Fußball: 80 Millionen Bundestrainer
Es ist die Geschichte von Mats Julian Hummels, einem 22-jährigem Profi-Fußballer aus Bensberg, der die Jugendausbildung der Münchner Bayern genoss. Angekommen im Herrenbereich sollte er bei der Profi-Mannschaft auf den Trainer Jürgen K. treffen, der jedoch kein Auge für ihn hatte. Ehrgeizig wie Hummels nun Mal ist, ließ er sich in der Winterpause verleihen, um bei einem anderen Verein Spielpraxis zu bekommen.
Mit 39 Minuten Bundesligaerfahrung kam er für eineinhalb Jahre bei Borussia Dortmund unter. In der Rückrunde machte er für die Borussen direkt 13 Spiele, konnte die schwache Saison der Dortmunder aber nicht verhindern.
Frischer Wind musste her - der alte Trainer musste einem Neuen weichen: Jürgen K. II (ab hier nur noch Kloppo genannt) sollte ab nun den Trainerposten innehaben und sollte all das halten, was sein Namenskollege bei den Bayern versprochen hatte: Die Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Er versprach Vollgasveranstaltungen und gab dem BVB mit seiner extrovertierten Art ein neues Gesicht. Unruhe im Verein sollte bis heute der Vergangenheit angehören.
Auch Hummels blühte unter ihm auf. Kloppo stellte ihm mit Neven und Tele zwei Innenverteidiger mit viel Potenzial zur Seite. Eine starke Hinrunde 08/09 neben Neven später, sollte der Jürgen K. aus München einen aus heutiger Sicht folgenschweren Fehler begehen. Der amerikanische Blondschopf plante nicht (mehr) mit Hummels, was einen endgültigen Wechsel zum BVB ermöglichte, bei dem Uli immerhin noch etwas über 4 Millionen Euro Ablöse herausschlagen konnte.
Wenige Tage später der Schock: Hummels verletzt - Saisonaus. Im Boulevard und auf Plattformen wie Transfermarkt.de kursierten bereits die Schlagwörter von "Verletzungsanfälligkeit" bis "Sportinvalidität" - es war ja immerhin auch schon die zweite Verletzung Hummels' am Sprunggelenk innerhalb weniger Wochen.
In der Rückrunde wurde er nahtlos von einem überragend aufspielenden Tele Santana ersetzt - Es reichte nach einem furiosen Schlussprint, im wahrsten Sinne des Wortes, am Ende nur zu Platz Sechs - international nicht dabei.
Ungeachtet dieser Umstände kämpfte sich unser Mats zurück auf den Trainingsplatz und sprang ohne Spielpraxis noch auf den Zug auf, der zur U21-EM nach Schweden fuhr. Hinter den gesetzten Benedikt H. und Jerome B. blieb für Hummels nur der Platz auf der Bank sowie einige Kurzeinsätze. Die U-Nationalelf kämpfte sich bis ins Endspiel gegen England vor, und nun sollte auch Hummels‘ Stunde schlagen. Als Sechser vor die Innenverteidigung gezogen, war er als Staubsauger der Garant für den furiosen Titelgewinn – Die Engländer wurden mit 4:0 nach Hause geschickt.
Zurück bei der Borussia fand sich jedoch nach der Saisonvorbereitung nur auf der Bank wieder. Nach schwachem Saisonstart 09/10 der Borussen konnte Kloppo nicht weiter auf Hummels verzichten. Mats verwies Tele auf die Bank und sollte fortan mit Subotic eines der besten Innenverteidigerpaare der Bundesliga bilden.
Er sollte diese Saison zu einem kompletten Verteidiger reifen, der seine Stärken im Kopfballspiel, in Zweikampfführung und Stellungsspiel auch mit der nötigen Ruhe im Aufbauspiel und einer großen Torgefahr (er erzielte in dieser Saison seine Bundesligatore zwei bis sechs und bereitete zwei weitere Treffer vor) vereint.
In der U21-EM Qualifikation standen nach Fünf Spielen satte 5 Tore auf seinem Konto, zudem bereitete er einen weiteren Treffer vor. In Erinnerung dürfte dabei gerade sein Dreierpack beim 11:0 gegen San Marino bleiben.
Nicht nur bei ihm lief es immer besser. Die Borussia verpasste die Championsleague letztlich nur knapp und beendete die Saison mit einem sehr guten fünften Platz.
