Nachts, wenn alles schläft
10. Februar 2015Es klingelte und nur langsam schaffte es Tobey McWalsh sich dies bewusst zu machen.
Schlaftrunken fuchtelte er mit seiner Hand zur Seite, tastete sein Nachtschränkchen ab
auf der Suche nach dem Wecker, den er versuchte mit einem kräftigen Schlag wieder zum
Schweigen zu bringen. Es klingelte weiterhin. Auch ein zweiter und dritter Schlag schafften
keine Abhilfe. Erst sehr langsam und allmählich merkte er, dass es nicht der Wecker war,
der klingelte, sondern sein Mobiltelefon. Just in dem Moment, als er tatsächlich komplett
wach zu sein schien und danach griff, sah er auf dem Display, dass die Mailbox bereits
übernommen hatte. Der Anrufer legte auf, allerdings nur deshalb, um kurze Zeit später ein
weiteres Mal anklingeln zu lassen. Diese Nummer kannte er nur zu gut. Es war die Nummer
seiner Dienststele, die ihn wieder einmal mitten in der Nacht zu seinem Dienst bei der
Mordermittlung rufen musste.
Wieso werden Leute eigentlich grundsätzlich nachts umgebracht dachte er bei sich, in dem
Moment als er den Knopf betätigte, um das Gespräch anzunehmen.
„McWalsh“ knurrte er mit seiner rauen, tiefen Stimme. Er hörte einen Moment zu und
beschloss das Gespräch, indem er wiederholte: „46 Fairway Lane – alles klar, ich bin gleich
da!“
Gleich war bei McWalsh ein sehr dehnbarer Begriff. Alle seine Kollegen wussten das. Daher
war es auch keinesfalls verwunderlich, dass zum Zeitpunkt seines Eintreffens bereits das
komplette restliche Team seine Arbeit aufgenommen hatte.
„Und Bloom, was gibt’s?“ raunte McWalsh seinen jungen Kollegen an, wie er es
grundsätzlich immer tat. Das war einfach seine Art, ihn konnte man nicht mehr verbiegen.
„Wieder ein brutaler Mord! Als Tatwaffe wurde eine abgebrochene Flasche benutzt, die dem
Opfer mehrfach in den Körper gerammt wurde. Den ersten Anzeichen zufolge könnte es
sich...“ „...um einen Wiederholungstäter handeln?“ fiel ihm McWalsh ins Wort. „Ja, Sir“
blieb Bloom nur noch abschließend zu sagen, bevor er hinter McWalsh das Haus des Opfers
betrat.
„Es hat sich im Keller ereignet?“ „Korrekt, Sir. Es ist kein Grund für die Tat erkennbar. Alle
Wertgegenstände sind nach wie vor im Haus. Ich habe eben schon die Nachbarn befragt, auch denen ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen in letzter Zeit...“
Ja, wie bereits erwähnt, gleich war bei McWalsh ein sehr dehnbarer Begriff. Genau deshalb
verlor er nun aber keine wertvolle Zeit mehr. Vielleicht gab es noch irgendeinen Hinweis
zu finden, der auf die Identität des Täters schließen lassen würde. „Die Spurensicherung...“
setzte McWalsh ein. Wie in einem Satz setzte Bloom genau dort an „...hat ihren Job schon
gemacht. Wieder einmal existieren jede Menge Hinweise. Nach dem ersten Eindruck ist
diesmal bestimmt etwas Verwertbares dabei. „Können wir denn wenigstens auch wieder
auf Hinweise durch die Obduktion hoffen?“ „Sieht ganz danach aus. Spurensicherung und
Obduktion - sofern wir nicht noch zusätzlich irgendetwas auftun können.“
Im ganzen Haus war es aufgeräumt. Tatsächlich war nur der Keller von einer gewissen
Unordnung geprägt. Auch charakteristisch für diesen Täter. Auf irgendeine Art und Weise
schaffte er es immer, sein Opfer bei Nacht von selbst in den Keller kommen zu lassen,
wo er bereits wartete. Bei den beiden bisherigen Opfern wurden keinerlei Arten von
Abwehrreaktionen oder Kampfspuren gefunden, die dem Täter hätten gefährlich werden
können. Als bisherige Opfer schlugen ein Mann sowie eine Frau zu Buche. Beide hatten
auf dem Papier nichts miteinander zu tun, wohnten in verschiedenen Vierteln der Stadt.
Sie war alleinstehend, er verwitwet. Das aktuelle Opfer passte zudem nicht in die bisherige
Altersstruktur von 30 bis 40 Jahren, sondern war augenscheinlich deutlich älter. McWalsh
konnte noch einen letzten Blick erhaschen ehe die Leiche verladen und weiter verfrachtet wurde. Was hatte dieser Täter nur im Sinn?!
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