Geschrieben: 15 Feb 2012 11:57
Wieder mal ein älteres Review dem ich hier eine neue Chance geben
möchte. Wer den Film noch nicht kennt, solllte dem Endzeitdrama
unbedingt eine Chance geben; gute Story, klasse Darsteller und eine
teilwese atemberaubend gute Fotografie.
Children of MenIm
Jahr 2006 gab es gleich drei Filme, die in Europa für Furore
sorgten und deren Ruf sich bis nach Hollywood herumsprach:
Das Leben der Anderen, Pan’s Labyrinth und der fantastisch fotografierte Children
of Men von Regisseur Alfonso Cuaron (Harry Potter 3 , Great Expectations). Der mit knappen
Budget realisierte Children of Men weist eine erstklassige
Besetzung auf und dazu eine Cinematografie, die angesichts der
Geldmittel von rund 50 Mio $ kaum möglich erscheint – so
einfallsreich, innovativ und beeindruckend ist die Verfilmung von
P.D. James’ (Cameo Auftritt im Film) Erzählung von Cuaron und
seinem Kameramann Emmanuel Lubetzki in Szene gesetzt. Obwohl er die
Auszeichnung als bester Ausländischer Film nicht gewann, verstärkte
schon die Nominierung für den Oscar die Mundpropaganda für die
düstere Zukunftsvision und ließ dem bis dato nur in Filmkreisen als
Geheimtipp geltenden Werk größere Beachtung zuteil werden. Nun hat
Children of Men endlich auch den Weg auf eine deutsche Blu-ray
gefunden – nachdem es ihn wegen des Formatsstreits und der
Ausrichtung von Universal auf den HD DVD Markt lange Zeit nur als
skandinavisches Blu-ray Release gab.
Story 10P
London im Jahr 2027: Die Welt ist in Chaos
versunken. Hoffnungslosigkeit, Chaos und Apathie beherrschen die
Menschen im totalitären Großbritannien – einem der wenigen Staaten
in denen es trotz täglicher Terroranschläge überhaupt noch eine
staatliche Gewalt und Ordnung gibt. Die Menschheit ist unfruchtbar
geworden; seit fast 2 Jahrzehnten können Frauen keine Kinder mehr
bekommen. Auch künstliche Befruchtungen und andere Experimente
zeigen keinerlei Erfolg - die Menschheit steht vor dem Aussterben.
Theo Faron (C.Owen), desillusionierter ehemaliger politischer
Aktivist, übernimmt seiner Exfrau zuliebe den Auftrag eine
Immigrantin mit gefälschten Papieren durch das Land zu schleusen.
Bald erkennt er dass die junge Frau schwanger ist – nicht weniger
als ein Wunder. Damit wird die kleine Reisegruppe zur Zielscheibe
verschiedener politischer Interessengruppen, die vor nichts
zurückschrecken um die letzte Hoffnung der Menschheit in ihre
Gewalt zu bekommen. Theo wird alles daran setzen die junge Frau in
Sicherheit zu bringen…Großes Kino zum kleinen Preis – zumindest
wenn man die Produktionskosten (ca. 50 Mio $) am filmischen
Resultat misst. Alfonso Cuaron erschafft mit sehr sorgfältiger
Cinematografie und stimmigen Produktionsdesign die glaubhafte
Vision einer allzu nahen, nihilistischen Zukunft in der die
Menschheit ohne Hoffnung ist und apathisch ihrem Untergang
entgegensieht. Dabei gelingt es dem Regisseur sowohl Action Szenen
der allerersten Güte, als auch lyrisch-poetische Momente in einem
dichten, fesselnden Plot miteinander zu verbinden. Christliche
Erlösungsmetaphorik wird ebenso behutsam zitiert wie
gesellschaftliche Schreckensszenarien, so wird z.B. staatlich
unterstützter Selbstmord fast beiläufig gezeigt
(Quietus).
Das albtraumhafte Chaos des Flüchtlingscamps
ist ein sich selbst überlassenes, anarchisches Kriegsgebiet, das
nur für einen winzigen Moment bei der Selbstzerfleischung inne hält
– ein grandios fotografierter poetischer Moment. Alfonso Cuaron
malt mit wenigen filmischen Pinselstrichen einen totalitären Staat,
der wenigen Privilegierten eine abgeschottete Zuflucht bietet –
allerdings keine Zukunft. Dies ist dank des hervorragenden
Produktionsdesigns, sehr viel überzeugender und glaubhafter
inszeniert als etwa das Regime im Wachowski Blockbuster
„V – wie Vendetta“.
