Drive
Zunächst ein paar kurze Worte zur Handlung: Der Protagonist wird lediglich als Driver geführt und bleibt somit den gesamten Film über namenlos. Driver ist Stuntfahrer beim Film, schraubt in einer Werkstatt an Autos herum und lässt sich zusätzlich als Fahrer für Überfälle buchen. Nebenbei entwickelt sich eine kleine Romanze mit seiner Nachbarin, deren Ehemann kurz darauf aus dem Knast entlassen wird.
Sein nächster Job als Fahrer bei einem Überfall entpuppt sich als Falle und nun muss er nicht nur um sein Leben, sondern auch um das seiner Nachbarin und deren kleinen Sohn bangen. Somit beschließt er, daß Angriff wohl die beste Verteidigung ist…
Zugegeben, die Story ist überschaubar, aber darum geht es ja nicht. Sicherlich ist es heute kaum noch möglich, oder zumindest nicht einfach, neue Geschichten zu erzählen. Dessen ist sich auch Regisseur Nicolas Winding Refn durchaus bewusst und macht dies eben mit einer gekonnten Inszenierung wieder wett. Und daß er dies mehr beherrscht, hat Refn bereits zu genüge mit seiner Pusher Trilogie oder auch Bronson bewiesen. Und auch bei seinem neuesten Werk schafft er es durchaus mittels seiner gekonnten Inszenierung, aus einer überschaubaren Story einen wunderbaren Film zu kreieren. Ich möchte mich nicht zu sehr in Superlativen bewegen, aber Refn hat Drive nicht inszeniert, eher komponiert.
Drive ist kein Actionfilm. Man sollte also auf gar keinen Fall dramatische Verfolgungsjagden und wüste Shootouts erwarten. Der Film biete gerade einmal eine Verfolgungsjagd, da war’s. Drive ist ein Thriller, Drive ist ein Drama. Drive erzählt eine Geschichte, die Geschichte um einen namenlosen Helden, der eigentlich kein Held sein will. Ein sehr ruhiger und charismatischer Typ, der stets überlegt handelt und irgendwie in seiner kleinen Welt zu leben scheint. Ein Welt, die nach dem verpatzten Überfall aus den Nähten platzt.
Und ebenso ruhig wie unser Driver ist, so wird auch die Geschichte erzählt. Keine schnellen Schnitte, keine hektische Kamera, kein lauter und bombastischer Score. Dennoch, oder vielleicht genau aus diesem Grund, wirkt das Gesamtwerk am Ende sehr rund und stimmig. Das wird schon in der Eröffnungssequenz deutlich, eine Eröffnung zum niederknien. Der Driver wird mittels eines Jobs eingeführt. Ein Job, den er mit einer unglaublichen Coolness durchzieht, dabei stets authentisch wirkt, nicht überzogen. Es gibt in dieser Sequenz keine Action, und das obwohl er sich auf der Flucht vor der Polizei befindet. Er handelt ruhig und überlegt und wirkt somit stets kalkuliert und niemals planlos. Ein sehr genialer und nicht aufdringlicher Score untermalt diese Sequenz, wie es besser nicht machbar wäre.
Und eben genau dies Sequenz zeigt dem Zuschauer exakt wohin die stilistische Reise während der nächsten rund 100 Minuten geht. Es gibt kaum Musik und die ganze Inszenierung reflektiert das Verhalten des Drivers: ruhig, besonnen, überlegt.
Dabei fällt aber auch vor allen Dingen die wunderbare Kamera auf. Die fängt nicht nur tolle Bilder ein, sie ist auch sehr oft ganz exakt positioniert. Ebenso wie der Driver viele Ereignisse aus nächster Nähe beobachtet, wird auch der Zuschauer durch die oft willkürlich wirkende Kameraposition in eine Beobachtungsrolle gedrängt. Nun ist man als Zuschauer natürlich der Beobachter, aber hier nimmt man trotzdem Teil. Die Kamera versetzt den Zuschauer quasi in die Rolle eines anteilhabenden Zuschauers, als ob man immer mit dabei ist. Dann wiederum versetzt einen die Kamera in die Rolle des statischen Zuschauers, man beobachtet die Dinge aus der Ferne, von einem sicheren Standort aus. Eben genau der Standort, den sich der Driver wünscht, der aber bereits mitten im Geschehen ist.
