2001-Odyssee im Weltraum
1968
USA/Frankreich /Großbritannien
Stanley Kubrick
=> Blu-Ray Single Disc Amaray in Stanley Kubrick Box
„In einem unendlichen und ewigen Universum ist alles möglich.“
- Stanley Kubrick
Stanley Kubricks 2001-Odyssee im Weltraum ist eine harte Kopfnuss für jeden Kinogänger, der an entspannte Komödien oder Action und Science-Fiction ohne großartigen Tiefgang gewohnt ist. Der Regisseur zeigt uns das Weltall von einer neuen Seite und erfindet das Genre mal eben neu. Er achtet akribisch genau auf physikalische Korrektheit und versucht anders als andere SF-Vorreiterfilme mal möglichst realistische Darstellungen von Dingen, die damals nicht nur eine recht neue und unbekannte Erfahrung waren, sondern auch schwer in einem Film einzufangen waren. 2001 ist ein einziger Trip, das trifft es sehr gut.
Der Film, der lose auf den Prosa-Werken von Arthur Clarke beruht, mit dem Kubrick auch zusammen das Drehbuch entwickelte, ist in mehrere Kapitel eingeteilt. Im ersten Teil, dem „Dawn of Man“ beschauen wir ganze 25 Minuten lang eine Gruppe friedlicher Menschenaffen in der Vorzeit, die gemeinsam mit einigen Wildtieren friedlich koexistieren. Später nach einem Sprung ins Jahr 2000 treffen wir den Wissenschaftler Dr. Floyd, der auf dem Weg zur Mondstation Clavius ist, wo ein eigenartiger Monolith auf der Mondoberfläche gefunden wurde. Im zweiten Teil, der „Jupiter Mission“, beginnt die eigentliche Haupthandlung des Films: eine bemannte Mission zum Jupiter, bei der zwei Astronauten, Dr. Dave Bowman und Dr. Frank Poole, sowie der intelligente und mit eigenem Bewusstsein ausgestattete Bordcomputer HAL an Bord eines riesigen Raumschiffs sind. Der Rest der Crew ist in einem sogenannten Kryoschlaf und wird erst bei Ankunft auf dem Jupiter „reaktiviert“.
Kubrick, der für seinen Film detailreichste Qualitätskontrolle aller Bereiche der Produktion wie sonst kein anderer Regisseur betrieb, und seine Vorhersagen für die Technikfortschritte der nächsten Jahre in diesem Film werden auch stets gelobt – ich meine, der Streifen erschien 1968 und wurde in den 3 Jahren zuvor produziert. Und genau das ist ja das Interessante am Film: wandeln wir hier schon auf dem Mond herum, fand die tatsächliche Mondlandung der Amis ja erst nach Erscheinen dieses Streifens statt. Beratend für Kubrick standen auch echte Physiker und Astronomen zur Stelle – und exakt diese angebrachte Genauigkeit macht 2001 zu einem Meilenstein, finden wir ja in jedem Science-Fiction-Film, gaukelt er uns auch noch so sehr einen gewissen Realismus und ein Könnte-Sein vor, irgendeinen Haken, der uns vor lauter Träumen und Staunen trotzdem immer ins Gedächtnis ruft, dass es ja doch so etwas niemals geben wird. Hier ist es anders. Gewisse Aufmachungen mögen alt aussehen. Und dass wir kein CGI-vollgepfropftes Effektmonstrum erwarten dürfen, ist auch klar. Aber beschaut man Bilder der Sets erkennt man schon den für die 60er neuartigen Kunst- und Effektschritt, den Kubrick ohne große Hürden getan hat.
