Der Hobbit, "Eine unerwartete Reise" -
Review
Es gab wohl kaum ein anderes Werk in der Vergangenheit, was derart
kontroverse Gefühle und Diskussionen bei den Fans ausgelöst hat.
Von Freude und Hoffnung bis hin zu Zähneklappern und Bangen ist die
gesamte Bandbreite ausgeschöpft worden, die ein Film im Vorwege
auszuschöpfen vermag. Die Gründe dafür lagen auf der Hand, oder
vielmehr: in vielen Händen. Da wären die immens hohe Qualität der
Herr-der-Ringe-Verfilmungen, an denen sich Peter Jackson selbst
messen muss, die Frage der Puristen, ob er sich dieses Mal an die
Vorlage hält oder Details - Stichwort "Bombadil" - auslässt.
Weiterhin das Studio, welches das Thema so tiefgehend ausschlachten
möchte wie irgendmöglich, die Tolkien-Erben, die ebenfalls ihren
Anteil in puncto Mitsprache und Umsatz in ihren Taschen wissen
möchten. Und zuguter letzt all die Schwenks und Unsicherheiten, die
es bereits im Vorwege zu dieser lang ersehnten Verfilmung gab
inklusive der ständigen Diskussion um die Technik, 3D und
48fps.
Alle Fans mögen, was die Story betrifft, vorweg beruhigt sein: es
ist zwar bereits einige Jahre her, daß ich selbst den kleinen
Hobbit gelesen habe - dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, daß
Peter Jackson nicht zuletzt in Anbetracht der Herausforderung,
gleich drei Filme aus diesem kleinen Buch erstellen zu müssen,
selbst jedes Satzzeichen mit in die Verfilmung eingebracht hat. Und
was bei diesem ersten Teil "Eine unerwartete Reise" dabei
herausgekommen ist, unterstreicht einmal mehr Peter Jacksons
Begabung als Visionärer Regisseur und Geschichtenerzähler.
Storyaufbau und Verlauf
Natürlich hat Jackson sich nicht 100% an die Vorlage gehalten.
Geschickt spinnt er gleich zu Anfang viele Erzählungen um die
Geschichte der Zwerge mit ein, und dieses Ausschmücken führt er den
Film über weiter. Unterstreichen tut er das mit einem diesem Aspekt
angelehnten, augenzwinkernden Kommentar von Gandalf. Achtet einmal
darauf! Überhaupt unterstreicht Jackson immer wieder, daß der Film
auch Spaß machen soll. Dazu wird Situationskomik sowie einige
Oneliner eingesetzt. Daran kann man sich stören, insbesondere in
Anbetracht des teils sehr düsteren bis hin zu am Ethikdöschen
kratzendem Monsterdesign - del Toros Handschrift lässt grüssen -
alternativ kann man sich aber auch zurücklehnen und mit dem
Kinosaal mitlachen. Tolkien-Hardliner allerdings werden hier ihren
ersten Aspekt zur Kritik finden.
Der Storyverlauf im Überblick ist mit Herr der Ringe Teil 1 zu
vergleichen: sehr langsamer, durchdachter Aufbau, dessen Ziel es
vor allem ist, die vielen Charaktere - insbesondere natürlich die
Zwerge - vorzustellen, sie dem Zuschauer begreifbar zu machen und
sich mit ihnen zu identifizieren, um gegen Ende des Films um jeden
einzelnen von ihnen bangen und mitfiebern zu können. Chapeau, Mr.
Jackson - auch diese Herausforderung ist Ihnen gelungen, besser
geht es nicht. Durch die langen Schnitte und Schwenks entsteht das
wohlige Mittelerde-Feeling der Ringe-Trilogie, und der
Spannungsbogen zieht wunderbar stetig an, so dass zu keiner Zeit
Langeweile aufkommt. Als Schmankerl ist noch zu erwähnen die für
Filmfans mit Geschmack für landschaftliche Totale die teils
herrlichen, traumhaften Aufnahmen von Neuseeland, die Jackson
selber sichtlich sehr genossen hat.
Darüber hinaus hat Peter Jackson nicht gegeizt mit tollen
Fantasy-Szenen, die ich an dieser Stelle mir aber zu beschreiben
erspare - es würde nur in massiven Spoilern enden.
Es gibt übrigens keinen Cliffhanger oder ähnlichen Filmschnippsel
nach dem Abspann.
Cast
Es sind natürlich alle altbekannten Schauspieler aus den Ringen
wieder dabei, inkl. Ian Holm als alter Bilbo. Auch wenn man den
Darstellern ansieht, daß der Filmstart des ersten Rings nun doch
bereits vierzehn Jahre zurückliegt (erste Aufnahmen starteten
1998), ist das Wiedersehen eine sehr angenehme Erfahrung. Großes
Lob gebührt der Auswahl der Zwergendarsteller, insbesondere Richard
Armitage als Thorin legt eine Glanzleistung hin. Seine Präsenz ist
derart mächtig, daß man zu jederzeit das Gefühl vermittelt bekommt,
es tatsächlich mit einem großen Anführer zu tun hat, der selbst auf
Augenhöhe mit Elrond zu bestehen vermag.
