Blog von Nantal

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Monsters

24. Mai 2011

Monsters
2010
Großbritannien
Gareth Edwards
=> Blu-Ray Single Disc Limited Steelbook


„Vor sechs Jahren entdeckte die NASA mögliche Vorkommen außerirdischen Lebens innerhalb unseres Sonnensystems…“

Regisseur Gareth Edwards’ Regiedebüt „Monsters“ kreiert eine außerirdische „Invasion“ der etwas anderen Art: eine NASA-Sonde mit außerirdischen Proben stürzte 2004 über Mexiko ab. Seitdem gilt die Zone als „infiziert“, weil dort immer wieder riesige, bis zu 100 Metern große Kraken-Monstren ihr Unwesen treiben und das Militär dort gegen die Kreaturen kämpft. Vor diesem Hintergrund reist Fotograf Andrew Kaulder mit der Tochter seines Chefs, Samantha, zusammen durch diese Region, um sie nach Hause zu eskortieren, da bald durch die immer größer werdende Alien-Population alle Ausreisewege gesperrt werden und sie nicht mehr zurück in die USA käme. Dabei kommen sich die beiden –natürlich- näher.

„Monsters“ ist ehrlich gesagt sehr unkonventionell und nicht das, wonach der Film auf den ersten Blick aussieht. Für einen Titel, der zunächst nach einem waschechten Horrorfilm klingt, zeigt er uns –so gegensätzlich das auch klingen mag- wunderschöne, farbintensive, epische Bilder und Aufnahmen, die es wirklich in sich haben. Selten wird die abenteuerliche Reise durch den Dschungel von der Gefahr irgendwelcher zu groß geratenen Tierchen überschattet, alles läuft irgendwie in weiter Ferne ab. Währenddessen bleibt die Bedrohung aber immer real: die Städte und Dörfer sind größtenteils zerstört und mit riesigen Zäunen umschlungen, überall stehen große Schilder mit der Aufschrift „Infected Zone“, die ihre Aufgabe erfüllen und es vermögen, dem Zuschauer stets eine gewisse Unruhe im Nacken zu halten. Wenn wir auch teils schöne Landschaften und sehr hübsch animierte Orte sehen -ein Schmankerl fürs Auge wäre zum Beispiel die riesengroße Mega-Mauer durch den Dschungel, die die Amis als Schutz vor den außerirdischen Besuchern aus dem Boden gestampft haben und die unsere beiden Protagonisten nur von einem Inka/Maya/Azteken-Tempel aus in der Ferne sehen können- so dunkel und bedrohlich wirken die Szenen in der Nacht. Ebenfalls sehr nett: Ein extra produzierter, mexikanischer Kinderzeichentrickfilm, der den Kindern die Benutzung von Gasmasken erklärt.

Unsere Schauspieler, beide relativ unbekannt, machen ihren Job in jedem Fall ganz gut. Ich meine, kennen wir Whitney Able höchstens aus einer Nebenrolle von All the Boys Love Mandy Lane und diverser unbekannter Produktionen und Serienauftritten, und hat Scoot McNairy außer einer Nebenrolle in Bobby auch nicht viel vorzuweisen, kaufe ich beiden ihre Rolle wirklich ab. Sie beide spielen durch Trennung und Unzufriedenheit in Sachen Liebe emotional angeschlagene Menschen, die durch eine unglückliche Verkettung von Ereignissen dazu gezwungen sind, zusammen durch diese gefährliche Alien-Zone zu reisen. Dass diese Annäherung der beiden relativ dialogarm ausfällt, lässt somit gar keine große Verwunderung zu. In der deutschen Synchronisation wurde sich netterweise auch Mühe gegeben, die im Originalton erhaltene Sprachenkollision Englisch zu Spanisch darzustellen – denn Kaulder hat massive Probleme, Unterstützung und Informationen von den Mexikanern zu erfahren, während Sam wie auch ihre Schauspielerin privat ganz gut Spanisch sprechen können.

Zuschauern, die Filme wie Cloverfield, Skyline und auch den herausragenden District 9 mochten, wird der Film an sich sicherlich zusagen können, denn er ist entgegen vieler Internetmeinungen wirklich kein Müll. Interessant ist auch, dass er trotz niedriger Produktionskosten es seinen oben genannten Vorgängern gleichmacht und durch die überaus guten Effekte überhaupt nicht nach Low Budget aussieht. Trotzdem wirkt die aufkommende Beziehung von Sam und Kaulder irgendwie mittelmäßig glaubwürdig und das Gesamtbild der außerirdischen Kraken-Wesen, die zwar mächtig, aber nicht unbesiegbar zu sein scheinen und die Nordmexiko und Texas „infiziert“ haben, irgendwie gut angedeutet, aber dann doch wieder absolut unzureichend dargestellt. Überhaupt zeigt der Film nur kurze Ideen von der Evolution der Monstren, es werden kleine, aggressive Ableger angesprochen, die ein Dorf überfallen haben und der eigentliche Grund für das Aufkommen der Kreaturen wird in den ersten 3 eingeblendeten Sätzen Weiß auf Schwarz abgehakt. Klar: Betrachten wir die beiden einzelnen Schicksale der beiden, wissen wir, dass wir keine epische Independence Day-Alienschlacht erwarten dürfen und dass die Menschheit schon seit 6 Jahren mit dem Gedanken lebt, dass es Außerirdische gibt; das muss auch nach dieser Zeit die Schauspieler nicht mehr zwingend verwundern und sie gehen „normal“ damit um. Aber irgendwie enttäuscht dann das maue Hin und Her zwischen den Genres doch. Der Film will ja ein Sci-Fi-Film sein, denn er hat ja ganz cool gemachte Monster und baut ermüdenderweise wieder einmal als Reminiszenz an oder Plagiat von Krieg der Welten Tentakeln ein, die im Gebäude nach den Insassen glubschen. Gleichzeitig finden wir ein Beziehungsdrama vor und er schafft es dann doch wieder nicht richtig, ein typischer Genre-Film zu werden, vor allem nicht in der kurzen Laufzeit von knapp über 90 Minuten, wo wir ohnehin effektiv nur am Anfang und Ende des Films lebende Riesentierchen sehen.

Die Bildqualität der Blu-Ray ist enorm gut und auch vom Sound her hat der Film einiges an guter Atmosphäre zu bieten. Das Steelbook, sowie das üppige Bonusmaterial ist für Fans von „Monsters“ sicher auch ganz nett, sind nämlich nicht nur diverse Produktionsdokus enthalten, sondern auch eine Trailershow, ein Kurzfilm des Regisseurs, diverse Kurzdokumentationen über die Vorstellung des Films auf der Comic Con und Interviews etc. Besonders bemerkenswert: Der Kinotrailer liefert eine leicht andere Idee des Films, die ein wenig mehr an eine richtige Invasion erinnert und fast schon in Richtung World Invasion, teilweise sogar Resident Evil geht, als die Geschichte des eigentlichen Films anzudeuten.

„Nervt dich das nicht manchmal, dass erst etwas Schlimmes passieren muss, damit du davon profitierst?“

Ob uns die Endszene an der Tankstelle nun suggerieren soll, dass diese gigantischen Kreaturen vielleicht doch nicht so bösartig sind, sondern eher friedliebende, wunderschöne Wesen einer anderen Welt mit fluoreszierenden Körpernerven (in der Nacht am Ende sehr hübsch gemacht), die nur durch das radikale Vorgehen des Militärs aggressiv geworden sind, oder ob diese… Kuschelszene zwischen den beiden Riesenviechern einfach nur dazu dienen soll,  Sam dazu zu veranlassen, ihre wahren Gefühle für ihren Begleiter einzugestehen, kann man am Ende eindeutig nicht sagen. Auf alle Fälle zeigt uns eine kurze Doku, in der Sam bei der Übernachtung in einem mexikanischen „Hotel“ Quallen und Kopffüßer mit ebenso leuchtenden Körpern unter Wasser sieht, wahrscheinlich, dass der Film irgendwie andeuten soll, dass die fremden Kreaturen vielleicht gar nicht so fremd sind, wie alle meinen. Dass die ganze Chose dann ironischerweise auch noch genau zwischen den USA und Mexiko spielt und man da nun auch kräftig die Interpretationsmaschine anwerfen kann und „Monsters“ einmal mehr -in die Fußstapfen von District 9 tretend- ein Werk über xenophobe, amerikanische Ansichten über Einwanderungsängste zeichnet, mutet dem Film dann wohl mehr zu, als die Regisseure im Sinn hatten. Ein paar Sachen wirken im Film auch sehr komisch und aufgesetzt: Was soll zum Beispiel die bellende, verwirrte Frau in den texanischen Dorfruinen? Soll dieses Rumgetentakel der Aliens am Ende etwa Außerirdischen-Sex andeuten? Das wirkt dann doch mehr doof als irgendwie bedeutungsschwanger.

Die einzige Szene, in der wir wirklich einmal sehen, dass die „Monster“ was kaputt machen, ist auch ungefähr erst in der Mitte des Films, als die beiden Protagonisten in Begleitung ihrer mexikanischen Buschguerilleros durch die infizierte Zone, also den dichten Wald gen USA reisen – und selbst hier sind die einzigen Dinge, die sie zermantschen, zwei Autos, und zu Gesicht bekommen wir auch nur ein paar Tentakelarme. Gut, ob das nun dem geringen Budget zu verdanken ist, sei einmal dahingestellt – feststeht ist, dass das, was wir als Auswirkungen der Kreaturen verkauft bekommen,  genauso gut auch einzig und allein dem rigorosen Zerstörungsdrang des amerikanischen und mexikanischen Militärs anzuschulden sein könnte. Dieses scheinbar gewollte stilistische Mittel im Film, also die „Aliens“ zwar als permanente, allgegenwärtige Bedrohung darzustellen, aber eben möglichst wenig von ihnen zu zeigen und auch keine großartigen Kämpfe zwischen den Menschen und ihnen darzustellen, ist schön und gut – da bei „Monsters“ aber die Anwesenheit der „Monsters“ total im Hintergrund steht und im Endeffekt der Fokus nur auf der emotionalen, sowie sexuellen Spannung von Sam und Kaulder liegt, weiß man anfangs nicht so recht, was man (auch im Angesicht des da auf der Steelbook-Hülle prangenden, geradezu ins Gesicht springenden Titels „Monsters“) eigentlich bei diesem Film erwarten soll und wo man ihn dann einordnen könnte. Ein Fakt ist leider hierdurch vorprogrammiert: Der Film ist weder ein richtiger Sci-Fi-Schinken noch eine gute Lovestory. Anhänger des Films werden sagen, dass die Geschichte ohnehin nicht so viel Erklärung benötigt – stimmt. Aber gibt man sich damit zufrieden, mit ein paar Stilmitteln gefüttert zu werden, ohne einen Gesamtkontext zu haben, an welchem man sich festhalten kann? Hinzu kommt die extrem lange Anlaufzeit, bis der Film überhaupt einmal an Spannung gewinnt. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Film rasant in quasi-Cloverfield-Manier in Nachtsicht beginnt, (im Grunde schondas Ende zeigt) und dann erst die eigentliche Geschichte anfängt.

