt, sondern auch wegen
der amerikanisch eingefärbten Darstellung des Irak-Kriegs. Kann man
diese fragwürdigen Aspekte der Inszenierung ausblenden, bleibt ein
emotionales Charakter-Drama, das spannend unterhält. Wer mehr
Abstand zur umstrittenen Person Chris Kyle und dem US-Patriotismus
wahren kann, darf somit vielleicht noch einen Punkt auf die Wertung
raufrechnen. (anw)