Eines meiner letzten Reviews, auch wieder einer mener
Lieblingsfilme.
Gottes Werk & Teufels Beitrag
John Irving, einer der renommiertesten und besten amerikanischen
Autoren der Gegenwart, ist einer der wenigen Schriftsteller, die
bei Publikum und Kritikern gleichermaßen hoch angesehen sind. Das
rief selbstverständlich Hollywood auf den Plan und so sind z.B.
Romane, wie Hotel New Hampshire oder Garp und wie er die Welt sah
erfolgreich verfilmt worden. Mit Gottes Werk und Teufels Beitrag
(The Cider House rules) erscheint nun die erste, oscarprämierte,
filmische Adaption seiner Bücher auf Blu-ray. Das Besondere: John
Irving arbeitete als Drehbuchautor gemeinsam mit Erfolgsregisseur
Lasse Hellström an der Verfilmung, die mit einem „Traum Cast“
aufwartet und bis in die letzte Nebenrolle erstklassig besetzt
ist
Story
Homer Wells wächst in den 30er Jahren
des 20. Jahrhunderts als Waise im vom Dr. Larch geleiteten
Waisenhaus St. Cloud auf. In dem abgelegenen Kinderheim wird Homer
bald zum Liebling des Stabes und übernimmt bereits in jungen Jahren
viel Verantwortung. Dr. Larch, der für ihn väterliche Zuneigung
entwickelt, bildet Homer früh zu einem fähigen Chirurgen aus mit
dem Ziel, das Homer ihm als Arzt für St. Cloud einmal nachfolgt.
Aber Homer hat Sehnsucht nach einem Leben außerhalb des
Waisenhauses, zumal er die von seinem Ziehvater illegal
durchgeführten Abtreibungen kategorisch ablehnt. Für Homer bietet
sich die Gelegenheit St. Cloud zu verlassen und das Pärchen Wally
und Candy nach einer Abtreibung zu ihrer Plantage zu begleiten.
Bald genießt er das scheinbar sorgenfreie Leben als Apfelpflücker,
bei dem er keine Verantwortung tragen muss. Homer macht erste
Erfahrungen mit Liebe, ethischen und moralischen Bedenken und muss
bald erkennen, dass auch das Leben als Apfelpflücker nicht
sorgenfrei ist, sondern ihn vor eine schwere Entscheidung stellt
und in einen Gewissenskonflikt treibt.
Lasse Helmström hat seine besten Filme als Regisseur von skurrilen
Stoffen gedreht, z.B. Mein Leben als Hund oder Gilber Grape,
weniger erfolgreich war er mit mehr am Mainstream orientierten
Stoffen wie etwa Casanova. Daher ist es kein Zufall, dass ihm mit
der Adaption des epischen Romans von John Irving ein künstlerischer
Erfolg gelungen ist, den er bislang nicht wiederholen konnte. Dazu
trägt vor allem die Drehbuchadaption durch den Autor der
Romanvorlage selbst bei. Denn John Irving legt die Axt geradezu
furchtlos an sein eigenes Meisterwerk (den gleichnamigen Roman) an.
Während die Erzählung ein ganzes Menschenleben umfasst, ungeheuer
detailliert und ausführlich die Figuren beleuchtet, konzentriert
sich der Film auf die Wandlung Homers vom Kind zum Mann. Dennoch
wird keines der zentralen Themen des Buches geopfert oder nur
gestreift, alle stehen gleichberechtigt – genau wie die
Liebesgeschichte und das Erwachsenwerden – nebeneinander; ja
bedingen einander.
Das ist angesichts der Tatsache, dass es um Themen wie Inzest,
Waisen, Adoptionen oder Rassismus geht umso erstaunlicher - nicht
gerade leichte Kost und schon gar nicht in Amerika. Das Besondere
liegt darin, wie die Story diese Themen aufgreift; nicht plakativ
moralisierend oder scheinheilig aufgeregt, sondern als zum Leben
gehörende Tatsachen die man akzeptieren muss und denen man sich
nicht entziehen kann. Erträglich machen dies der Humor und die
Anteilnahme, die der Film für seine Charaktere entwickelt –
demzufolge gibt es auch keine eindimensionalen
Charakterzeichnungen. Die Besetzung des Casts ist ein Traum und die
Rollen sind bis in die kleinste Nebenrolle hinein fantastisch
besetzt. Egal ob Michael Caine, Cathy Bates, Charlize Theron oder
Tobey Maguire in seiner bislang besten Rolle – sie lassen ihre
papiernen Vorbilder zu echten Menschen aus Fleisch und Blut werden
und der Zuschauer lacht, weint und fühlt mit Ihnen.
