Das lässt sich dann, so paradox es klingt, doch wieder auf eine
sehr gute Serie hoffen. Netflix scheint konsequent den
eingeschlagenen Weg mit ihren Street-Heroes zu gehen und das heißt
nicht unbedingt Augenmerkt auf harte Action, sondern
Charakter-Driven, dichte Atmo, gute Ausarbeitung und Beleuchtung
der Charaktere und Hintergründe. Sowas liebe ich ja, wenn es gut
serviert wird, wie in den Netflix-Marvel-Serien.
Aber anscheinend geht es einer großen Mehrheit der
Comicfilm-Liebhaber insbesondere um harte, "ehrliche" Action und
man kann mit anderen Schwerpunkten wenig anfangen. Und leider geht
der Trend jetzt auch langsam in diese Richtung was wirklich sehr
schade ist. Was ist mit den erzählerischen Mitteln? Was ist mit
andersartiger Bedrohung, jenseits von stupider, tumper Gewalt?
Warum können so viele wenig damit anfangen?
Das hat mMn mit Ultron angefangen. Dieser Antagonist war als
Spiegelbild Iron Mans angelegt, der schlicht keine physische
Überlgenheit benötigt um bedrohlich zu sein. Er hat sehr schön
aufgezeigt wie limitiert die Avengers eigentlich sind, mit anderen
Mitteln als Gewalt vorzugehen. Er musste sie einfach nur lange
genug mit Pappkameraden aufhalten, bis er sein Ziel erreichten
kann. Was ja dann zum Glück nicht geklappt hat. Sozusagen der Sieg
der stumpfen Gewalt gegen schlichte Masse.
Dann Jessica Jones' Killgrave! Ein amoralischer Soziopath mit
bedrohlichen psychischen Fähigkeiten, dass es einen eiskalt den
Rücken runterläuft. Die Figur zusammen mit der Figur der Jessica
Jones, hervorragend ausgearbeitet und beleuchtet. Es wurde eine
Bedrohlichkeit ausgestrahlt, die endlich mal mit physischer Gewalt
nichts zu tun hatte und was ist die Reaktion vieler Zuschauer?
"Naja, nicht so schlecht, aber Laaangweilig! Viel zu wenig Action!"
WIE BITTE?
Dann Zemo aus Civil War! Ein Nachrichtendienstler wie er im Buche
steht, jenseits des James Bond Klischees. Der gefährlichste
Antagonist bisher (Kinofilme), der es geschafft hat die Avengers in
die Knie zu zwingen, indem er ihr inneres, nacktes Selbst auf sie
selber losgelassen hat. Und er kam, zumindest den Avengers
gegenüber, fast völlig ohne physische Gewalt aus, da er gegen sie
ohnehin chancenlos wäre. Was auch wieder die limitierung der
Avengers auf physische Stärke zeigt. Und was waren die Reaktionen?
"Ganz guter Film, aber wieder mal ein schlechter, weil nicht
bedrohlicher Bösewicht!" BITTE?
Dann Luke Cage! Eine Marvel-Superhelden-Serie mit der für mich
dichtesten Atmosphäre überhaupt! Luke als Held wider Willen, der
eigentlich nur seine Ruhe haben will und Cottenmouth, absolut
genial gespielt von Oskarpreisträger Mahershala Ali, als wirklich
super ausgelotetes Psychogramm eines tragischen Charakters, sowohl
Täter als auch Opfer. Daneben ein farbenfrohes Gemälde der
schwarzen Community in Harlem. OK, der Hauptantagonist war dann
eher schwach, aber insgesamt eine äußerst spannende Mixtur. Eine
unterhaltsam als Comicverfilmung gedrehte Geschichte, garniert mit
Sozial- und Charakterstudie. Daneben natürlich und unvermeidlich
auch ein wenig Action, die für meine Begriffe auch gut gemacht war.
Was war die Reaktion der Zuschauer? "Laaaangweilig!", "Wo war die
Action?".
Dafür wird jetzt Deadpool und Logan über den grünen Klee gelobt.
Ich habe beide noch nicht gesehen, Deathpool werde ich nach allem
was ich gelesen habe auch lassen (Nicht mein Humor und die 4. Wand
durchbrechen reißt mich aus dem Film), aber Logan werde ich später
auf Bluray sichten und zwar nicht wegen, sondern trotz der harten
Action. Aber wenn ich schon die Lobeshymnen einiger lese:
"Wunderbares Blutgespritze", "Super! Abgetrennte Köpfe und
Gliedmaßen!". Ehrlich, dann wird mir echt übel! OK, ich brauche
auch nicht unbedingt sterile Action, wo nichts weh tut und nichts
Konsequenzen hat, aber ich brauche auch keinen Gore-Anteil um mich
daran zu ergötzen. Es gibt noch jede Menge Gutes in der Mitte und
dafür benötigt es nicht unbedingt eines R-Ratings, was ja
anscheinend im Augenblick das Allheilmittel zu sein scheint.
Hier wird immer gefordert, dass Comicverfilmungen nicht immer den
gleichen Mustern folgen sollen, dass es so viel jenseits von 08/15
zu erzählen gibt. Gute Geschichen! Gute Charaktere! Dinge anders
machen! Tiefgang einbauen! Und was bekommt man zu hören, wenn das
jemand dann konsequent macht? Aber doch nicht soooo!
Laaaaaaagnweilig! Ich brauch Action! Ok, ist zwar drin aber zu
wenig! Nicht hart genug! etc. pp.
Leute! Wie kann man nur so Actionfixiert sein? Wie kann man nach
guten Geschichten schreien und das Ergebnis dann Laaaaangweilig
finden, nur weil die Action nicht mehr im Fokus steht, nicht hart
genug ist, oder was auch immer?
Herzliche Grüße
Arieve
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