„Ich will noch nicht Hause.“

Fazit: „Monsters“ ist eine durchaus real wirkende Endzeitvision mit einer Identitätskrise. Dieses Genre-Problem muss aber nicht unbedingt gleich den Untergang für einen Film besiegeln – ich meine, ich sehe „Monsters“ eher als einen poetischen und experimentellen Versuch, eine Art Roadmovie-Liebesgeschichte zweier emotional sehr abgewrackter Menschen vor dem Hintergrund einer sehr echt wirkenden, bedrohlichen Kulisse, nämlich der Anwesenheit von außerirdischen Bestien, darzustellen. Und das ist tatsächlich irgendwo ganz gut gelungen. Wir sehen nur vereinzelt Elemente der Verfremdung, die für einen echten Endzeit-Film eigentlich ganz typisch sind, und auch nur hin und wieder Elemente des wütenden Monster-Krieges, der zu Anfang des Films immer wieder in den kleinen, mexikanischen Fernsehern zu sehen ist und von dem gesprochen wird. Besagte Bedrohung wird auch nur durch ein paar Stilmittel, wie beispielsweise die immer wieder auftauchenden Jets und Hubschrauber und die Explosionen in der Ferne, aufrecht erhalten und implantiert nur relikthaft echte Sci-Fi-Bilder in die Naturkulisse, in der wir uns befinden. Als gelungen würde ich diesen Mix allerdings aufgrund der recht unsentimentalen Annäherung der beiden Hauptdarsteller und der fehlenden Tiefe des Kampfes in der infizierten Zone im Kontext Menschheit VS. Extraterrestrische „Macht“ nicht unbedingt bezeichnen. Irgendwo sehenswert, aber dann doch eigenartig trocken und ohne Substanz fliegt „Monsters“ unglücklicherweise am Zuschauer vorbei, lässt in einigen Szenen und bei einigen Bildern tatsächlich einmal aufatmen und vergeht dann doch ganz schnell wieder vor Logiklöchern im bedeutungslosen Dunst moderner Endzeitfilme, die immer wieder im großen Kontext angelegt sind und doch nur minimalistische Einzelschicksale erzählen, die irgendwie nicht mitreißen können.  

Ich gebe mal für originelle Aufmachung nach außen hin einen Bonus, der das fleischlose Innere aber auch nicht retten kann und „schenke“

5/10 Punkten.

Casino

24. Mai 2011

Casino
1995
USA
Martin Scorsese
=> Blu-Ray Single Disc Amaray


„Die Hauptregel im Casino lautet: veranlasse sie, zu spielen, und sorge dafür, dass sie wiederkommen – je länger sie spielen, desto mehr verlieren sie. Am Ende kriegen wir alles.“

Altmeister-Regisseur Martin Scorsese erschlägt uns im epischen Stadt der Sünde-Streifen „Casino“ mit dem frivolen Las Vegas-Feeling und zeigt uns tonnenweise bunte Bilder, bei denen der Zuschauer geradezu erschlagen wird von tausenden Farben und glamourös-prunkvollen Szenarien der Zockerstadt, aber auch abgeschreckt wird durch die verrohte Gewalt und die schmutzigen Geschäfte der Mafiosi-Drahtzieher, die die Metropole während der 70er und 80er beherrschten.

Wird das Casino-Geschäft zu Anfang auf humoristisch-satirische Art und Weise als die Kassen klingeln lassendes Etablissement der Reichen und Korrupten dargestellt, tritt gerade diese witzige Art des Films mit Beginn der „Liebesgeschichte“ zwischen dem Gauner Sam „Ace“ Rothstein (De Niro) und dem Callgirl Ginger (Stone) in den Hintergrund. Robert De Niro in der Hauptrolle als Ace ist natürlich der schauspielerische Kern des Films, der wie immer brilliert wie in kaum einem anderen Werk. Er ist der gerissene Geldmacher-Typ, der König der Wett- und Glücksspiele, der auf alles und jeden einen feuchten Dreck gibt, solange das Geld in Strömen fließt. Von Geldgier geradezu besessen leitet er das Casino „Tangiers“ und nimmt seine Gäste systematisch aus, da alle Angestellten wie ein Uhrwerk funktionieren und er alle wie Marionetten für sich arbeiten lässt, was wir auch während der ersten Stunde des Films anhand diverser Beispiele merken: ein japanischer Geschäftsmann, der zuvor das Casino um 2 Millionen Dollar entledigt hatte, wird, nachdem der Flieger des Privatjets gekauft und dazu angestiftet wurde, einen Defekt vorzutäuschen, wieder in die Suite im Casino einquartiert und erneut zum Spielen gedrängt – und so fährt Ace durch Manipulation beinahe den gesamten Verlust wieder ein. De Niros deutsche Synchronstimme, Christian Brückner, ist auch jedes Mal ein Fest und klingt fast noch abgebrühter, emotionsloser und boshafter als das Original. Daneben strahlen auch Sharon Stone als psychotische Callgirl-Ehefrau von Ace und der berüchtigte Choleriker Joe Pesci als aggressiver Brutalo-Mafiosi Nicky, der für ihn die blutige Drecksarbeit erledigt. Die maschinäre, gefühlskalte Art von Sam wird erst mit Kennenlernen von Ginger erweicht – eine fatale Charakterwandlung für den erfolgreichen Zocker.

„Vegas ist eine moralische Autowäsche.“

Scorsese hat ohnehin sehr nette Ideen in seinen Film eingebaut: das Intro mit der überraschenden Autobombe, deren Feuer und Qualm nahtlos in das Licht der Casino-Leuchttafeln übergehen, oder wenn wir zunächst Szenen voll Glanz und Prunk im Casinosaal, Berge von Goldschmuck und Geld finden, ist die nächstfolgende Szene plötzlich durchsetzt von roher Gewalt. Und die fällt nicht zu gering aus – die Grausamkeit der Mafia-Mitglieder wird überdeutlich, besonders natürlich gegen Ende bei der regelrechten Hinrichtung aller Mitwisser. Es werden Hände mit Hämmern zerschlagen, Köpfe in Schraubzwingen geklemmt und es wird lebendig begraben – und natürlich reichlich geballert. Überhaupt ist alles, was wir zu Gesicht bekommen und was den Zuschauer vom großen Geld träumen lässt, mit Blut erreicht und gebaut worden – alles ist nur der schöne Schein. Mit dieser Antithetik spielt Scorsese und zeigt uns Las Vegas, wie es von der Mafia geschaffen und beherrscht wurde, gesetzlos und vor allem skrupellos. Erst nach etwa 80 Minuten treffen wir mit dem Sheriff der Stadt auf den ersten und fast einzigen ehrbaren Charakter im ganzen Film. Und selbst der macht auch erst den Dreck, den Ace am Stecken hat, publik, als der ihm verwehrt, einen stadtbekannten, jungen Croupier, den er gerade erst entlassen hat, wieder einzustellen. Jeder Charakter im Casino von Ace nimmt Schmiergeld, wird bestochen und funktioniert wie ein Zahnrad in einer großen Geldmaschine. Die Welt, in die wir geworfen werden, ist leider keine erfundene Welt, auch wenn wir es hier mit einer Romanverfilmung des gleichnamigen Buches von Nicholas Pileggi zu tun haben. Der finanzielle Aufschwung, der Las Vegas überhaupt erst zu der bekannten Zockermetropole gemacht hat, kam Experten zufolge durch die Machenschaften der großen Mafia-Bosse dort. Dass hierbei natürlich Korruption und Intrigen vorprogrammiert waren, kann man in einer Dokumentation sehen, die der Blu-Ray als Bonusmaterial beigefügt ist. Ständig wurden Leichen toter Staatsbeamter oder toter Mafiosi in der Wüste verscharrt oder außerhalb der Stadt und in Vororten um die Ecke gebracht, bis die Großkonzerne die Casinos übernommen und der Einfluss der Mafia schwand. Der Film ist durchsetzt von Dialogen zwischen De Niro und Pesci aus dem Off, die die Handlungen der Szenen kommentieren, zusammenfassen oder nacherzählen, was schon einen gewissen Kultcharakter mit sich bringt, vor allem wegen so mancher lässiger Zitate, die den rauen Alltag des Casino-Geschäfts darstellen und die Skrupellosigkeit, die für den Erfolg in diesem Bereich nötig ist, nur noch verstärken.

„Wenn du jemanden liebst, musst du ihm vertrauen. Es gibt keinen anderen Weg. Du musst diesem Jemand den Schlüssel geben zu allem, was dir gehört. Und für eine Weile, glaube ich, hatte ich so jemanden gefunden.“

Der Storybogen gipfelt im Untergang des Imperiums Rothstein und gegen Ende des Films tritt seine tragische Beziehung mit Ginger in den eindeutigen Vordergrund und wir haben es mit einem psychotischen Ehedrama zu tun, unter dem natürlich die gemeinsame Tochter leidet und während der Ace sich auch noch gegen Anschuldigungen der Presse wehren und in diversen Gerichtsverfahren verantworten muss. Das Ganze steht dann urplötzlich im Gegensatz zur satirisch-ironischen ersten Filmhälfte – Ace hat auf einmal seine souverän-selbstgefällige Ichkannmirallesleisten-Art verloren. Am Ende des Films, bei dem die Mafiosi reihenweise von ihren Ithaka-Brüdern umgelegt werden, kommt es noch einmal zu einer kleinen Storywendung und der Film endet in einem schwachen, bedeutungsarmen Finale. Leider wirkt der Film bei seiner Gesamtlänge von fast 3 Stunden oft sehr konstruiert und programmiert. Mit seiner Dialoglast ist es leider kein einfaches Kino, das Scorsese uns vorsetzt. Kameraeinstellungen und besondere Schnitte gibt es auch keine nennenswerten. Bis auf ein paar nette Aufnahmen im Casino und den Treffen außerhalb von Vegas in der Wüste finden wir hier keine erfrischenden Neu-Ideen, wie wir es von Scorsese gewohnt sind.

