Ich habe nun die OV gesehen.
Im Grunde kann ich Hibb zu 90% zitieren, denn das passt in
Abschnitt 1 und 2 perfekt. Zu ergänzen habe ich andere
Sachen.
Die Ambivalenz Hollywoods ist nur Menschen unbekannt, die noch nie
dort waren und zumindest einen kleinen Einblick bekommen haben. Es
ist durchaus eine Menschenmühle und interessiert sich nicht für
Befindlichkeiten, sondern will, dass der Job erledigt wird. Der
Film fängt das insbesondere durch Emma Stone immer wieder perfekt
ein. Ein kleiner Unterschied bestimmt den Tag und den Erfolg. Der
eine findet es genial, der andere banal. Und die aufstrebenden
Künstler müssen sich dem gnadenlos unterwerfen.
Darstellerisch ist der Film absolute klasse. Emma Stone muss
hierfür den Oscar kriegen. So facettenreich und bezaubernd war sie
noch nie. Der gesamte Film ist einfach wunderbar organisch in all
seinen Szenen. Es gibt sehr verschiedene Musicaleinlagen, manche
eher gedacht, manche echt, aber nie fallen sie aus den Szenen oder
wird direkt auf sie hingearbeitet, was auch daran liegt, dass der
Film pausenlos geschieht, denn musikalisch wie darstellerisch ist
immer Schwung drin und die Musik endet nicht mit einer
Gesangseinlage. Gesangseinlage kann man gar nicht sagen, es sind
eben keine Einlagen, es ist eben nicht typisch Musical.
Optisch und auch von Choreographin Mandy Moore gestaltet sind die
Szenen eine Wucht. Tolle Farben, viele verschiedene Kamerastile,
mal nah, mal Totale, mal mit wandernd, mal statisch und die Szenen
spielen sich ab wie auf einem Theaterrollbild, es ist ständig was
los. Clever werden auch so ziemlich alle Konventionen umschifft und
insbesondere das Ende gibt einen Einblick in die Macht des Zufalls
oder des Schicksals, wenn man so will.
Wer oft in LA ist, weiß, dass viele Sets, auch echte Orte, nicht
die echten Orte sind so wie sie wirklich sind, weil es da ein
bißchen anders aussieht oder man bestimmte Orte so nicht erreichen
kann. Es ist eine Traumwelt über und mit dem idealisierten Leben in
der Traumfabrik, welche wiederum Träume erschafft. Man hat die
Szenerie quasi optimiert und romantisiert. Die Bildsprachen sind
absichtlich bühnenhaft künstlich, da werden schrittweise Lampen
ausgeschaltet oder Perspektiven getauscht, um einen direkten Blick
auf die Gefühle der Protagonisten und der diese Gefühle tragenden
Lieder zu ermöglichen.
Großartig fand ich, dass der Zuschauer sofort richtig drin ist, es
gibt quasi keine Ebene zwischen Zuschauer und Film, aber auch keine
durchbrochene vierte Wand. Man taucht ein und erlebt diesen Rausch
der Figuren mit, was natürlich auch an der unglaublichen Chemie von
Emma Stone und Ryan Gosling liegt, welche sicher Hollywoods real
life Traumpaar wären, wäre Ryan nicht längst mit Eva Mendes
verheiratet und Familienvater.
Ausstattungstechnisch wird ganz groß aufgefahren, die besten
Modedesigner der Welt gaben sich die Klinke in die Hand und deshalb
sind alle Darsteller, insbesondere aber Ryan Gosling, stets und
ständig leibhaftige Fashionmodels und zeigen, wie man sich kleiden
könnte, wenn man in dieser idealisierten Welt leben würde. Perfekte
Farben, fühlbare Haptik der Kleidung und szenisch passende
Verortung mit zahlreichen Nahaufnahmen lassen die Bilder atmen. Man
sollte das nicht unterschätzen, denn billig gemacht sieht auch
billig aus. La La Land sieht hingegen fantastisch aus, besticht mit
großartiger Kamera, verspieltem und meisterhaften Schnitt und
extrem fähiger Regie. Damien Chazelle ist erst 32, beherrscht aber
das Handwerk Hollywoods auf allen Ebenen scheinbar mühelos.
Es gibt für mich nichts an diesem Film zu verbessern, nichts zu
bemängeln. Man sollte ihn nicht nur gesehen haben, man sollte ihn
bewusst sehen. Auf dem TV in 3 Jahren im Free TV mit den Chips in
der einen Hand und dem smartphone in der anderen wird dieser Film
nicht glänzen, da der Zuschauer überhaupt nicht bereit dafür ist,
mitgerissen zu werden. Also: großer Bildschirm, am besten im Kino
und dann einfach nur erleben.
10/10
agentsands
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