Homers innerer Kampf um Gewissen, Verantwortung und Freiheit wird
nie zu einem reinen Selbstzweck oder rutscht in Platituden ab; das
oscarprämierte Drehbuch sorgt mit tollen Dialogen und
Irving-typischen Humor dafür. Dass der Film der Buchvorlage treu
bleibt und doch eine eigen Geschichte erzählt, ist das seltene
Kunststück, das nur die besten Erzählfilme vollbringen. Die
unaufdringliche, sentimental-melancholische Filmmusik von Rachel
Portman trägt ihren Teil dazu bei – ein Meisterwerk.
Bildqualität
-
MPEG4-AVC Codec, Ansichtsverhältnis 2,35:1, Auflösung
1920+1080p
-
warme, natürliche Farben
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sanft abgestufte Kontraste
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gute Schärfe und Detaillierung im Nah- und Fernbereich
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überzeugender Schwarzwert der keine Details verschluckt
-
sehr gute Durchzeichnung
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realistische Hauttöne- und Gesichtsfarben
-
vereinzelt schwaches, nicht störendes Graining
Ein hervorragender Transfer, der mit vielen positiven Eigenschaften
glänzt. Eine wahre Freude diesen jungen Klassiker in dieser Form zu
erleben. Die Schärfe im Nahbereich könnte noch eine Spur besser
sein, ansonsten ein fast perfekter HD Transfer.
Tonqualität
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Deutsch/Englisch HD-MA 5.1
-
etwas leise abgemischt
-
natürlicher, realistischer Klang
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gute Dynamik
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hervorragende Dialogverständlichkeit
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seltene, aber sehr präzise eingesetzte Sound- bzw.
Surroundeffekte
Der deutsche DTS-HD MA 5.1 Track ist seinem englischen Pendant
ebenbürtig und eine Entdeckung wert. Insbesondere der
sentimental-melancholische Score von Rachel Portman (u.a. Emma)
begleitet das Geschehen ideal und ist integraler Bestandteil der
Story- und Charakterentwicklung; fantastisch.
Ausstattung
Es ist einiges an Zusatzmaterial vorhanden, dieses ist aber alles
in Standard Defintion und bereits von früheren DVD Versionen
bekannt. Aber: Wenn schon Resteverwertung, dann auf diese Weise.
Denn insbesondere der Kommentar von Regisseur L.Hellström und Autor
John Irving ist absolut empfehlenswert. Auch das Making of ist
überraschend tiefgründig und bezieht sogar Außenstehende wie
Bestsellerautor Stephen King mit ein. Andere Beiträge kommen
dagegen nicht über Einheitsbrei hinaus, das gilt u.a. auch für die
Deleted Scenes oder das Behind The Scenes Feature. Gänzlich
überflüssig sind die nichtssagenden Interviews.
Fazit
Endlich mal wieder ein junger Klassiker, dessen HD Transfer
hervorragend gelungen ist. Bild und Ton spielen in der obersten
Liga und brauchen den Vergleich mit jüngeren Filmen nicht zu
scheuen. Die Extras sind zwar nicht in HD, dafür aber recht
umfänglich und stellen teilweise einen echten Mehrwert dar.
Noch schöner als ein technisch hervorragender Transfer ist es, wenn
gute Technik auch auf einen guten Film trifft. Das ist hier der
Fall. Die John Irving Verfilmung Gottes Werk und Teufels Beitrag
gehört zu den besten Erzählfilmen überhaupt und entführt den
Zuschauer in eine Welt, in der Tragik, Komödie und Drama nicht nur
nebeneinander existieren, sondern sich bedingen. Denn all dies und
noch mehr gehört zum Leben – und das schreibt noch immer die besten
Geschichten. Dazu gesellt sich eine Schauspielerriege die ein
absoluter Glücksfall ist und ein Regisseur, dem es gelungen ist,
Herz und Geist der Buchvorlage zu bewahren. Hier ist die Quadratur
des Kreises gelungen, nämlich die Verbindung von Unterhaltung mit
Anspruch. (fb)
Bewertung:
Story - 10P
Bildqualität - 9P
Audio - 9P
Extras -7P
Gesamtwertung: 8PTestgeräte
Beamer: Epson EH-TW4400LPE
Blu-ray Player: Panasonic DMP-BD80 (modded RCF)
AVReceiver: Onkyo 608
Boxensystem: Teufel System 5 THX Select
"America is the only country that went from
barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar
Wilde