„Sie haben hier 3 Möglichkeiten, etwas zu machen: richtig, falsch oder auf meine Art.“

- Sam „Ace“ Rothstein

Auch wenn das bereits vielfach ausgeschlachtete Themenwrack Mafia ein gern gesehenes Thema bei Scorsese ist (wir erinnern uns an Good Fellas), malt Casino zwar ein gleichwohl unterhaltsames, zynisches und ironisches wie auch leider sehr authentisches Bild der Mafia-Geschäfte in der Sin City Las Vegas, weist der Film aber trotzdem scheinbar unendlich ziehende Längen auf und wirkt stellenweise aufgesetzt und etwas überspielt – nicht von De Niro, der macht seinen Job exzellent, dafür aber von der in diesem Film meiner Meinung nach völlig überschätzten Sharon Stone. Die gelungene Darstellung der krummen Geschäfte und der mitleidlose Umgang mit Betrügern und FBI-Leuten, die den Geldhahn im Casino zudrehen wollen, trösten leider nur teilweise über den fehlenden emotionalen Tiefgang der Ehekrise hinweg. Lässt das überraschende Ende des Films, nachdem die gesamte Laufzeit über etwas anderes angedeutet wurde, dann doch einmal kurz Aufatmen, drückt uns die allerletzte Szene doch wieder nur in ein Spannungsloch zurück und wir fragen uns, ob das  Ende eines Films nicht ein wenig mehr suggerieren sollte, um länger im Kopf der Zuschauer zu bleiben, als hier. Andererseits werden mir manche Zuschauer sicher antworten, dass gerade dieses Ende ein Logisches ist – woraufhin ich trotzdem mit dem altbekannten Satz antworte: Das kommt auf die Erwartungshaltung des Zuschauers an. Für mich gab es eben keinen Thrill mehr am Ende.

„Nachts beim Spiel sieht man nicht die Wüste, die Las Vegas umgibt.“

Fazit: Was feststeht - Casino ist eine leichenbepflasterte Regenbogenstraße voller Neonlicht, Werbetafeln, Intrigen, Blut, Machtspielen und Verführung vor dem Hintergrund einer tragischen Beziehungsgeschichte und lässt Moral absolut vermissen. Scorsese malt uns nicht nur ein Portrait einer Gambling-Glücksstadt, in der alles möglich ist, sondern taucht uns von der Oberfläche, von der aus wir die glamouröse und schicke Seite Las Vegas’ sehen, tief hinunter in den Schlund der düsteren Geschäfte, die im Hintergrund laufen, lässt uns aber dennoch nicht mehr von diesem langen Stück Filmgeschichte im Gedächtnis bleiben, als ein paar cooler Zitate, nette Folterideen für die nächsten Saw-Filme und die lose Idee eines Las Vegas, das auf Blut und Leichen erbaut wurde – und in Erinnerung bleibt ein brillanter De Niro in einem durchaus sehenswerten Film über eine leuchtende Stadt, mehr leider nicht. Sorry, Herr Scorsese.

Ich gebe 6/10 Punkten.

Vengeance

19. Mai 2011

Vengeance
2009
Hongkong/Frankreich
Johnnie To
=> Blu-Ray Single Disc Amaray


„Was glaubt ihr, bedeutet Rache für jemanden, der sich an nichts erinnert?“

Der Chinese Johnnie To zeigt uns mit seinem neuesten Werk Vengeance ein kaltherziges Gangster-Action-Drama mit dem Franzosen Johnny Hallyday in der Hauptrolle als Ex-Killer Francis Costello, dessen Tochter und ihre ganze Familie von einem Trupp Auftragskillern der chinesischen Triaden umgelegt werden und er daraufhin selbst mit der Unterstützung diverser anderer Killer, die er auf seine Seite zieht, Jagd auf den Triadenboss Fung in Macau und Hongkong macht. Doch für Costello ist diese Jagd ein Wettlauf gegen die Zeit: Seit er einmal während eines früheren Jobs einen Kopfschuss erlitten und überlebt hat, verliert er langsam sein Erinnerungsvermögen.

Hallydays Charakter, der französische Ex-Killer-Koch (ist das nun eine Anspielung der Chinesen auf „Alarmstufe Rot“ oder bedienen wir hier nur ein französisches Klischee?) macht von Anfang an einen sehr neurotischen und zerstreuten Eindruck – wenn wir zum Beispiel die Krankenhausszene mit seiner Tochter betrachten, die sofort sehr unzureichend emotional und unangebracht scheint, und wo der Vater, dessen Tochter ihre ganze Familie verloren hat, vollkommen unergriffen zu schein scheint. Genau das macht aber Sinn, weil der Zuschauer sich ja immer weiter sein komplettes Bild von dem Zustand Hallydays machen muss. Die Entwicklung seiner Rache kommt einem axiomatischen Naturgesetz gleich – dennoch kann er darin keine große Erfüllung finden. Regisseur To spielt ohnehin permanent mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Sollen wir nun Vertrauen zu irgendwelchen dahergelaufenen Auftragskillern entwickeln, oder doch eher die Abscheu für diesen Abschaum der Gesellschaft? Für gewöhnlich sind es ja solche Söldner, die in diversen anderen Filmen eher auf ihr eigenes Wohl bedacht sind und sich ein blutiger, roter Teppich vor ihnen schon vorprogrammiert ausrollt. Aber Johnnie To verleiht eben genau diesen hier einen menschlichen Charakter. Der Zuschauer vertraut tatsächlich auf die komischen negativ-Personen, die der Franzose in China trifft, ja, entwickelt sogar Sympathie für diese. Die drei Kumpanen, die nach und nach die Rachegefühle Costellos übernehmen zu scheinen, (was durch den Spruch „Wenn er sich nicht erinnert – ich schon!“ als Antwort zum einleitenden Zitat zu Beginn dieser Rezension noch einmal fundamentiert wird), wirken jedenfalls stellenweise unfreiwillig komisch, vor allem der dicke Fat Lok, dafür aber nie – und das ist der Punkt – lächerlich. Das passte auch gar nicht in die Atmosphäre des Films, unterstützt dennoch diese Vertrauensentwicklung.

Vengeance ist ein Kugelballett allererster Güteklasse. Wir merken, dass To uns nicht nur in diverse Ballereien mit coolen Anzugträgern entführen wollte, sondern diese Geschichte mit interessanten Charakterentwicklungen ausschmückt und bildhafte Elemente wie das Mondlicht während der grandios choreographierten Waldjagd selbst in die Kampfsequenzen einbaut. Während des Films herrscht eine angenehm düstere Grundstimmung, die selbst bei sonnenreichen Tagszenen anhält. To hat einige filmisch gesehen neue Ideen in seinem werk verarbeitet – so bewegt der Streifen sich stellenweise pionierhaft auf Neuland, was einige Szenen angeht, die durchaus das Zeug haben, diesem Film großen Kultcharakter zu verleihen. Hierbei denke ich besonders an einen der Endkämpfe, bei dem die Feinde sich einer Müllkippe nähern, indem sie zusammengepresste, mannshohe Altpapierwürfel vor sich her „rollen“ und diese als Feuerschutz benutzen. Auch die erste Begegnung Costellos mit den drei Hitmans, die er sich engagiert und die seine Freunde werden, ist ganz großartig geschauspielert und filmisch in einer Unterführung inszeniert. Idee und Optik lassen den Film schon aus dem Einheitsbrei vieler asiatischer Filme, vor allem leider aus China, hervorstechen. Die anfangs spurenlose Suche bei Tag mit der Unterstützung der Killer hebt den Film auch auf ein anderes Level, als man erwarten würde. Die Suche nach den Killern findet, unlängst in tausend anderen Filmen so gesehen, mal nicht bei Nacht in zwielichtigen Nachtklubs und Bordellen statt. Und das erste Aufeinandertreffen mit den Killern, die seine Tochter überfallen  haben, wirkt sehr surreal, was ja genau daran liegt, dass der Rolle Hallydays die Erinnerungen entschwinden. Aus genau diesem Grund versucht Costello, sich alle wichtigen Dinge in bester Memento-Manier mit Hilfe von Polaroid-Fotos zu merken. Diesen Ideenklau verzeiht man dem Regisseur aber auch direkt, da das ein anderer Kontext ist und die Bilder nicht im Vordergrund stehen. Überhaupt kam mir diese Parallele auch erst beim Verfassen dieser Rezension in den Sinn. Wiederum wirken kleinere andere Dinge in Vengeance ein kleines bisschen zu sehr aufgesetzt: um sich beispielsweise ein letztes Mal seiner Feinde gewahr zu werden, kniet Costello sich einen Tag und eine Nacht lang zum Beten an den Strand und lässt die Gezeiten über sich ergehen, bis ihm schließlich ein grelles Licht erscheint und ihm die „Erleuchtung“ über seine Pläne wiederkehrt. Das wirkt ein wenig unpassend, unwirklich und im Filmkontext, der eigentlich nichts mit Religion zu tun hat, nun wirklich total merkwürdig. Überhaupt fehlt leider noch der Feinschliff in dem Charakterwandel der Killer, einige Fragen bleiben offen, auch was die Vergangenheit Costellos betrifft. Hier hätte man ruhig mehr Infos, auch gegen Beginn des Films geben können. So nimmt der Zuschauer kopfnickend alle diese Dinge an, denn die Story ist ja schlüssig – trotzdem wundert man sich noch während des weiteren Filmverlaufs ein wenig über die Handlungen und Entscheidungen der Akteure. Ob der anfangs lockere Umgang Hallydays mit den Killern, die die Familie seiner Tochter inklusive ihr selbst kaltblütig ermordet haben, nun auf eine Art neu gewonnene Menschlichkeitswahrnehmung Hallydays, eine Art Vergebung, weil ja nicht die Familien der Killer ihren Tod miterleben sollten, oder doch nur auf sein mangelndes Gedächtnis im Film rückschließen sollen, sei einmal dahingestellt: in jedem Fall schließt der dialogarme Vengeance den Kreis am Ende ab und zeigt uns auch ein zweideutiges und fragwürdiges, aber grandioses Happy? End.

