Birdman war dieses Jahr der große Gewinner bei der Oscar-Verleihung: Satte vier Awards räumte der Film des Regisseurs Alejandro González Iñárritu ab, darunter die wichtigen Preise für den besten Film und die beste Regie. Wer hinter dem Titel einen Superhelden-Film vermutet, sollte sich allerdings auf die Reise seines Lebens gefasst machen: Denn Birdman dreht sich zentral um den schmalen Grad zwischen Kunst und Künstlichkeit.
Story
Riggan Thomson (M. Keaton) hat schon bessere Tage gesehen: Zwar ist er weltbekannt für seine ehemaligen Erfolge als Superheld „Birdman“, doch abseits jener Blockbuster konnte er weder kommerziell noch bei Kritikern Begeisterung auslösen. Das zehrt an Riggans Psyche, der nun Regie bei der Bühnenadaption von Raymond Carvers „What we talk about when we talk about love“ führt und zugleich die Hauptrolle spielt. Riggan wird von Visionen des Birdman heimgesucht, der ihn mahnt, die Kunst zugunsten der Künstlichkeit aufzugeben. Dass der Broadway-Schauspieler Mike Shiner (E. Norton) in Riggans Stück zwar brillant spielt aber abseits der Bühne mit seinen Allüren nur Ärger verursacht, ist noch das geringste Problem. Denn selbst Riggans entfremdete Tochter Sam (E. Stone) zweifelt am Verstand und am potentiellen Erfolg ihres Vaters.
Iñárritus Birdman hat zu Recht bei der diesjährigen Oscar-Verleihung unter anderem für das beste Drehbuch und die beste Regie abgeräumt. Eigentlich hätte allerdings auch Michael Keatons Darstellung entsprechend gewürdigt werden müssen: So hat Iñárritu Birdman in einer sehr speziellen Weise gefilmt, so dass der Film fast bis zum Schluss wirkt, als wäre auf Schnitte verzichtet worden. Tatsächlich wurden sehr lange Takes mit teilweise mehr als zehn Minuten verwendet, was für Hollywood-Filme extrem ungewöhnlich ist. Entsprechend konnte ein einziger, minimaler Fehler der Schauspieler die perfektionistische Arbeit der Kollegen zunichte machen. Keaton war natürlich als Protagonist besonders gefordert und liefert mit viel Selbstironie als Riggan eine beeindruckende Vorstellung ab. Dabei sind die Parallelen zur Biografie des ehemaligen Batman-Darstellers natürlich beabsichtigt und spielen mit den Erwartungen der Zuschauer. Insgesamt bewegt sich Birdman häufig auf einer Meta-Ebene und reflektiert sowohl das eigene Geschehen, durch Kommentare des Birdmans, als auch die Art des Filmemachens in Hollywood. Die Kritik an simplen Blockbustern mit Kawumm ohne Sinn und Verstand ist geschickt verpackt, denn sie führt dem Zuschauer vor Augen, dass niemand von niederen Trieben frei ist: Ausgerechnet, wenn auch in Birdman Explosionen und CGI-Effekte plötzlich die langen Dialoge durchbrechen und die Sinne des Zuschauers attackieren, spricht man sich genau gegen diese Art der Inszenierung aus.
Wenn man Birdman eines vorwerfen kann, dann die verkopfte Inszenierung: Die Charaktere verbleiben allesamt in einer ironischen Distanz zum Zuschauer, so dass Birdman selten wirklich das Herz packt, sondern vielmehr den Verstand ankurbelt. Das ist eine willkommene Abwechslung zu jedem Avengers oder Transformers, deren Unterhaltungswert hier nicht geschmälert werden soll, aber hinterlässt einen nach dem Film mit vielen Gedanken und Grübeleien und wenig Gefühlen. Gerade deswegen ist Birdman ein Film für ein bestimmtes Cineasten-Publikum, das hier alles geliefert bekommt, was es in den meisten Hollywood-Produktionen vermisst: Großartiges Schauspiel, handwerkliche Perfektion, kreative Inszenierung und künstlerischen Anspruch. Wer sich genau danach sehnt, sollte ohne weiteres Nachdenken zur Blu-ray greifen.