2001: Odyssee im Weltraum stellt oberflächlich zunächst einmal den Konflikt Mensch VS. Unbekannte Macht dar – wobei auch nicht klar ist, ob wir diese unbekannte Macht fürchten sollten. In jedem Fall ist die schlichte Darstellung der Monolithen als… naja, rechteckige, schwarze Pappwand mit eigenwilliger Musikuntermalung echt verstörend, wenn man sich auf den Film und die Gesamtstimmung einlässt. Das wirkt dann schon eindrucksvoller auf die Psyche der Zuschauer als jede grüne Gummikreatur mit riesigen Augen. Diese Monolithen sind die Schlüsselobjekte, in deren Präsenz sich jedes Mal eine Bewusstseinsänderung der Menschen vollzieht, wenn sie zu nahe kommen, und sind der eigentliche Kern des Films. Kubrick brauchte keine kleinen Männchen und Weltallbestien, um dem Zuschauer zu zeigen, dass hier außerirdische Mächte am Werk sind. Er zeichnet auf surreale, gleichwohl glaubwürdige Art und Weise einen Blick in die Zukunft für die Menschheit, der tagelang zum Denken anregen möchte. Die Jahresangabe ist hier tatsächlich nur ein Wort. Er liefert neue Ideen darüber, was ein Film eigentlich ist und sein kann. Kubrick greift auch gerade in den Startlöchern stehende technische Bereiche wie das Videotelefon, damals natürlich im Alltag kaum realisierbar, oder die erste „singende Maschine“, die den gleichen Song „Daisy, Daisy“ (im Deutschen: Hänschenklein) wie HAL kurz vor seinem „Ableben“ singt. Der Film ist zeitlos – Kubrick hatte bereits in den späten 60ern erkannt, dass die Zukunft, nicht allzu fern, von Technik bestimmt werden wird und wir bald alle nur noch auf Bildschirme starren. Es gilt: alles wirkt irgendwie frisch und aktuell. Da vergisst man doch glatt, dass 2001 auch schon wieder 10 Jahre hinter uns liegt. Und Kubricks Visionen der Zukunft bald 50.
Die schauspielerische Leistung der agierenden Charaktere, die rückblickend auch keine sonderlich bekannten Akteure sind und waren, ist wirklich gut, aber wir dürfen nicht vergessen: das Zwischenmenschliche und der Dialog stehen für Kubrick im Hintergrund. Es ist vielmehr ein Fest der Sinne. Musik und Bild malen hier das Prosawerk von Arthur Clarke. Keine Erklärungen und lästige Reden. Der Film ist was fürs Auge und fürs Ohr. Sprache wird hier zu einer Begleiterscheinung degradiert. Der legendäre Filmanfang, bei dem wir unseren Planeten Erde beschauen und auf epische Weise Richard Strauß’ „Also sprach Zarathustra“ zu hören bekommen verrät schon einen Großteil von Kubricks Hang zur Musik in seinem Werk. Wir bekommen während des Films tonnenweise, handlungslose, detailreiche Raumschiffszenen und Außenaufnahmen der Raumstationen zu Gesicht, die mit klassischer Musik untermalt sind. Allein diese Tatsache macht 2001: Odyssee im Weltraum schon zu einem besonderen Filmerlebnis, verbindet gerade dieser Film die unendlichen Weiten des Weltraums und den großen technischen Fortschritt dieser mit einem eher nostalgischen, weniger modernen Hintergrundscore. Andererseits – und da kann ich jeden, der diese Meinung teilt, absolut verstehen – kann das auch echt ermüdend sein. Wie so oft kommt das wohl auf den Zuschauer an. In jedem Falle aber liegt der Fokus darauf, die nach Wissen dürstenden Menschen ohne viel Emotion darzustellen. Den Computer HAL werte ich auch als Charakter an Bord: mit seiner penetranten Stimme, die zugleich beruhigend und oftmals ein wenig mit Humor gespickt wirkt, bei der jedwede Information, ob positiv oder negativ, immer im gleichen Tonfall herüberkommt. Grandios, dafür verliert man aber auch nach und nach das Vertrauen in des Menschen