Die WM 2010 in Südafrika stand vor der Tür. Neben Arne F., Per M., Serdar T. und Heiko W. war noch ein Platz in der Innenverteidigung der deutschen Nationalmannschaft frei, die schon des längeren ohne deutsche Unterstützung ausgekommen war. Immer mehr Stimmen von allen Positionen Deutschlands wurden laut, Hummels müsse einfach mitgenommen werden. Mit einem Kicker-Notendurchschnitt von 3,10 (und damit weit besser als die etatmäßigen Nationalverteidiger) unterstrich Hummels diese Ambitionen und betonte mehrmals, dass es ein Traum wäre mit der Nationalmannschaft auf dem Platz seinem Innenverteidigerkollegen und Serben Neven gegenüber zu stehen.
Und tatsächlich sollte Bundestrainer Jogi L. einen weiteren Verteidiger nominieren, der mit 21 Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich hatte. Doch der Bundestrainer ließ verdutzte, teils entsetzte "Experten" und Fußballfans zurück. So kam nicht Mats Hummels die Ehre zu, die Nationalmannschaft mit nach Südafrika zu begleiten, sondern dem Bayerischen Youngstar Holger B., der gerade seine erste Saison bei Bayern München hinter sich hatte und dabei das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg errungen hatte und auch im CL-Finale stand.
Mats hingegen durfte sein können in einem Testspiel der Nationalmannschaft gegen Malta beweisen und werde “nach der WM eine Rolle spielen".
Die deutsche Mannschaft spielte ein starkes Turnier, demütigte Mitfavoriten England und Argentinien und scheiterte im Halbfinale nur knapp gegen den späteren Titelträger Spanien und belegte einen sehr guten dritten Platz. Jogi L. und seine Mannschaft wurden in der Heimat zu Recht frenetisch gefeiert.
Neue Saison - neues Glück?
Mit dem Beginn der Saison 2010/11 sollte nun eine schwarz-goldene Zeitrechnung starten, die vielleicht sogar mit dem Titel gekrönt werden kann. Sehen wir von einem Spiel gegen einen völlig unbedeutenden Gegner in der Europa-League ab, dass letztlich noch mit 3:4 gewonnen werden konnte, blieb Mats in dieser Saison absolut fehlerlos. Aber wir wollen nicht untertreiben: Er setzte auf die Leistung der vorangegangenen Saison noch eine große Schippe drauf und bildete mit Neven Subotic das mit Abstand beste Innenverteidigerduo der Bundesliga und kassierte in bislang 27 Spielen nur sagenhafte 16 Gegentore. Er entwickelte eine erschreckende Dominanz gegenüber seinen Gegenspielern (Neven: "Mats war in der vergangenen Saison schon einer der besten Manndecker in Deutschland. In diesem Jahr ist er mit Abstand der beste. Mit weitem Abstand. Besser als alle! Er gewinnt fast jeden Zweikampf. Und ich merke häufig, dass die gegnerischen Stürmer irgendwann nicht mehr auf ihn zurennen, weil sie keine Lust mehr darauf haben. Sie suchen sich dann mich aus."). Auch im Aufbauspiel zeigte er technische Finesse - Bei seinen Außenristpässen würden sich die meisten Innenverteidiger der Bundesliga wohl die Beine brechen.
Mit einem unglaublichen kicker-Notenschnit von 2,56 (Stand: 27. Spieltag) belegt er Platz eins aller Spieler - Wahnsinn.
Der Bundestrainer kommt jetzt natürlich nicht mehr an ihm vorbei, richtig? Bedingt.
Zwar wurde Mats zu den letzten Länderspielreisen eingeladen, über eine Jokerrolle kam er jedoch nicht hinaus. In der EM-Qualifikation gegen Kasachstan am vergangenen Samstag kam er nicht mal über den Stadionbesuch hinaus - Er stand nicht im Kader. Dass ihm der in der Bundesliga schwächelnde Per M. weiterhin vorgezogen wird, ist bei dessen Leistungen für die Nationalmannschaft vielleicht nicht nachvollzieh- aber vielleicht noch vertretbar. Auch ein Arne F., der dem grünen Plastikclub bisher keine Sicherheit geben konnte, dafür aber eine hervorragende WM-Leistung vorweisen kann, wäre erträglich. Stattdessen spielt aber wieder Holger B., der bei den Rothosen aufgrund eklatanten Formtiefs teilweise nur die Bank drückt und auch bei der WM keinen starken Eindruck hinterlassen konnte. Dessen Vertikalspiel sei gegen so einen tiefstehenden Gegner wie Kasachstan einfach wichtig, so der Bundestrainer. Während sich Arne F. immerhin mit einem Platz auf der Bank zufrieden geben darf, sitzt Hummels ein paar Stockwerke weiter oben. Der Bundestrainer sollte Recht behalten: Neben einer soliden Abwehrleistung zeigte Holger B. auch einige starke Rückpässe zu Manuel M., die wir so wohl nie von Hummels gesehen hätten - Alles richtig gemacht Herr L. .