Bildqualität
Birdman wurde mit einem Budget von verhältnismäßig geringen 18 Mio. US-Dollar ins Leben gerufen. Wie bei vielen derartigen Produktionen üblich, wurde auch in diesem Fall mit digitalen Kameras gearbeitet. Das Ergebnis erzeugt bei Schärfe und Detailgrad Referenzwerte und liefert selbst in den dunklen, unaufgeräumten Gängen des Theaters ein hervorragendes Bild mit nur seltenem und minimalem digitalen Rauschen. So hat man es geschafft, die Schwarzwerte stark aber nie überbordend zu halten und setzt auf den Punkt gebrachte Kontraste. Die Farbgebung ist meist leicht erdig und favorisiert Rot-, Braun- und Gelbtöne. Tritt der Birdman auf, betont man aber die gesamte Palette etwas stärker, um die surreale Atmosphäre zu verstärken. Was die Kompression betrifft, treten keinerlei Anomalien auf, so dass Iñárritus gewünschte Optik in 1080p perfekt zur Geltung kommen kann.
Tonqualität
20th Century Fox verlässt sich auf ein deutsche Tonspur in DTS 5.1, welche dem englischsprachigen Originalton in DTS-HD Master Audio 5.1 zur Seite steht. Dabei platziert man in beiden Abmischungen die Dialoge und die sehr basslastige Musik im Vordergrund. So setzt man auf einen sehr eigenwilligen Soundtrack mit vorwiegend Percussion, dessen treibende Rhythmik perfekt auf das visuelle Geschehen abgestimmt ist. Der Subwoofer darf die Musik dann auch am stärksten hervorheben – sonst gibt es im Grunde nur in einer Szene etwas mehr Kawumm im Tiefton-Bereich. Voluminös kommt noch die ätherische Stimme des Birdman daher, welche über die Boxen grummeln darf. Das chaotische Treiben hinter der Bühne wird durch Surround-Elemente auf den Rears unterstützt, im Zentrum stehen aber stets die Dialoge. Wie gewohnt sind jene in der dt. Spur noch etwas lauter als im Originalton, was den restlichen Elementen aber nicht schadet.
Ausstattung
Die Extras der deutschen Blu-ray sind zur US-Fassung identisch: Herzstück ist mit ca. 33 Minuten Spielzeit in HD ein Beitrag, der Einblicke hinter die Kulissen erlaubt. Hier sieht man die interessanten und ungewöhnlichen Arbeitsprozesse, welche die langen Takes erst ermöglicht haben. So hat Regisseur Iñárritu vor dem Dreh mit Keaton und dem restlichen Cast quasi den gesamten Film wie ein Theaterstück durchgeprobt, um die tatsächliche Produktion vorzubereiten. Hierauf gehen Iñárritu und Keaton nochmals in einem Interview mit ca. 14 Minuten Spielzeit ein und äußern sich auch zu ihren Interpretationen der Handlung bzw. ihren Motiven für diese innovative Produktion. Eine Bildergalerie rundet das Extrapaket ab.
Fazit
Birdman schlägt sich in HD hervorragend und überzeugt mit einem knackigen Bild und referenzwürdigem Detailgrad. Selbst die zahlreichen, dunklen Aufnahmen beeindrucken trotz digitaler Kameratechnik mit seltenem Rauschen und sattem Schwarz. Was die DTS-Spur betrifft, steht der Percussion-Soundtrack gemeinsam mit den Dialogen im Vordergrund. Dies verhält sich beim Originalton sehr ähnlich – beide Abmischungen bieten jedoch auch verhaltene Surround-Effekte. Das Bonusmaterial hätte zwar gern etwas umfangreicher sein dürfen, gibt aber Aufschluss über Regisseur Iñárritus ungewöhnliche Arbeitsweise mit kompletten Rehearsals zum gesamten Film. Zu Recht war Birdman bei den diesjährigen Oscars so oft nominiert (insgesamt neunmal) und sicherte sich die Preise für das beste Drehbuch, die beste Regie, den besten Film und die beste Kameraarbeit. Es handelt sich hier um ein handwerklich großartiges Werk, das durch die Hinwendung zur Meta-Ebene nicht nur seine Charaktere, sondern auch den Zuschauer danach fragt, was heute Kunst und was Ware ist – und was man sich eigentlich wünscht. Zwar ist Birdman eine sehr kopflastige Erfahrung, doch dafür drängt sich der Film geradezu für mehrere Sichtungen auf, um alle feinen Details mitzunehmen. Birdman ist vielleicht nicht „purer Spaß“ aber trotzdem beste Unterhaltung mit Ironie und Anspruch. (anw)
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