Hoffnungsträger: er macht sich Sorgen über die Mission, ist von sich selbst als allwissend überzeugt, unterstellt stets menschliches Versagen und kehrt sich später ja sogar gegen die Besatzung, als er merkt, dass er ausgeschaltet werden soll. Hier wird auch die Frage aufgeworfen, ob eine Maschine von Menschenhand eigentlich ein Eigenleben entwickeln und sich tatsächlich gegen ihre Erbauer wenden könnte – jedenfalls ist der Film realistisch genug aufgemacht, um diese philosophische Frage überhaupt stellen zu können, was es in anderen SF-Filmen ja – Friede-Freude-Eierkuchen-sei-D ank – gar nicht erst gibt. Zuletzt äußert er sogar Angst – eine wesentlich menschlichere Darstellung als die der Astronauten selbst. [Verweis auf O-Ton! HALs Originalstimme ist um Längen besser!] Arthur Clarke nennt HAL by the way einen Future-Frankenstein, der mehr sei als kalkulierbare Schaltkreise. Kubrick will wegkommen von dem ganzen zweitklassigen SF-Kram, der bis dato kursierte. Was gab es denn auch vor diesem Film außer ein paar trashiger Monsterfilme? Er zeigt eine andere Art Wissenschaftler. Farblose, geradezu maschinäre Gestalten. Da nimmt HAL schon fast eine weitaus menschlichere Opferrolle ein. Im Making of wird sogar von einer Schaltkreis-Vergewaltigung gesprochen. Gegen Ende des Films befinden wir uns übrigens im absoluten Drogentrip: während Dave den Jupiter erreicht und in die Nähe im All frei schwebenden, dritten Monolithenplatte kommt, bricht auf uns kaskadisch ein Sturm aus tausenden Farbeimern ein und wir finden uns in einem sehr schicken Hotelsaal wieder, gewiss ein Fantasieprodukt Daves. Die danach folgende poetisch-parabolische Verwandlung stellt das Ende des Films dar. So viel sei gesagt: wir dürfen wieder puzzlen und uns den Kopf zerbrechen. Da ist auch kaum verwunderlich, dass sich viele Jugendliche (bedenkt man die Jahreszahl) vorher zum Pott rauchen trafen, um den Film – sagen wir: „anders“ im Kino zu erleben.
Trotz der losgetretenen Kino-Revolution ist Kubricks Meisterwerk nichts für schwache Nerven: wer einfache Kost erwartet, ist hier Fehl am Platz. Der Film ist absoluter Mindfuck, Philosophie, eine Parabel auf das Leben, die Unendlichkeit und Unsterblichkeit. Mehr dazu später. Vor allem aber ist 2001 eines: und zwar unheimlich. Porträtiert der Film ja nicht nur die Einwirkung auf den Fortschritt und die ganze Evolution der Menschheit durch eine unbekannte, wohl außerirdische Macht, symbolisiert durch die verschiedenen, schwarzen Monolithen, sondern zeigt auch noch auf, dass eine Schöpfung der Menschen wie der Supercomputer HAL sich gegen seine Herren auflehnen kann und der Film somit einen der ersten Science-Fiction-Filme darstellt, wo nicht die Menschen die Technik meistern und nur von ihr profitieren; dafür aber Grenzen aufdeckt und Befürchtungen, der technische Aufschwung unserer Zeit bringe nicht nur Gutes, in den Raum stellt. Überhaupt war mir persönlich den ganzen Film durch sehr unbehaglich zu Mute. Mir lief jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken, wenn die psychedelische, das Hirn zermürbende Musik beim Anblick der mysteriösen Monolithen einsetzt, die wie ein Mark und Bein durchdringender Chor von Stimmen wirkt. Das beunruhigt da doch mehr als jeder Grusel-Schocker, vor allem bei geeigneter Anlage. Ebenso die penetrierenden Kameraeinstellungen in unserem Trip-Finale von den Augen von Dave und diese kurzen verkrampften Gesichtseinblendungen während unserer künstlerischen Bilderflut; all das kommt so bedrohlich herüber, wie es so manch ein Horrorfilm nicht drauf hat.