Sowohl Bild als auch der Ton der Bluray sind exzellent, die Schüsse markerschütternd und die deutsche Synchronstimme von Hallyday, Reiner Schöne, die wir auch schon von Mickey Rourke, Willem Dafoe und dem Robo-Allvater Optimus Prime der Transformers kennen, passt einfach perfekt zum verroht wirkenden, Mimik vermissen lassenden Charakter, den Frankreichs persönlicher Stallone uns hier spielt. Hallyday ist, wenn auch durch seine Musikkarriere wohl allgemein bekannt, kein Schauspieler, der in außerordentlich bekannten Werken mitgespielt hat (nennenswert: Die Teuflischen, Die purpurnen Flüsse 2) – irgendwie herrscht bei ihm dauernd ein gleiches, abgebrühtes, emotionsloses Pokerface vor. Ob das jetzt förderlicher für die Charakterzeichnung ist, wage ich, zu bezweifeln, trotzdem verliert die Rolle dadurch weder an Coolness noch an Überzeugungskraft. Das passt einfach zu diesem recht fertigen, nach Rache dürstenden Typen. Auch im O-Ton ist Hallydays Stimme ein Genuss sondergleichen – und im Original kommt auch dieser Sprachenkontrast „Franzose in China“ wesentlich deutlicher rüber, denn während für die deutsche Version mal wieder gnadenlos eingedeutscht wurde, unterhalten sich im Original die Charaktere, wie es auch in der Realität geschehen würde, untereinander in ihren Muttersprachen und miteinander auf Englisch. Wenn man mich fragt, ist das auch völliger Quatsch, da so ein kompletter vom Regisseur aus Kunst- oder Effektgründen gewollter Aspekt, nämlich die Kollision der Sprachen (im Original Englisch und Chinesisch) und die Verlorenheit Hallydays in einer Welt, die ihm seine Tochter genommen hat, einfach verschwindet. Also gilt wieder: O-Ton anschauen, denn hier entfaltet der Film seinen ganzen Reiz. Aus dem zehnmütigen Extra-Making-of werden wir außer den üblichen Werbeblabla und ein paar interessanten Kommentaren seitens des Drehbuchautors Ka-Fai Wai und Johnnie To, sowie Hallyday selbst, nicht weiter schlau.

Der Film hat zu Recht eine FSK-Wertung von 18 Jahren erhalten – skrupellose Killer im Mittelpunkt, glorifizierte Selbstjustiz und jeder hat gewaltigen Dreck am Stecken. Viele Exekutionen und Feuergefechte sorgen für viel Blut und daher auch für ein paar geringe Gore-Effekte, gerade zu Beginn, wo wir auch detailreich miterleben dürfen, wie die Familie von Costellos Tochter geradezu „abgeschlachtet“ wird.

Fazit: Vengeance ist ein inhaltlich recht unkonventioneller, kreativer und innovativer Rachethriller, der vor allen Dingen bei Inszenierung, Atmosphäre und Story punktet. Kurzweilig, vor allem wegen der tollen Bilder. Trotzdem wirkt der Film stellenweise so vollgestopft mit neuem Wind, dass unglücklicherweise genau darunter der fehlende, oscarreife Schliff leidet, der die Gefühls- und Gedankenwelt Costellos sowie der ungewöhnlichen Hilfe, die er sich sucht, perfekt machte. Ebenso wirkt der sehr rasche Gedächtnisverlust während des Films leicht seltsam, hieß es ja, dass seine Verletzung dazu führen würde, dass dieser Verlust der Erinnerungen langsam stattfinden sollte. Als Actionvirtuose überzeugt To uns dennoch mit seinem Werk, da die Schauspieler und die sehr außergewöhnliche Story, unterstützt durch einige neue, filmische Ideen, das Gesamtwerk durchaus sehenswert machen und das leicht bröckelnde Logikgebäude immer noch tragen.

Ich gebe 7/10 Punkten.

Agitator - Die wild gewordenenen Seelen
Araburu tamasii-tati
2001
Japan
Takashi Miike
=> Bisher nur auf DVD erschienen!


„Das Leben sollte wie ein Meteor sein. Es sollte hell aufleuchten und dann verglimmen.“

In Takashi Miikes Agitator, der gemeinhin als „grandioses Yakuza-Meisterwerk“ beworben und beschrieben wird, wird die Geschichte um einen Yakuza-Bandenkrieg erzählt, bei dem Verrat und Korruption, ein Machtkampf zwischen Gangstern und blinde Loyalität im Vordergrund stehen. Agitator zunächst auf Deutsch zu schauen war nicht einfach. Nicht, weil an die DVD zum Film in Deutschland nicht heranzukommen wäre – sondern, weil das Bild der auf dem deutschen Markt erschienenen Version von i-on New Media einfach direkt aus der Hölle stammt. Ich weiß nicht, ob es internationale Erscheinungen gibt, bei denen das Bild besser ausfällt – aber ein Bild, das bestenfalls einem schlechten illegalen Internetdownload oder einer VCD gleicht, breit gezogen auf einen 42``-Bildschirm sieht ehrlich gesagt sehr mies aus. Es ist schon fast eine Frechheit, DVDs mit einem derartig dunklen und unscharfen Bild auf den Markt zu bringen und in die gängigen Shops wie Saturn oder ins Internet zu Amazon zu setzen. Durch diese Bild-„Qualität“ jedenfalls wirken einige düstere Szenen mit einem Grünstich geradezu ermüdend und es geht einiges an schauspielerischer Leistung der Akteure verloren, weil man die Gesichter einfach gar nicht erst zu sehen bekommt. Fest steht, dass wir wohl sehr lange warten dürfen, bis der Film in einer restaurierten Version nach Europa wandert, trotz der Tatsache, dass er  in seinem Herstellungsland Japan bereits lange auf Blu-Ray erschienen ist. Aber genug zur DVD, wir wollen uns ja mit dem Film befassen.

„Irgendwann müssen wir alle sterben.“

Agitator malt uns ein Bild vom Alltag und den Konflikten, die ein Leben als Mitglied der Yakuza-Gangs im heutigen Japan mit sich bringt. Wir werden konfrontiert mit einer fiesen Charakterstudie gewissenloser und korrupter Gangster, die sich gegenseitig verraten und verkaufen und bei denen wahre Loyalität und Ehre eher rar gesät sind. Das ist auch der Auslöser für die Handlung: ein Bandenkrieg der Yakuza steht im Mittelpunkt, hervorgerufen durch den Gangster Kaito, der die Bosse zweier befehdeter Gangs umbringen lässt und sie durch seine eigenen Leute ersetzen will, um als Chef beider Gruppierungen diese gemeinsam in das gehobene Syndikat der Tenzaikai einzuschwören. Dummerweise hat er die Rechnung ohne die loyalen Unterbosse Higuchi und Kunichiko einer der beiden Gangs gemacht, die sich kurzerhand aus der Familie lösen und ihre eigenen Lösungen für das Problem „Kaito“ anstreben, um Rache für ihren geliebten ermordeten Boss zu nehmen.

„Das Leben ist unerträglich. Doch wenn man das weiß, sollte man das, was sich einem anbietet, genießen.“

Agitator, der im Original übrigens den altjapanischen Titel araburu tamasii-tati (etwa: die wild gewordenen Seelen) trägt, ist wahrhaftig einer der bittersten Yakuza-Filme auf dem Markt und zeigt uns eine kaltherzige, gesetzlose Welt. Jagten bei der Pate-Trilogie noch Polizei und FBI hinter den Gangmitgliedern her, zeigt Miike uns eine Welt, in der es scheinbar keine Justiz vom Staate her zu geben scheint. Überhaupt erinnert der Score tatsächlich ein wenig an Filme über die italienische Mafia. Der Titel Agitator lässt leider die Frage offen, warum man für den deutschen Markt unbedingt den Namen das Films ändern musste, übernimmt man für Eastern-Filme ja für gewöhnlich die englischen Titel, hier eine einfache Übersetzung des japanischen Titels, The Outlaw Souls.  Takashi Miike brilliert auch mit diesem recht frühen Werk. Sein Handwerk, menschliche Abgründe und Gewalt stets mit etwas Poesie zu untermalen geht auch bei diesem Gangsterfilm gut auf. Seine wirre Schnittkunst, vor allem gegen Anfang des Films, wo wir in mehrere kleinere Handlungsstränge eingeführt werden, die erst zerstreuen sollen, bis hin zum Beginn der Haupthandlung, erinnern ein wenig an Filme von David Lynch. Dass Miike ein Fan von Einblendungen und bildhaften Darstellungen ist, herrscht im extrem dialoglastigen Agitator zwar nur selten vor, passt aber dennoch gut ins Bild, wenn zum Beispiel die Vergangenheit Kunichikos mit seiner Freundin bei den Schießübungen im Schauspielhaus beleuchtet wird. Wir lernen viel über Yakuza-Gepflogenheiten wie die großen Rückentattoos und ihre innere Struktur, der Einteilung in Gangs, Bosse und Unterbosse, Familien und Söhne, die alle Teil eines riesigen Syndikats sind, et cetera.  Unterboss Higuchi zum Beispiel träumte schon seit seiner Kindheit davon, ein Mitglied der Yakuza zu werden. Und ich glaube, dass es tatsächlich perspektivenlose Jugendliche in Japan gibt, die eben genau so denken.