Die Schaupielerriege ist erstklassig und der
gesamte Cast liefert Glanzleistungen: Clive Owen und Julianne More
überzeugen als entfremdetes Ehepaar, welches dennoch Vertrauen
zueinander hat, Chiwetel Ejiofor als zwiegespaltener Revolutionär
ist ebenso glaubhaft wie Michael Caine in seiner Alt-Hippie
Darbietung als Theos Vater – eine Runde Sache. Selbstverständlich
bleibt der Film seiner Linie auch am Schluss treu und liefert ein
Ende, das zwar nicht den rosarot gemalten Hollywood-Happy-Ends
nacheifert, aber dennoch Platz für Hoffnung und eine bessere
Zukunft lässt – großartig.
Bildqualität – 9P
Das Bild liegt im bildschirmfüllenden
Ansichtsverhältnis 16:9, 1.85:1 vor, der VC-1 Codec wird verwendet,
um die Standardauflösung (1920*1080p) mit Leben zu
erfüllen.
Der Qualitätseindruck ist hervorragend. Die
herabgesetzte Farbpalette passt ideal zum melancholisch- tristen
Zukunftsszenario und weist steile Kontraste auf, die den hohen
Detailreichtum des Bildes in Close-Ups und Aufnahmen aus mittlerer
Distanz zur Geltung bringen. Insbesondere die Nahaufnahmen von
Gesichtern (Zählung der Bartstoppeln von Clive Owen bei 244
gestoppt) und vor allem die First-Person-Kameraaufnahmen/Long Shots
sind scharf, knackig und weisen keinerlei Bildrauschen oder
sonstige Schwächen auf - High Def at its best!
Auch Bewegungsunschärfen bei schnellen
Kameraschwenks sind nicht zu sehen, das Bild liefert in diesen
Szenen erstklassige HD-Eindrücke. Gesichtsfarben und Hauttöne
unterstützen diesen Eindruck, hier gibt es nichts zu bemängeln. Das
gilt auch für den phänomenalen Schwarzwert, der auf ganzer Linie
überzeugt – von feinsten Abstufungen bis hin zum tiefsten
Schwarz.
Bei Fern- und Panoramaaufnahmen fallen dagegen
bisweilen Unschärfen auf, der Detailgrad ist in diesen Szenen nicht
auf dem gleichen, hohen Niveau, das ist z.B. an den Blättern von
Bäumen zu sehen. Insgesamt liegt aber ein erstklassiger Blu-ray
Transfer vor, der kaum Wünsche offen lässt und eine verdiente 9
Punkte Wertung abräumt.
Tonqualität - 8P
Während sich der englischsprachige Teil der Welt
wieder über lossless DTS-HD MA 5.1 Sound freuen darf, werden
deutsche Kunden - wie inzwischen bei den meisten US Major Studios
üblich - erneut um den vollen HD Genuss betrogen. Auch wenn die
Unterschiede zwischen den Tonformaten bei Children of Men nicht
allzu groß ausfallen, sind sie dennoch präsent und führen daher zu
einer Abwertung der deutschen Tonspur.
Der Audiotrack weist knackigen, aber nur
punktuell eingesetzten Subwoofer-Einsatz auf und erzeugt teilweise
hervorragende Surroundeffekte. Vor allem die Umgebungsgeräusche,
sei es im Flüchtlingscamp oder beim Überfall im Wald, beeindrucken
mit hervorragender Räumlichkeit und differenziert aufgelösten
Details. Das gilt auch für den Center Speaker, welcher die Dialoge
sauber und klar transportiert, in der englischen lossless Audiospur
allerdings noch etwas bessere Räumlichkeit
vermittelt.
Der Soundtrack ist ein weiteres Highlight des
Films. Es löst zwar Vertrautheit aus, die Melodien bekannter Songs
zu hören, allerdings sind die verwendeten Songs (Oldies) verfremdet
und erklingen als dissonante und schräge Versionen der Originale –
ein kongenialer Einfall, der sowohl die Vertrautheit, als auch das
Unbehagen mit diesem scheinbar trostlosen No-Future Szenario
verstärkt.
Extras – 6P
Das von Universal eingeführte U-Control Menü
spaltet die Gemüter, nutzt aber die erweiterten Menüfähigkeiten der
Blu-ray besser aus als dies einige Konkurrenten tun. Immerhin ist
das Gebotene aber weitgehend sehenswert und informativ,
insbesondere die Beiträge zu den Actionszenen und zum Design sind
sehr empfehlenswert. Ein echtes Highlight ist der Kommentar von
Soziologie-Professor S. Zizek, der Hintergrundwissen zu möglichen
gesellschaftlichen Entwicklungen liefert und erläutert, wie
glaubhaft und realistisch die dargestellte Zukunftsvision
ist.
Andere Beiträge liefern zusätzliche
Informationen zur Produktion und Realisierung des Films. Sie
beleuchten, wie innovativ und einfallsreich man bei der Produktion
des Filmes auf finanzielle Engpässe reagiert hat und auf welche
Weise es gelungen ist, diese Probleme in Vorteile zu verwandeln. So
ist der beste Beitrag dann auch „Under Attack“, der die
Realisierung und Choreografie der Action-Szenen thematisiert und
auf unterhaltsame Art echtes Hintergrundwissen dazu vermittelt -
klasse.