Viel internationale Kritik erhielt die Interpretation des Radagast
durch Sylvester McCoy. Er sei zu "ausgeflippt" und würde die Story
ins Lächerliche abdriften lassen. Dem kann ich nicht folgen: als
fünfter Zauberer, der sich der Tier- und insbesondere Vogelwelt
verschrieben hat und den Kontakt zu anderen Wesen scheut, ist seine
Darstellung glaubwürdig. Radagasts Aktionen dagegen wirken teils
humoristisch grenzwertig. Das hat aber weniger mit McCoys
schauspielerischer Leistung zu tun sondern geht eher einher mit der
grundsätzlichen Storyausrichtung, der, wie zuvor erwähnt, Peter
Jackson ein Augenzwinkern aufoktruiert hat.
Anlass zur Kritik gibt in meinen Augen vielmehr der vermehrte
Einsatz von CGI anstatt Realdarstellern. Die Orks und bösen
Gegenspieler wirken zwar in überwiegendem Maße und in ihrem Rahmen
authentisch, dennoch ist der Einsatz von Computergrafik gegenüber
dem von Realdarstellern zumindest diskussionswürdig.
Mehr ist nicht zu sagen - alle Schauspieler sind auf den Punkt
gecastet und spielen ihre Rollen entsprechend der Vorlage, bis auf
die Tatsache, dass Peter Jackson den Spielraum zur
Charakterentwicklung, die im Buch nicht klar herausgearbeitet ist,
sehr vergrößert hat, was aber sehr positiv ist.
CGI und SFX
Wenn ich The Hobbit kritisiere, dann ist das stehts auf einem
derart hohen Niveau, daß man das Kritisieren an sich schon
kritisieren könnte. So sind beim Hobbit die CGI-Effekte derart
grandios geworden, daß man den durchaus ins puppenhafte abdriftend
wirkenden Azog im Regelfall verzeiht. Ärgerlich ist es dennoch; man
könnte es mit einem Minikratzer auf dem hochwertig geprägten
Steelbook vergleichen, frei nach dem Motto "das hätte nicht sein
müssen".
Einen ähnlichen Zinken gibs bei der SFX: in ihrer Gesamtheit ein
Ohrengenuss erster Klasse. Lediglich bei den "Bossgegnern" Azog und
dem Ork-König wurde den Stimmen ein hallender Bass eingemischt, der
unfreiwillig komisch, deplatziert, wirkt. Ansonsten Perfektion
einer Art, die das Mittendrin-Gefühl neben den tollen visuellen
3D-Effekten greifbar machte.
Die 3D-Effekte als auch die 48fps-Technik führen diese Perfektion
dann schlussendlich an die Spitze. Viel kritisiert, man könnte
glatt von Innovations-Mobbing sprechen, ist gerade die
48fps-Technik die technische Krönung des Filmerlebnisses. War
Prometheus bereits eine visuelle Referenz in Plastizität,
Tiefenwirkung, Kontrast und Farbe, so toppt Jacksons 48fps-Einsatz
das um Längen. Sicherlich wirkt das Bild "realer" als das der
bisherigen 24fps-Technik. Keinesfalls ist es aber zu vergleichen
mit den Bildern, die moderne Fernseher durch Bildvorberechnung
erzeugen können und so einen "Dokumentarfilm-Charakter" erzeugen.
Mir ist auch nach längerem Überlegen kein Vergleich zu dem
Charakter der hier erstmalig zum Einsatz kommenden 48fps-Technik
eingefallen. Es ist schlicht einzigartig und ein absolut grandioses
Erlebnis für die Augen. Empfehlung: nicht durch die Medien
irritieren lassen und sich selber einen Eindruck verschaffen. Es
lohnt sich!
Fazit
Ja, es gibt Anlass zu Kritik - auf einem geradezu irrational hohem
Niveau. Das Gesamtwerk jedoch ist in seiner Präsentation ein Stück
Filmgeschichte, das ich mit Star Wars anno 1979 oder ähnlich
prägenden Werken vergleichen möchte, bei denen man sich sagt: "Da
wäre ich gerne dabei gewesen" oder "hey, ich war dabei!". Brilliant
in seiner Erzählung und Inszenierung, technisch ein Diamant. Wer
auch nur für einen Cent Gefallen an der Ring-Trilogie gefunden hat,
sollte sich diesen Film im Kino anschauen und nicht auf den
Blu-ray-Release warten. Und das dann in 48fps 3D - traut euch! Und
sei es, damit ihr später sagen könnt: ich war dabei.
9/10 - mit einem Punkt Abzug für den anteiligen Einsatz von CGI
anstatt Realdarstellern sowie teils diskussionswürdigen
Humor-Einlagen.
Als wir das Feuer
erfunden haben, haben die Menschen damit auch eine Weile Mist
gebaut. Aber irgendwann haben wir den Feuerlöscher erfunden
(Stephen Hawking 2015)
„Erst kommt der Ruin
der Staatshaushalte durch die Politik, dann kommen die
Erfüllungsgehilfen in den Zentralbanken, und am Ende steht das
Ende der bürgerlichen Freiheiten.“
(Roland Tichy, Vorsitzender der
Ludwig-Erhard-Stiftung)