„Wenn ein Mann mit nichts geboren wird, muss er seinen Platz finden.“

Die schauspielerische Leistung aller Charakter kaufe ich dem Film absolut ab. Nach einiger Recherche habe ich trotzdem feststellen können, dass viele der Schauspieler des Films einen recht unbekannten Status genießen, selbst im japanischen Kino, war die Gestik und Mimik doch grandios in diesem Film. Ebenso bin ich ein großer Fan von der Kamera-Einstellung bei diversen Szenen – alles wirkt so erfrischend anders im Gegensatz zu Hollywood-Schinken. Allein durch die Badehaus-Szene mit der Optik von und dem Dialog zwischen Higuchi und Kunichiko hätte der Film es verdient, einen Kultstatus zu genießen, wären da nicht diese sich so lang hinziehenden Füllszenen. Ich denke, Agitator bleibt stark zuschauerabhängig: Ich rate leider, die Finger wegzulassen von diesem Film, wenn man auf actionreiche Schießereien und coole Sprüche aus ist, da man genau das hier vergleichsweise wenig geliefert bekommt. Die lange Laufzeit von ca. 150 Minuten bietet enorm viele Handlungsstränge, tausende japanische Namen, die man sich merken sollte, um den Film komplett zu verstehen und viele lange Szenen, die fast an altbekannte Tarantino-Movies erinnern. Das kann ermüdend sein, dennoch geht die Geschichte schon unter die Haut. Gewaltdarstellungen gibt es einige, dennoch steht die Gewalt in diesem Miike-Film mal ganz im Gegensatz zu seinen berühmtesten Werken wie Audition oder Ichi the Killer nicht im Vordergrund. Überhaupt war ich überrascht, dass der Film in Deutschland ab 16 Jahren freigegeben ist. Nur weil der Splatter- und Gore-Faktor in diesem Film bei niedrigen Prozenten liegt und sich auf die Hinrichtungen der Bosse beschränkt, überragt doch den Film durch gerade psychische Gewalt. Am Ende vermag der Film noch einmal besonders, seine Zuschauer zu bannen, denn nach scheinbar abgeschlossener Handlung folgt ein erfrischender und überraschender Showdown.

„Schlechtes Gewissen? Das kann ich mir nicht leisten.“

Von vorne bis hinten vermeidet der Film, eine Person in den Vordergrund zu stellen. Wir haben unsere Haupt-Antihelden, die nach Rache für ihren ermordeten Boss Yokomizo dürsten, der gespielt wird von Mickey Curtis, aber in Miikes Film leider auch nur lächerliche 5 Leinwandminuten bei einem so talentierten Schauspieler bekommen hat. Daneben haben wir unsere korrupten Bosse und diverse Einzelgangster, die alle ihr Kreuz zu tragen haben. Die DVD ist übrigens definitiv Cut obwohl sie überall als ungeschnitten angepriesen wird. Bei dem Mord an Mizushima beim Barbier zum Beispiel ist das spritzende Blut nachträglich verwischt dargestellt. Da hätte ich es wirklich schöner gefunden, man hätte die ganze Einstellung weggeschnitten, als so eine nachträgliche Verwischung einzufügen. Die deutsche DVD verbietet geradezu den Genuss dieses Films und ich lege jedem Miike-Fan und interessierten Filmschauer, sich den Film irgendwie in einer besseren Qualität anzuschauen. Selbst in einem Unikino habe ich den Film bereits von einer Filmrolle aus in einer besseren Bildqualität gesehen. Der Ton hingegen ist allerdings ganz passabel, von Surround kann man zwar nicht gerade sprechen, aber die deutsche Spur ist immerhin angenehmer zu hören als die japanische, die eher einer Ausführung in Mono denn 5.1, wie angegeben, gleicht, wenn ich auch wie bei jedem asiatischen Film immer wieder den Originalton wärmstens empfehle. Die deutsche Synchronisation ist akzeptabel und glaubwürdig und nicht so seelen- und substanzlos, wie es bei so manch anderen deutschen Veröffentlichungen asiatischer Filme der Fall ist, dennoch fühle ich mich, als sei mir etwas entgangen. Natürlich gilt: asiatische Filme sind am Besten, wenn man Sprachkenntnisse in diesem Bereich hat.

„In diesem Leben musst du entweder Jäger oder Beute sein.“

Über die Qualität der DVD, die uns i-on New Media hier vorsetzt, habe ich schon einiges gesagt – die Aufmachung der Hülle ist allerdings wirklich sehr schön gemacht. Der Film erscheint in einem schönen Pappschuber und hat als Bonusmaterial sehr viele Trailer im Originalton zu diversen Miike-Filmen und anderen Werken des asiatischen Kinos. Das Menü der DVD ist auch um Längen schöner als das Bild des Films an sich, ebenso ist auch das Artwork auf dem Backcover der DVD natürlich geschönt – sonst ginge ja auch die Verkaufsstrategie von i-on New Media nicht auf, oder?

„Der Vogel, der schreit, wird immer zuerst geschossen.“

Fazit: Insgesamt ist Agitator ein düsterer Underground-Movie der Extraklasse. Für Fans des Genres und der Thematik sei sowieso gesagt, dass sie an diesem Film nicht vorbei kommen. Zur Erscheinungszeit 2001/2002 war auch Regisseur Miike noch relativ unbekannt. Großen Anklang wird dieser Film aber nur bei geduldigen Filmschauern finden, die sich von langatmigeren Szenen und intensiven Dialogen nicht gleich einschläfern lassen, da durch einen sehr verzwickten Haupthandlungsstrang nur langsam Spannung aufkommt und der Film durchaus seine Anlaufzeit benötigt.

Ich gebe 8/10 Punkten.

Far Cry

17. Mai 2011

Far Cry
2008
Deutschland/Kanada
Uwe Boll
=> Blu-Ray Single Disc Limited Steelbook


Der dreifach für die Goldene Himbeere nominierte Problem-Regisseur Uwe Boll hat sich mit Far Cry an die Verfilmung eines gleichnamigen Videospiels der deutschen Firma Crytek herangewagt. Klingt ja erstmal gut. Wer aber jetzt ein passendes und authentisches Stück Film erwartet, hat leider nicht mit der Boll KG gerechnet, bei deren Logo man eigentlich schon gewarnt hätte sein müssen, als es in den ersten Sekunden des Films auf dem Schirm erschien. Die Geschichte des Films ist ja erst einmal gar nicht so übel: Dr. Krieger führt im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten auf einer entlegenen Insel an der Westküste von Amerika und Kanada Genexperimente an Soldaten durch, was einer seiner Mitarbeiter, Max Cardinal, direkt seiner als Journalistin arbeitenden Nichte Valerie steckt. Als das auffliegt und Valerie nichts mehr von ihrem Onkel hört, bricht sie an der Seite Jack Carvers, eines Ex-Elite-Soldaten, der nun als Skipper arbeitet, auf, um der ganzen Sache auf den Grund zu gehen.

Vorweg: Wer in irgendeiner Art und Weise mit zu viel Ernsthaftigkeit an diese Spielverfilmung herantritt und mit leuchtenden Kulleraugen ein Effektmonstrum epischen Ausmaßes, eine perfekte Storyadaption des PC-Klassikers und eine Vermittlung der Atmosphäre im Spiel erwartet, wird bitter enttäuscht, vor allem diejenigen unter den Zuschauern, die das Spiel kennen, es selbst gespielt haben und lieben. Also rate ich euch: Popcorn zu Hause essen und sich diverser 90er Jahre Actionfilme bedienen, wenn man einen typischen Hollywood-Actionstreifen erwartet. Viel mehr liefert Uwe Boll, der ja auch schon mit anderen Videospielverfilmungen wie dem wirklich miesen „Alone in the Dark“ oder den zumindest herrlich absurden und skurrilen, wenngleich trotzdem grotesk schlechten „Postal“ geglänzt hatte, einen schauspielerisch unglaubwürdigen, fast schon ob der flachen Machart wegen trashigen, parodischen Effektfilm ab, der bis auf wenige Allüren, Anspielungen und Inspirationen nicht viel mit dem Computerspiel Far Cry zu tun hat.

Lasst uns ehrlich sein - Uwe Boll macht keine oscarverdächtigen Filme. Und an die Computerspielvorlage, auf welcher dieser Film hier basieren soll, hält er sich schon gar nicht. Als Beispiel: die Figur Jack Carver trägt im Spiel ein rotes Hawaii-Hemd, sein prunkvolles Segelboot (im Boll-Film zu einem schäbigen Kutter degradiert) trägt den Namen Medusa und er ist extrem naiv. Das passt tatsächlich auch so im Film. Viel mehr Gemeinsamkeiten neben der Tatsache, dass es um Genexperimente mit Soldaten geht und Schweigers Kutter in der Nähe der Insel in die Luft gesprengt wird, gibt es schlichtweg nicht. Es war ja auch schon ein kleiner Tabubruch, dass die erste Information, die überhaupt den Film betreffend zu Anfang der Produktion durchgesickert war, die Tatsache war, dass der Film in den Wäldern und an der Küste von Kanada bei Vancouver gedreht werden sollte. Zum Vergleich: im Spiel befinden wir uns durchweg auf einem Inselarchipel in der Südsee. Es sind diese kleinen ungewöhnlichen Schritte, die Uwe Boll zu weit geht, an denen man durchaus festmachen kann, dass er stets seinen eigenen, unkonventionellen, kompromisslosen aber fehlgeleiteten Weg geht.