Beiträge zur Romanvorlage von P.D. James
fehlen leider - schade. Denn der Film setzt doch einige eigene
Akzente (im Buch sind z.B. die Männer unfruchtbar), die folglich
nicht betrachtet werden. Leider liegt fast das ganze Bonusmaterial
in SD vor, das trübt den guten Eindruck ein
wenig.
Fazit
Die Technik stimmt. Das Bild ist
erstklassig, der Sound trotz fehlendem lossless Audiotrack sehr
gut, und die Extras liefern genügend Material für eine
unterhaltsam-informative Verlängerung des
Heimkinoabends.
Der Film ist eine echte Entdeckung und ein
Juwel im Blu-ray Regal. Die anspruchsvolle Geschichte ist für
Action Fans zugänglich, bietet gleichzeitig aber auch Freunden des
anspruchsvolleren Kinos erstklassige Unterhaltung – ein seltener
Glücksfall. Nur ein Mysterium bleibt ungeklärt: Wie war es bloß
möglich, dass Children of Men den Oscar für die beste
Cinematografie nicht bekommen hat… Wie dem auch sei, der Film von
Alfonso Cuaron hat eine solche Auszeichnung nicht wirklich nötig:
Der Film spricht für sich selbst und gehört in jedes Blu-ray
Regal. (fb)
Wertung:
Story – 10 P
Bild – 9 P
Ton - 8
Extras – 6 P
Equipment:
Player: Sony BDP-S350
TV: Sharp Aquos 46“ LCD, 100Hz,
24p
Verstärker: Marantz SR
5003
Kopfhörer Grado: RS -1
"America is the only country that went from
barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar
Wilde
Geschrieben: 15 Feb 2012 12:07
Unser Matthes (Kuro77) hat den Film glaube ich auch für den
damaligen Review Contest ausgewählt....
Dadurch bin ich auf ihn aufmerksam geworden. Kann mich dir nur
anschließen - ein wirklich gelungener "Endzeit-Film". :thumb:
Geschrieben: 15 Feb 2012 12:24
Gast
Schöne Review einer der besten Endzeitfilme überhaupt. Allerdings
hinkt der Vergleich mit V wie Vendetta m.M. nach etwas, da V eine
Comicverfilmung ist und Children of Men ein realistischer
Endzeitfilm.
Geschrieben: 15 Feb 2012 12:27
Blu-ray Papst
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seit 04.09.2009
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Mediabooks:
2
Bedankte sich 1975 mal.
Erhielt 2349 Danke für 752 Beiträge
Oh ja, da werden Erinnerungen an die Anfangszeiten als
Reviewschreiber wach. :D
Inhaltlich stimmen wir ja zum größten Teil überein. Ist halt
einfach ein toller Film. :thumb:
Geschrieben: 15 Feb 2012 12:29
Wusste ich doch, dass du es warst Matthes.
Geschrieben: 15 Feb 2012 13:00
@ GregMC Ich finde den Vergleich sehr wohl statthaft. Beide Filme
entwerfen ein düsteres Zukunftsszenario, egal welchem Genre sie
zuzurechenn sind. In der graphic novel V - Vendetta ist das
übrigens sehr viel bedrohlicher als in der Filmversion.
Wie man also als Filmemacher ein solches Szenario ausgestaltet hat
und versucht glaubhaft zu machen ist m.E. sehr wohl vergleichbar -
und in diesem Punkt zieht V - Vendetta eindeutig den Kürzeren.
"America is the only country that went from
barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar
Wilde
Geschrieben: 15 Feb 2012 13:09
Blu-ray Starter
Aktivität:
Super Review und ein klasse Film. Die Actionszene im
Flüchtlingscamp ist imho eine der besten Actionszenen aller Zeiten.
Die Kameraarbeit ist echt beeindruckend.
Geschrieben: 15 Feb 2012 14:32
Blu-ray Starter
Aktivität:
Super Review, Frank! :thumb: Als Fan von herausragend
fotografierten Filmen und der offensichtlich guten Story, werde ich
"Children of Men" auf jeden Fall mal anschauen.
Bei der hohen Schrott-Quote bei Endzeitfilmen ("2012", "Knowing",
"Babylon A.D." und für mich zählt auch "I Am Legend" dazu) bin ich
mal sehr gespannt, was "Children of Men" alles anders macht. :)
Geschrieben: 15 Feb 2012 14:59
Blu-ray Sammler
Aktivität:
Sehr passendes Review zu diesen sehr guten Film.
Geschrieben: 15 Feb 2012 15:23
@ Globox Ich denke, das ist genau der richtige Film für Dich,
unbedingt mal besorgen. Der ist jedenfalls Klassen besser als die
von Dir erwähnten Gurken...Schon mal in The Wire geschaut?
"America is the only country that went from
barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar
Wilde