Nun mag man zu Recht einwerfen, dass das Spiel gegen einen Gegner wie Kasachstan für einen Innenverteidiger eine wenig reizvolle Aufgabe sei und Hummels doch gegen den deutlich attraktiveren Gegner Australien ran dürfe. Andererseits dürfte es für den besten deutschen Innenverteidiger eine noch weniger reizvolle Aufgabe sein, in einer bunt durchgemischten Mannschaft "in der sich die Talente zeigen können", in einem Testspiel anzutreten. Besonders wenn man weiß, dass Jogi L. die Gewohnheit hat, in Pflichtspielen die für ihn stärkste Elf aufzustellen.
Diesen vollkommen unparteiischen Text möchte ich mit der Erinnerung daran abschließen, dass die Turniere unter der Leitung von Jogi L. äußerst positiv verlaufen sind. Zweimal scheiterte man knapp gegen den späteren Titelgewinner Spanien und steht heute mit 15 Punkten aus 5 Spielen (und damit 8 Punkten Vorsprung vor dem Zweitplatzierten) auf Platz eins unserer EM-Qualifikationsgruppe. Viele Entscheidungen von Löw zweifle auch ich an, das sollte deutlich werden. Hummels ist da ein Härtefall, der das Leistungsprinzip in Frage stellt. Dass jedoch permanent über Klose diskutiert wird, der in München im Moment zwar keine Rolle spielt, in der Nationalelf hingegen Spiel um Spiel Leistung bringt und seine Buden macht, ist zu überdenken (Klose erzielte in den letzten zehn Länderspielen wettbewerbsübergreifend elf Tore). Da an der Leistung der Nationalelf wenig bis nichts auszusetzen ist, fehlt einfach die Grundlage, Jogi L. schlecht zu reden. Von den 80 Millionen Bundestrainern, die es offensichtlich in Deutschland gibt hätten nur die wenigsten ähnlich viel Erfolg gehabt, da bin ich sicher.
Mats, du kannst nur weiterhin deine Gegenspieler bis zur Verzweiflung dominieren, vorne deine Buden ab sofort per Fallrückzieher markieren und mit ganz viel Geduld deine Ambitionen unterstreichen, so doof das klingt. Jogi L. kommt langfristig nicht an dir vorbei - er weiß es offensichtlich nur noch nicht.
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Kommentare
Denk mal an die ehemaligen Hoffenheimer Nationalspieler Beck, Compper und Weis oder die Wolfsburger Schäfer und Riether, die sich letztlich nur als durchschnittliche Akteure entpuppt haben, die nur im Erfolgssog mitgezogen sind.
Bestes Beispiel war auch Christian Lell, der ja nun bekanntlich ein wahrhaft grausiger Profi ist, der in der Münchener Meister Saison 07/08 auch gut spielte, aber nur weil auch alle anderen im Team richtig stark waren.
Dass sich Hummels gestern nicht gerade angeboten hat, habe auch ich wahrgenommen. Allerdings halte ich Tests, bei denen ein bunt durchgewürfeltes Team auf dem Platz steht, nicht für repräsentativ. Mats Hummels spielt in der Bundesliga eine Fabelsaison und gehörte auch letztes Jahr schon zu den besten Innenverteidigern. Das wird niemand abstreiten können, der ihn bei Dortmund in mehr als Fünf Spielen live am Ball über 90 Minuten gesehen hat.
Wenn die Spieler wirklich stark sind, wird man das erst nach 2-3 Spielzeiten sehen und nicht erst nach einer Saison die noch nicht einmal beendet ist. Es gab so viele Toptalente die mal eine tolle Saison gespielt haben und dann in der Nationalmannschaft waren. Von da an kam bei vielen nichts mehr. Ich erinnere mal an Sebastian Deisler, David Odonkor, Mike Hanke, aber auch ein Thomas Broich der als Jahrhunderttalent galt und mittlerweile in Australien kickt.
Wir müssen wieder dahin kommen das die Spieler über 2-3 Spielzeiten Topleistungen abliefern und dann erst zur Nationalmannschaft kommen dürfen! Aber wenn der Talentwarn so weiter geht kommen wir da auch hin.