Angesichts dieser Tatsachen ist sehr verwunderlich, dass bei all der fiesen Kritik, die Boll von sämtlichen Seiten, nicht nur von den Games-Zeitschriften etc. für Far Cry erhalten hat, er diese Leute einfach nicht verstehen kann. Far Cry strotzt vor subtilen Witzen, miesen Dialogen, unnatürlichem Schauspiel, auch wenn Till Schweiger und Udo Kier mit im Boot sitzen. Dass Schweiger zum Zeitpunkt des Drehs noch völlig erschöpft von seiner Dreierbelastung als Produzent, Regisseur und in der Hauptrolle von seinem Kinohit Keinohrhasen war und er Far Cry laut Interviews auf der Bluray eher als persönlichen Urlaub ansah, merkt man ihm durchaus an. Udo Kier, der jetzt nicht gerade eine äußerst dialoglastige Rolle mit Dr. Krieger spielt, macht seine Sache aber entgegen aller Erwartungen sehr gut. Sein Pokerface und seine kaltherzige, emotionslose Art kommen sehr gut rüber. Und wo wir gerade von fehlender Gestik und Mimik und geistigen Erschöpfungszuständen sprechen: Kleiderschrank Ralf Möller, seines Zeichens Titan der Schauspielwelt, dessen Text auch auf wenige Sätze beschränkt ist, passt optisch sicher gut hier hinein, aber abkaufen tut ihm die Rolle hier niemand. Und die Tatsache, dass bei der Premiere des Films in Dortmund sogar der Möller signierte Zigarren verlosen musste, um überhaupt Zuschauer ins Kino zu locken, zeugt auch schon von der besonderen und hochwertigen Qualität, die man erwarten darf. Die filmischen Begleiterscheinungen in den weiblichen Rollen, Emmanuelle Vaughier und Natalia Avelon als Handlangerin Kriegers stechen auch nicht besonders hervor.

Ich persönlich glaube ja, dass auch gerade diese Boll’sche Art des „Ich kote auf alle Richtlinien und das, was andere machen“ ihm auch viele Anhänger bereitet. Schlimm ist nur, dass vermutlich viele Kinogänger 2008 gar nicht wussten, wie ihnen geschah, als sie sich Far Cry angesehen haben., weil der Film ja auch recht gut vermarktet wurde und durchaus einen guten Eindruck gemacht hatte. Mittlerweile hat sich Boll tatsächlich schon so sehr als Regisseur manifestiert, dass es fast schon erschreckend ist, wie gut er aus Scheiße Gold machen kann. Der Film hat so viele stilistische Einfachheiten... da verlässt man das Kino mit einem Lachen und einem Weinen. Ich meine, wer hat sich denn vor Boll getraut, in einer größeren Produktion tatsächlich ein so absurdes wie auch lächerlich gutes Easteregg wie einen Universalschlüssel einzubauen, den unser Jackyboy immer bei sich trägt und der quasi alle Ketten und Handschellen öffnen kann (natürlich, Mr. Boll). Ich habe mich auch während des Films gefragt, warum es in diesem zur Militärbasis umfunktionierten Sägewerk (natürlich, Mr. Boll) ausgerechnet eine Überwachungskamera geben sollte, die genau ein paar Fässer mit einer Abdeckplane im Fokus hat, unter der sich rein zufällig Valerie versteckt und so direkt von den Soldaten aufgegriffen werden kann (natürlich, Mr. Boll). Und auch die armen Soldaten am Anfang des Films, an denen das erste Mal ein genmanipulierter Soldat „ausprobiert“ wird, die ja leider aufgrund einer Fahrsperre, die sich augenscheinlich im Motor drin zu befinden scheint (natürlich, Mr. Boll), nicht abhauen können, taten mir da etwas Leid. Oh, ach ja: Jack Carver ist übrigens Deutscher (natürlich, Mr. Boll) –ich wette, nur um mal wieder ein paar German-Jokes hereinbringen zu dürfen, wo dann das amerikanische Publikum sagen kann "Hach ja, diese Deutschen". Das hat Boll ja auch in Postal schon sehr gern gemacht - wir erinnern uns mal an den Deutschland-Themenpark mit Dr.Mengeles Krankenstation...

Till Schweiger und Emmanuelle Vaughier als Protagonisten sind auch ein witziges Duo. Den beiden kauft man ihre gespielte Ernsthaftigkeit einfach nicht ab. Genauso wenig wie die geheuchelte Coolness Schweigers, der ja sowieso immer relativ verpeilt wirkt. Den beiden eine solche Rolle zu geben und dann aber diese unfassbar schlechte sexuelle Spannung zwischen den beiden Charaktere aufbauen zu wollen wirkt total ziellos, unglaubwürdig und ist wieder eines dieser Boll'schen Humorelemente. Die Anmache mit der kollektiven Gruppenheizung ist ja noch für einen Lacher gut, aber eigentlich auch absoluter crap, wenn wir mal ehrlich sind. Schweiger passt meiner Meinung nach ohnehin nicht so sehr in Actionfilme, eher in Komödien. Sowas mit Hasen und Küken oder französischem Wein. Oder so. Ach ja – vergessen wir nicht Chris Coppola in einer der nichtssagendsten und bedeutungslosesten Rollen der Filmgeschichte: In Far Cry spielt er den fetten Nahrungsmittellieferanten Emilio, der… ja, was tut er eigentlich? Er ist da, hat Rückenschmerzen und soll sympathisch sein – wirkt aber echt nur lächerlich.

Was stört, ist auch, dass die Haupthandlung im Grunde nie als wirklich gravierend und vordergründig dargestellt wird. Ich meine, warum soll das Ganze an die Öffentlichkeit? Ist das nun besonders menschenverachtend, wollen die beiden Cardinals die Regierung Hops nehmen, worum geht es eigentlich? Wo soll das hinführen? Was sind die Ziele? Ich meine, die Hauptcharaktere unterhalten sich lieber über Sex als darüber, was für eine Tragweite diese Experimente von Dr. Krieger haben. Großen Charaktertiefgang oder eine gewisse Spannungsentwicklung gibt es also –wer hätte es anders gedacht?- ebenfalls nicht. Das Filmende ist übrigens genauso bedeutungslos wie langweilig, trostlos und ohne Information zum weiteren Schicksal der Charaktere. Gott sei Dank gibt es auch keine Hinweise auf eine Fortsetzung (Far Cry 2 als Game gibt es ja).

Gewundert habe ich mich aber nicht nur über Bolls Ideen, um den Handlungsstrang weiterzuspannen, sondern auch darüber, dass der Film hierzulande eine FSK16-Freigabe für den Director’s Cut bekommen hat. Gerade wenn unsere hirnlosen Mutanten-Soldaten richtig zuschlagen, besonders zu Beginn des Films, wo der Kopf eines Soldaten gewaltsam durch einen Maschendrahtzaun gemanscht wird, frage ich mich, ob die Einstufung dann nicht bei so manch anderen FSK18-Movies wieder zu hoch ist. Bild und Ton sind der Bluray sind übrigens echt super und kommen bei den vielen Schießereien, Kloppereien und Explosionen sehr gut zum Einsatz. Rein von der Optik her -und ich weiß, dass ich für diesen Satz viel Kritik ernten werde- ist der Film nämlich in der Tat ein Genuß.

Da fällt mir ein: die Kameraführung wirkt auch teilweise sehr hektisch, was erstmal nicht unbedingt schlecht sein muss. Manchmal allerdings fragt man sich in einer Szene, die gar nicht schnell und aufbrausend daherkommt, warum der Kameramensch das Dingen nicht einfach gerade halten konnte. Während der Ballereien konnte ich das ja verstehen, aber in Kriegers Büro bei einer ruhigen Unterhaltung wirkte das Ganze sehr seltsam. Und wenn man das schon so stark merkt, muss das wirklich echt nervig sein. Schnitt und weitere Effekte sind zugegebenermaßen gar nicht mal so übel. Schießereien (und die überwiegen in der zweiten Filmhälfte so sehr, dass man sich manchmal fragt, welche Fronten eigentlich gerade auf wen ballern) und Explosionen sehen sehr gut aus und machen auch den Actionfans großen Spaß, denke ich. Ebenso gibt es ein Plus für die Effekte der genmanipulierten Soldaten, die echt bedrohlich aussehen (trotzdem nicht wie im Spiel) und sich auch wesentlich schneller als normale Menschen bewegen können, was filmisch wirklich gut eingefangen  und umgesetzt wurde (hierzu empfehle ich, auch wenn wir uns das unzureichende und die Fußnägel hochrollen lassende Englisch von Boll anhören müssen, das Making of und die On the Set-Beiträge auf der Disc).

Fazit:
Was soll man also zu diesem Boll-Schinken sagen?

Ich bin mir sicher und traue es ihm zu: Boll könnte sicherlich eine authentische Filmverarbeitung eines Videospiels machen. Er will das Ganze aber einfach nicht, wie es aussieht. Ob der Film sich ernst nimmt, ist an jeder Stelle fragwürdig – die absurden Teile sind wieder zu wenig skurril, als dass man das ganze als gewollt mülligen Trash abstempeln könnte und ernstere Szenen sind eben zu komisch geschauspielert. Coppola hat es in einem Interview gesagt: Ein Dreh mit Uwe Boll ist wie ein Termin beim Zahnarzt. Man fühlt sich peinlich berührt, wenn man Makel aufweist und erwartet direkt den Schmerz der Behandlung, hat aber gleichzeitig Angst davor, ob der Typ, der einem im Mund rumfummelt eigentlich Ahnung von seinem Fach hat. Ob der Film nun eine gewollte Parodie ist, sei einmal dahingestellt: Boll erzählt immer wieder, wie toll er seine eigenen Filme findet. Aber naja… Herr Boll. Darüber diskutieren wir noch. Erklärt mich für verrückt, Far Cry macht trotz alledem auch irgendwo noch richtig Spaß - vorausgesetzt, man kann lachen über diese Skurrilitäten und verdammt nicht gleich den Film und will ihn in einem unheiligen Ritus verbrennen, wie es wohl einige tun. Ziehen wir von dem Spaß, den ich beim Schauen hatte, alle diese Negativpunkte ab, verbleibe ich mit prallen, großzügigen, gut gemeinten und vermutlich wie Perlen vor die Säue geworfenen

4/10 Punkten.

Kung Fu Hustle

16. Mai 2011

Kung Fu Hustle
Gong Fu
2004
China / Hongkong
Stephen Chow
=> Blu-Ray Single Disc Amaray


„Einfach zu sein ist das größte Glück auf Erden.“

Mit Kung Fu Hustle erzählt uns der Hongkong-Regisseur Stephen Chow eine Geschichte um den Möchtegern-Gangster Sing und seinen dicken Freund Gu, die auf Biegen und Brechen echte Gangster werden wollen und zu diesem Zweck bei der hiesigen Gangster-Truppe anheuern, die gerade gewaltig mit einigen Kung-Fu-Meistern zu schaffen hat, die ihrerseits ein friedliches Leben in einem heruntergekommenen Mietshaus führen wollen und reihenweise die Handlanger der Gang auseinander nehmen. Kung Fu Hustle steht ein wenig zwischen den Extremen und ist trotzdem für sich wieder ein eigenes. Vorab: wer einen Film im Stile von von Jackie Chan- oder Jet Li-Movies erwartet, ist leicht falsch gewickelt. Mal wieder ist die Geschichte, wie bei Chow üblich, äußerst durchgedreht, allerdings nicht annähernd so herrlich albern und teilweise befremdlich wie bei den kickenden Mönchen von „Shaolin Kickers“, dem Vorgängerfilm des Regisseurs.

