Die erste Hälfe fängt wie eine grausame Nicholas Sparks Verfilmung
mit kitschiger Liebesgeschichte und Familiendrama an. Die
Liebesbeziehung verschwindet anschließend immer mehr aus dem Fokus,
der Kitsch jedoch bleibt. Die darauf folgende Ausbildung schwankt
irgendwo zwischen Außenseiterdrama, humorvollen Einschüben und
Moralpredigerei. Ich denke es ist kein Spoiler wenn man verrät,
dass seine Kameraden und Ausbilder ihn anfangs noch aufgrund seiner
Ansichten verabscheuen, im späteren Verlauf aber ihr Verhalten ihm
gegenüber bedauern. Gibson legt seine Story-Finten einfach zu
offensichtlich. Auch warum die Figur jede Form von Gewalt strikt
ablehnt wird denkbar simpel dargestellt: Ein Streit eskaliert und
dann hängt da plötzlich ein Gemälde mit christlichen Geboten.
Fertig.
Wenn Doss anschließend in den Krieg zieht, wird es zwar thematisch
ernster, aber die Umsetzung wird nicht weniger problematisch.
Gibsons Darstellung des Krieges ist zwar schonungslos, doch wird
Gewalt und Chaos fast schon ästhetisiert. Es folgen dutzende
Zeitlupeneinstellungen von sterbenden Soldaten, Dauerfeuerwerk und
Zerstörung, meist von theatralischer Streichermusik unterlegt. Das
sieht handwerklich zwar sehr gekonnt aus, bleibt aber moralisch
fragwürdig, inwiefern hier nicht eine gewisse Faszination für das
Geschehen erreicht werden soll. Die wahre Grausamkeit wird fast
ausschließlich über graphische Gewalt und Splatter visualiert, was
zwar authentisch anmutet, zugleich aber etwas plump wirkt.
Gerade während der Kriegshandlungen trägt Gibson ganz dick mit
Pathos auf. So verschiebt sich der Fokus immer mehr auf Heldenmut,
Hingabe und Glaube: Es werden Befehle verweigert, aufopferungsvoll
dutzende Soldaten gerettet (egal ob Freund oder Feind), Granaten
weggetreten und sich an Gott geklammert („Please lord, help me get
one more!“). In einer Szene wäscht sich Desmond den Dreck und das
Blut nach einer Schlacht ab. Gibson inszeniert diese Nichtigkeit
wie eine seelische Reinigung indem er die Kamera sehr lange
draufhält, die durchscheinende Sonne bildet einen Heiligenschein.
Der Film ist voll von solchen religiösen Anspielungen. Desmond Doss
wird zu einem religiösen Heilsbringer erhoben, der Zuschauer soll
möglichst bekehrt werden. Die schwülstige Musikuntermalung diktiert
dem Zuschauer immer genau was er fühlen soll. Die Manipulation ist
hier besonders störend, da sie nicht nötig gewesen wäre. Die
Geschichte um die Figur -sofern sie nur annährend wahr ist- sollte
ausreichen um den Ausnahmestatus dieses Helden zu zementieren. Dass
die Figur selbst ein strenger Christ ist wird mehrfach
aufgegriffen, was für die Charakterzeichnung auch wichtig ist, aber
man hätte diese Glaubenstreue nicht in den Mittelpunkt rücken
müssen, immerhin rettete Desmond die Soldaten und nicht sein
Glaube. Wenn die Soldaten ihn mustern wie ein Märtyrer und noch den
Einsatz verzögern bis er das Gebet beendet um dann anschließend mit
neuem Elan in die Schlacht zu ziehen, hätte Gibson ein wenig
Distanz zum Glauben wahren können.
Was macht
Hacksaw Ridge dann eigentlich gut? Einen
Kriegsfilm über einen Pazifisten zu machen ist eine frische Idee
und schon längst überfällig gewesen. Zwar hat der Film Probleme in
nahezu allen Bereichen, aber der Mix aus Familiendrama,
Liebesgeschichte, Ausbildung mit Außenseiterproblematik und
Kriegsgeschehen ist selten langweilig. Des Weiteren ist die
handwerkliche Qualität auch nicht von der Hand zu weisen. Man ist
auch gewillt manchen Fauxpas zu ignorieren, da die vermittelten
Werte trotz problematischer Darstellung immer noch ehrenwert sind.
Hätte Gibson sich weniger auf simple Denkmalsetzung und
Glorifizierung von christlichen Werten versteift, sondern den
Sonderstatus der realen Figur authentischer und pathosfreier
umgesetzt, wäre es wohl ein richtig guter Anti-Kriegsfilm
geworden.
(6/10)
P.S. zum Thema Oscarnominierungen:
Ich halte fast alle Nominierungen für ungerechtfertigt. Andrew
Garfield spielt nicht mehr als solide, hat aber den großen Vorteil
einen amerikanischen Helden spielen zu dürfen. Gibsons Regie ist
nie dezent, sondern ständig drüber. Leise Töne schlägt er nie an.
Thematisch kann der Film nicht näher an den Vorlieben der Academy
liegen (amerikanisch, religiös, Heldentum, basierend auf wahrer
Begebenheit, moralisierend) was vermutlich auch die Nominierung als
besten Film erklärt. Wie bereits viele andere Filmformate
statierten: Gibson kann froh über die Nominierung sein und es als
Rehabilitierung in Hollywood ansehen. Für mehr Zuspruch wird es
nicht reichen.