„So groß die Dunkelheit auch sein mag – wir müssen selbst für Licht sorgen.“
Kubrick bricht alle Tabus, weswegen der Film auch zu Beginn als gescheiterter Kunstfilm gebrandmarkt wurde. Zu Beginn beispielsweise sehen wir… nichts. 3 Minuten lang. Begleitet – wie sollte es anders sein? – von klassischer Musik. Später dann während des „Dawn of Man“ natürlich keine Dialoge. Der erste gesprochene Satz kommt erst nach 25 Minuten. Des Weiteren finden wir mittlerweile genauso berühmte wie unkonventionelle Schnitte – der sich drehende, von einem Menschenaffen in die Luft geworfene Knochen geht nahtlos über in ein längliches Raumschiff im Orbit der Erde von ähnlicher Form. Und dazu wird man nicht schlecht staunen, was wir für einen Film vom Ende der 60er alles an Special Effects erwarten dürfen: Riesige, sich drehende Sets um möglichst realistisch die Schwerelosigkeit im Jupiterraumschiff, der Discovery, darzustellen. Außerdem noch hervorzuheben sind HALs rote Lampen-„Augen“ und die hektische Zoom-Szene, durch welche sich der Zuschauer dauernd beobachtet und wie auf dem Präsentierteller fühlt; und die Szene, in der Dave wegen Reparaturen mit der Sonde außen am Raumschiff operiert, während der komplette Stille herrscht und wir minutelang nur die lauten Atemgeräusche Daves zu hören bekommen, wodurch wir uns wie mit im Raumanzug fühlen. Für einen Film, der bald 50 Jahre auf dem Buckel hat, sind das bestimmt revolutionäre Effekte gewesen. Geworben wurde auch auf einigen Filmplakaten zu 2001 mit dem Spruch: „Der Schlachtruf einer ganzen Generation.“
Bezüglich der Effekte empfehle ich wärmstens, sich am reichlichen Bonusmaterial der Blu-Ray (wohl auch DVD) satt zu sehen – es gibt ein Making of, Interviews, in welchen übrigens auch Ikonen wie James Cameron (Terminator, Titanic, Avatar), Steven Spielberg (E.T., Indiana Jones, Jurassic Park) oder George Lucas (Star Wars-Reihe) ihren Senf dazu geben – und ja, sie alle wurden in ihren einschneidensten Werken zutiefst allein von Kubricks Pionierlauf im Science-Fiction-Ichmachallesan ders-Vorhaben durch diesen Film geprägt. Und nicht zuletzt einige Kurzdokus über extraterrestrisches Leben und Kommentare anderer Mitwirkender des Films – und sogar Kommentare von den Statisten, die in den Affenkostümen gesteckt haben – wenn das nicht heiter wird! Das restaurierte Bild der Blu-Ray ist eine herrliche Referenz für Filme dieser Zeit, ebenso der aufbereitete Sound, bei dem sich ehrlich eine gute Anlage anbietet.
„Der schlimmste Fakt über das Universum ist nicht dessen Feindseligkeit, sondern seine Gleichgültigkeit.“
Fazit : Zuschauer mit zu engem Kragen und zu kurzem Geduldsfaden wird der Film total gegen Strich gehen. 2001 ist so facettenreich, dass man wahrscheinlich selbst in weiteren 50 Jahren noch immer darüber Nachgrübeln kann, was der Film uns im Grunde sagen will. Feststehend ist, dass er unkonventionell, neu, noch immer aktuell und definitiv ob der experimentellen Ader wegen schon alleine sehenswert ist. Auch, dass der offene und intellektuelle Zuschauer gar nicht intellektuell genug sein kann, um über derartig tiefschürfende, interpretierbare Existenzfragen zu einer klaren Antwort zu gelangen. Ist es nun die darwinsche Ansicht des Kampfes der Spezies gegen Individuum, Schöpfer gegen Schöpfung, Hang zur natürlichen Selbsterhaltung, Versinnbildlichung der Evolution oder die Verrohung und Verdammung der Menschheit durch die Inspiration, zum ersten Mal zu töten – sei es nun mit einem Knochen ein Urzeit-Tapir oder indem man die Speicherchips eines Supercomputer-Gedächtnisses entfernt – ob das symbolische Ende nun außerirdische Präsenz durch Einpflanzung der Vorstellung eines menschenvertrauten Saales wie bei einem Eisbären im Zoo, dem eine falsche Heimat vorgegaukelt wird, suggerieren soll, die Gefahr des Fortschritts oder am Ende doch nur eine nichtswollende Hypnose darstellt - ich weiß es nicht. Aber ich rate jedem, sich dieses surreale Weltall-Meisterwerk von Kubrick anzusehen und sich selbst wie ich über lange Zeit das Hirn zu zermartern. Es lohnt sich.
„Denn mehr kann ein verantwortungsvolles Gehirn wirklich nicht anstreben.“
- Supercomputer HAL
Ich gebe 10/10 Punkten.
bewertet am 02.01.14 um 11:03