„Ein Lied, das dir durch den Körper fegt – und dir deine Kniescheibe zerlegt.“

Unsere Bösewichte, die mit dem bedeutungsschwangeren und recht bekloppten Namen „Axt-Gang“ betitelte Truppe aus hirnverbrannten, chaotisch-witzigen Gangstern, die stets Zylinder auf dem Kopf und eine kleine Handaxt bei sich tragen und bei ihren Morden immer ein kleines Siegestänzchen aufführen, machen wirklich Laune und basieren wohl auf einem legendären Kombinat, das wirklich in China existiert haben soll. Die mittelmäßig erfolgreichen „Musiker“ als Doppel-Attentäter, die der Chef der Axt-Gang später auf die Kung Fu-Helden des Mietshauses ansetzt, sowie der „Endboss“, der schlicht „das Biest“ genannt wird, machen den Film zu einem niemals pausierenden, extrem kurzweiligen Erlebnis, der keinen Moment zum Atem holen Zeit lässt. Die beiden Volltrottel Sing und Gu auf der anderen Seite, die gerne in die Axt-Gang aufgenommen werden wollen, haben eine tragische Vergangenheit hinter sich: Sing hat erkannt, dass man als Guter auf der Welt keinen Erfolg hat, weil er als Kind einmal ein taubstummes Mädchen gegen ein paar Schläger verteidigen wollte, nachdem ihm ein Fremder ein Handbuch für Kung Fu-Kampfkunst angedreht hatte und er -vorprogrammierterweise- kläglich versagt hat.

„So viele Gangster – so wenig Zeit.“

Dürfen wir mit Sicherheit aberwitzige Martial Arts-Spezialfähigkeiten erwarten, hält Kung Fu Hustle dennoch in jeder Sekunde unerwartete, weitere Überraschungen parat und hält den Trash-Faktor durchweg hoch – wobei wir eigentlich nicht von richtigem Trash sprechen dürfen, da die Effektkulisse und das Spiel mit Farben wirklich erste Sahne sind. Die kultige Anfangsszene in rosarotem Licht zum ersten Auftreten der Axt-Gang ist wirklich sehenswert. Überhaupt ist der ganze Film die Gags und die Sounds betreffend in einem Slapstick- und Zeichentrick/Comic-Stil gehalten, wenn zum Beispiel Möchtegern-Gangster Sing sich einen Gegner aus den  Reihen der Mietshausbewohner suchen will und die stets zu viel auf dem Kasten für sein Kaliber haben oder er und die Vermieterin sich ein Roadrunner-mäßiges Verfolgungsduell liefern. Man fühlt sich ständig und von allen Seiten an Filme mit Bruce Lee erinnert und ob der Humorart wegen an Animes wie Dragonball oder Ranma ½, was für Genre-Fans sowieso ein riesiges Fest ist. Außerdem hat der Score teilweise echten Kill Bill-Charakter. Die Atmosphäre des Films wechselt auch stets hin und her, finden wir uns erst in einer Großstadt-Gangsterschlacht wieder, geht der Film nahtlos in eine Asia-Western-Kulisse in sengender Hitze über.

Am Anfang fühlt man sich tatsächlich ein wenig an das Asterix-Prinzip erinnert – ein altes Mietgebäude mit seinen Kung Fu-Kämpfer-Heroen bildet den Wall gegen die bösen Feinde, die alle unterjochen wollen. Dazu kommen mehrere skurrile, immer wiederkehrende Running Gags, wie zum Beispiel, dass wir in nahezu jeder Szene beim Mietshaus den nackten Po des Paradiesvogel-Friseurs zu Gesicht bekommen. Hin und wieder finden wir auch Anspielungen auf diverse Hollywood-Filme. Als zum Beispiel Sing seine taubstumme Freundin wiedertrifft, stehen sie vor einem großen Filmplakat von „Die Tänzer vom Broadway“ (Broadway-Tanzeinlagen gibt es übrigens auch von der Axt-Gang selbst zu sehen) oder während er in das Hochsicherheitsgefängnis einbricht, um „das Biest“ zu befreien, betritt er einen Korridor, aus dem in bester „Shining“-Manier ein Strom von Blut auf ihn hereinbricht.

Trotzdem hier ein Manko – teilweise ist dieser Absurditätsfaktor nicht durchgehend und der Film bremst sich ein wenig aus, da es dann doch hin und wieder etwas brutalere und fast schon ernste Bilder zu sehen gibt. Sehr gestört hat in diesem Film, der ja eigentlich völlig überladen mit Witz sein sollte, dieses tragische Element um die Hintergrundgeschichte Sings. Außerdem nervte mal wieder ohne Ende die deutsche Synchronisation, die –ausgehend von diversen, noch wesentlich weniger beachteten Asia-Movies- zwar akzeptabel ist, aber stellenweise dennoch sehr aufgesetzt rüberkommt. Vor allem, wenn man selbst im Wikipedia-Artikel oder auf diversen Seiten im WWW zu Kung Fu Hustle nette Trivia-Facts nachlesen kann unter dem Vermerk „kommt in der deutschen Fassung nicht vor“ oder „ist getilgt worden.“ Das Ganze ist dann manchmal bei asiatischen Filmsynchros so zum Haare Ausrupfen ärgerlich, dass man am Liebsten so schnell wie möglich noch einmal Sinologie/Koreanistik oder Japanologie studieren möchte.

Das Bild der Bluray ist übrigens exzellent, genau wie der Sound auch. Gerade, wenn einem ganze Häuserblöcke und tausend Gangster um die Ohren fliegen oder die Vermieterin (die übrigens als Charakter im Film von der ersten Sekunde an total nervt) ihre markerschütternde Schreistimme auspackt, lohnt sich eine qualitativ gute Anlage sehr. Mit gerade einmal 95 Minuten ist der Film auch schon wieder sehr schnell vorbei – aber es brennen sich doch einige Charaktere und Szenen so tief beim Zuschauer ein, dass Chows Werk zurecht ein kommerziell sehr erfolgreicher Film geworden ist, und das weltweit. Ebenfalls ganz nett: das Bonusmaterial, bestehend aus Deleted Scenes, einem Behind the Scenes-Beitrag (sehr empfehlenswert!), einem Stephen Chow-Interview (ebenfalls ganz nett, vor allem, wenn man ein paar Infos zu anderen Filmen des Regisseurs erhalten möchte) und natürlich Trailern Outtakes (letztere sind sehr geil!).

Zuschauern, denen dieser Grad an Unrealismus und Skurrilität gar nicht liegt und die auch ungerne mal vor Schadenfreude am Boden liegen und lachen, wird auch Kung Fu Hustle, der ohnehin das ganze Genre und so auch die pathos-lastigen Klassiker wie Drunken Master und überhaupt alle Bruce Lee-Filme ein wenig satirisch parodiert, ebenfalls wohl eher nicht gefallen - dennoch ist er wegen des hohen Spaßfaktors beim Schauen, der Anspielungen und der Stilmischungen, die Chow begeht, meiner Meinung nach durchaus sehenswert, auch für weniger große Fans von Martial Arts und Kampfkunst. Für eingefleischte Anhänger muss ich hier ein ganz klares „Must see“ aussprechen.

Fazit: Das sind die Fakten – an Kung Fu Hustle scheiden sich die Geister. Regisseur Chow sprengt alle Ketten, die uns an Naturgesetze binden und spuckt den Vorgaben der Physik und der Logik ins Gesicht, wie auch viele andere Martial Arts-Filme aus Asien – und genau das ist das herrliche an diesem Genre. Das wissen die Kenner und bekennenden Fans. Hier ist alles in Superlative übertrieben und genau davon lebt Kung Fu Hustle. Das Ganze ist sogar so skurril, dass man sich irgendwann gar nicht mehr wundert, wenn einer der Widersacher sich auf den Boden legt und sein Mund und sein Kinn sich wie ein Krötenmaul aufblähen oder die Vermieterin eine gigantische Glocke als Megaphon für ihren ohrenbetäubenden Schrei benutzt. Das Abgedrehte und Absurde kommt dem Zuschauer einfach irgendwann vollkommen normal vor – und genau deswegen hat Kung Fu Hustle doch sein Ziel erreicht. Verrückte und teils gewollt dämliche Dialoge, viele neue Ideen und bekloppte, überzeichnete Charaktere sind gute Faktoren, um einen schrägen Unterhaltungsfilm der Extraklasse zu kochen – und das ist Chow mit ein paar Kritikpunkten auf jeden Fall gelungen.

Ich gebe 8/10 Punkten.

2001-Odyssee im Weltraum
1968
USA/Frankreich/Großbritannien
Stanley Kubrick
=> Blu-Ray Single Disc Amaray in Stanley Kubrick Box


„In einem unendlichen und ewigen Universum ist alles möglich.“

- Stanley Kubrick

Stanley Kubricks 2001-Odyssee im Weltraum ist eine harte Kopfnuss für jeden Kinogänger, der an entspannte Komödien oder Action und Science-Fiction ohne großartigen Tiefgang gewohnt ist. Der Regisseur zeigt uns das Weltall von einer neuen Seite und erfindet das Genre mal eben neu. Er achtet akribisch genau auf physikalische Korrektheit und versucht anders als andere SF-Vorreiterfilme mal möglichst realistische Darstellungen von Dingen, die damals nicht nur eine recht neue und unbekannte Erfahrung waren, sondern auch schwer in einem Film einzufangen waren. 2001 ist ein einziger Trip, das trifft es sehr gut.