Nach der ruhigen und dennoch sehr spannenden Eröffnungssequenz nimmt sich Refn viel Zeit um seine Figuren einzuführen, sie dem Zuschauer zu präsentieren. Während dieser Zeit entwickelt sich die kleine Romanze zwischen dem Driver und seiner Nachbarin (keine Angst, diese Romanze bewegt weit weg jeglichem Klischees), es werden weitere wichtige Figuren eingeführt und die beginnende Romanze wird immer wieder durch Szenen unterbrochen, die die Hintergrundstory erzählen, die dann im weiteren Verlauf zur primären Story wird. Hier vergeht sicherlich viel Zeit, aber das ist Zeit, die die Geschichte braucht. Und das ist auch Zeit, die der Zuschauer braucht, um mit den Figuren warm und vertraut zu werden.
Nach dem missglückten Überfall nimmt der Film dann rasant Fahrt auf. Dabei bleibt Refn seiner Inszenierung treu, die Story wird weiterhin sehr ruhig erzählt, dennoch verspürt man als Zuschauer diese beunruhigende Bedrohung und so kommt plötzlich wieder sehr viel Spannung auf.
Drivers Kampf gegen die Bösewichte bleibt dennoch stets überlegt und kühl kalkuliert. Wenn hier aber gut und böse aufeinander treffen, fliegen trotzdem ganz gut die Fetzen. Soll heißen, Refn geizt nun wahrlich nicht mit grafischer Gewalt.
Hier erinnere ich mich an eine Zeit, die bereits lange her ist. Ich stand damals in der Videothek und soeben war Tarantinos Reservoir Dogs erschienen. Auf dem Cover des VHS Tapes prangte damals ein Sticker mit dem Aufdruck: die in diesem Film dargestellte Gewalt ist nichts für schwache Nerven! Nun war das so, daß die vielen blutigen Szenen sicherlich in ihrer Darstellung nicht neu waren, aber im Kontext zum Rest der Bilder im Film schon recht drastisch waren. Gewalt als Stilmittel. Und so ist bei Drive auch. Der Film zeigt dem Zuschauer stets ruhige Bilder, bricht aber in seiner Gewaltdarstellung komplett aus. Die Gewalt ist roh, heftig und sehr explizit, ganz im Gegensatz zum Rest des Films. Diese Szenen nehmen aber niemals Überhand und wirken sehr gut platziert. Sie sorgen auch dafür, daß man als Zuschauer nun mit allem rechnen muss.
Die Stimmen nach der Preview gestern waren sehr gemischt. Viele hatten wohl doch eher mit einem Actionfilm gerechnet und wurden dementsprechend enttäuscht. Ich kann nur sagen, daß Refn hier wieder ein Meisterwerk abgeliefert hat.
Der Cast ist übrigens auch erwähnenswert. Ryan Gosling (Lars und die Frauen, Das perfekte Verbrechen, Half Nelson) ist in der Rolle richtig gut und überzeigend. Aber es gibt ja noch mehr Figuren. Des Drivers Spezi Shannon, der ihm die Jobs besorgt, ist mit Bryan Cranston (der Familienvater aus Malcolm mittendrin) ebenfalls sehr gut besetzt. Carey Mulligan (Public Enemies, Brothers, Wall Street 2) ist mehr als nur schmückendes Beiwerk und überzeugt voll und ganz in der Rolle der Nachbarin und Mutter. Generell ist sie auch die einzige Figur im gesamten Film, die wirklich zu den Guten gehört. Denn Refn verzichtet auch hier wieder so gut wie komplett auf eine klare Gut-Böse-Trennung. Jeder hat hier irgendwie Dreck am Stecken und somit präsentiert Refn dem Zuschauer eine recht düstere und miese Welt voller Gewalt und Verbrechen, ganz so, wie man es von seinem Filmen gewohnt ist.
Die Widersacher sind ebenfalls gut besetzt, allen voran natürlich Ron Perlman, der alleine schon mit seiner körperlichen Präsenz die Bedrohung pur darstellt.
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