Der Film, der lose auf den Prosa-Werken von Arthur Clarke beruht, mit dem Kubrick auch zusammen das Drehbuch entwickelte, ist in mehrere Kapitel eingeteilt. Im ersten Teil, dem „Dawn of Man“ beschauen wir ganze 25 Minuten lang eine Gruppe friedlicher Menschenaffen in der Vorzeit, die gemeinsam mit einigen Wildtieren friedlich koexistieren. Später nach einem Sprung ins Jahr 2000 treffen wir den Wissenschaftler Dr. Floyd, der auf dem Weg zur Mondstation Clavius ist, wo ein eigenartiger Monolith auf der Mondoberfläche gefunden wurde. Im zweiten Teil, der „Jupiter Mission“, beginnt die eigentliche Haupthandlung des Films: eine bemannte Mission zum Jupiter, bei der zwei Astronauten, Dr. Dave Bowman und Dr. Frank Poole, sowie der intelligente und mit eigenem Bewusstsein ausgestattete Bordcomputer HAL an Bord eines riesigen Raumschiffs sind. Der Rest der Crew ist in einem sogenannten Kryoschlaf und wird erst bei Ankunft auf dem Jupiter „reaktiviert“.   

Kubrick, der für seinen Film detailreichste Qualitätskontrolle aller Bereiche der Produktion wie sonst kein anderer Regisseur betrieb, und seine Vorhersagen für die Technikfortschritte der nächsten Jahre in diesem Film werden auch stets gelobt – ich meine, der Streifen erschien 1968 und wurde in den 3 Jahren zuvor produziert. Und genau das ist ja das Interessante am Film: wandeln wir hier schon auf dem Mond herum, fand die tatsächliche Mondlandung der Amis ja erst nach Erscheinen dieses Streifens statt. Beratend für Kubrick standen auch echte Physiker und Astronomen zur Stelle – und exakt diese angebrachte Genauigkeit macht 2001 zu einem Meilenstein, finden wir ja in jedem Science-Fiction-Film, gaukelt er uns auch noch so sehr einen gewissen Realismus und ein Könnte-Sein vor, irgendeinen Haken, der uns vor lauter Träumen und Staunen trotzdem immer ins Gedächtnis ruft, dass es ja doch so etwas niemals geben wird. Hier ist es anders. Gewisse Aufmachungen mögen alt aussehen. Und dass wir kein CGI-vollgepfropftes Effektmonstrum erwarten dürfen, ist auch klar. Aber beschaut man Bilder der Sets erkennt man schon den für die 60er neuartigen Kunst- und Effektschritt, den Kubrick ohne große Hürden getan hat.

2001: Odyssee im Weltraum stellt oberflächlich zunächst einmal den Konflikt Mensch VS. Unbekannte Macht dar – wobei auch nicht klar ist, ob wir diese unbekannte Macht fürchten sollten. In jedem Fall ist die schlichte Darstellung der Monolithen als… naja, rechteckige, schwarze Pappwand mit eigenwilliger Musikuntermalung echt verstörend, wenn man sich auf den Film und die Gesamtstimmung einlässt. Das wirkt dann schon eindrucksvoller auf die Psyche der Zuschauer als jede grüne Gummikreatur mit riesigen Augen. Diese Monolithen sind die Schlüsselobjekte, in deren Präsenz sich jedes Mal eine Bewusstseinsänderung der Menschen vollzieht, wenn sie zu nahe kommen, und sind der eigentliche Kern des Films. Kubrick brauchte keine kleinen Männchen und Weltallbestien, um dem Zuschauer zu zeigen, dass hier außerirdische Mächte am Werk sind. Er zeichnet auf surreale, gleichwohl glaubwürdige Art und Weise einen Blick in die Zukunft für die Menschheit, der tagelang zum Denken anregen möchte. Die Jahresangabe ist hier tatsächlich nur ein Wort. Er liefert neue Ideen darüber, was ein Film eigentlich ist und  sein kann. Kubrick greift auch gerade in den Startlöchern stehende technische Bereiche wie das Videotelefon, damals natürlich im Alltag kaum realisierbar, oder die erste „singende Maschine“, die den gleichen Song „Daisy, Daisy“ (im Deutschen: Hänschenklein) wie HAL kurz vor seinem „Ableben“ singt. Der Film ist zeitlos – Kubrick hatte bereits in den späten 60ern erkannt, dass die Zukunft, nicht allzu fern, von Technik bestimmt werden wird und wir bald alle nur noch auf Bildschirme starren. Es gilt: alles wirkt irgendwie frisch und aktuell. Da vergisst man doch glatt, dass 2001 auch schon wieder 10 Jahre hinter uns liegt. Und Kubricks Visionen der Zukunft bald 50.

Die schauspielerische Leistung der agierenden Charaktere, die rückblickend auch keine sonderlich bekannten Akteure sind und waren, ist wirklich gut, aber wir dürfen nicht vergessen: das Zwischenmenschliche und der Dialog stehen für Kubrick im Hintergrund. Es ist vielmehr ein Fest der Sinne. Musik und Bild malen hier das Prosawerk von Arthur Clarke. Keine Erklärungen und lästige Reden. Der Film ist was fürs Auge und fürs Ohr. Sprache wird hier zu einer Begleiterscheinung degradiert. Der legendäre Filmanfang, bei dem wir unseren Planeten Erde beschauen und auf epische Weise Richard Strauß’ „Also sprach Zarathustra“ zu hören bekommen verrät schon einen Großteil von Kubricks Hang zur Musik in seinem Werk. Wir bekommen während des Films tonnenweise, handlungslose, detailreiche Raumschiffszenen und Außenaufnahmen der Raumstationen zu Gesicht, die mit klassischer Musik untermalt sind. Allein diese Tatsache macht 2001: Odyssee im Weltraum schon zu einem besonderen Filmerlebnis, verbindet gerade dieser Film die unendlichen Weiten des Weltraums und den großen technischen Fortschritt dieser mit einem eher nostalgischen, weniger modernen Hintergrundscore. Andererseits – und da kann ich jeden, der diese Meinung teilt, absolut verstehen – kann das auch echt ermüdend sein. Wie so oft kommt das wohl auf den Zuschauer an. In jedem Falle aber liegt der Fokus darauf, die nach Wissen dürstenden Menschen ohne viel Emotion darzustellen. Den Computer HAL werte ich auch als Charakter an Bord: mit seiner penetranten Stimme, die zugleich beruhigend und oftmals ein wenig mit Humor gespickt wirkt, bei der jedwede Information, ob positiv oder negativ, immer im gleichen Tonfall herüberkommt. Grandios, dafür verliert man aber auch nach und nach das Vertrauen in des Menschen Hoffnungsträger: er macht sich Sorgen über die Mission, ist von sich selbst als allwissend überzeugt, unterstellt stets menschliches Versagen und kehrt sich später ja sogar gegen die Besatzung, als er merkt, dass er ausgeschaltet werden soll. Hier wird auch die Frage aufgeworfen, ob eine Maschine von Menschenhand eigentlich ein Eigenleben entwickeln und sich tatsächlich gegen ihre Erbauer wenden könnte – jedenfalls ist  der Film realistisch genug aufgemacht, um diese philosophische Frage überhaupt stellen zu können, was es in anderen SF-Filmen ja – Friede-Freude-Eierkuchen-sei-Dank – gar nicht erst gibt. Zuletzt äußert er sogar Angst – eine wesentlich menschlichere Darstellung als die der Astronauten selbst. [Verweis auf O-Ton! HALs Originalstimme ist um Längen besser!] Arthur Clarke nennt HAL by the way einen Future-Frankenstein,  der mehr sei als kalkulierbare Schaltkreise. Kubrick will wegkommen von dem ganzen zweitklassigen SF-Kram, der bis dato kursierte. Was gab es denn auch vor diesem Film außer ein paar trashiger Monsterfilme? Er zeigt eine andere Art Wissenschaftler. Farblose, geradezu maschinäre Gestalten. Da nimmt HAL schon fast eine weitaus menschlichere Opferrolle ein. Im Making of wird sogar von einer Schaltkreis-Vergewaltigung gesprochen. Gegen Ende des Films befinden wir uns übrigens im absoluten Drogentrip: während Dave den Jupiter erreicht und in die Nähe im All frei schwebenden, dritten Monolithenplatte kommt, bricht auf uns kaskadisch ein Sturm aus tausenden Farbeimern ein und wir finden uns in einem sehr schicken Hotelsaal wieder, gewiss ein Fantasieprodukt Daves. Die danach folgende poetisch-parabolische Verwandlung  stellt das Ende des Films dar. So viel sei gesagt: wir dürfen wieder puzzlen und uns den Kopf zerbrechen. Da ist auch kaum verwunderlich, dass sich viele Jugendliche (bedenkt man die Jahreszahl) vorher zum Pott rauchen trafen, um den Film – sagen wir: „anders“ im Kino zu erleben.

Trotz der losgetretenen Kino-Revolution ist Kubricks Meisterwerk nichts für schwache Nerven: wer einfache Kost erwartet, ist hier Fehl am Platz. Der Film ist absoluter Mindfuck, Philosophie, eine Parabel auf das Leben, die Unendlichkeit und Unsterblichkeit. Mehr dazu später. Vor allem aber ist 2001 eines: und zwar unheimlich. Porträtiert der Film ja nicht nur die Einwirkung auf den Fortschritt und die ganze Evolution der Menschheit durch eine unbekannte, wohl außerirdische Macht, symbolisiert durch die verschiedenen, schwarzen Monolithen, sondern zeigt auch noch auf, dass eine Schöpfung der Menschen wie der Supercomputer HAL sich gegen seine Herren auflehnen kann und der Film somit einen der ersten Science-Fiction-Filme darstellt, wo nicht die Menschen die Technik meistern und nur von ihr profitieren; dafür aber Grenzen aufdeckt und Befürchtungen, der technische Aufschwung unserer Zeit bringe nicht nur Gutes, in den Raum stellt. Überhaupt war mir persönlich den ganzen Film durch sehr unbehaglich zu Mute. Mir lief jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken, wenn die psychedelische, das Hirn zermürbende Musik beim Anblick der mysteriösen Monolithen einsetzt, die wie ein Mark und Bein durchdringender Chor von Stimmen wirkt. Das beunruhigt da doch mehr als jeder Grusel-Schocker, vor allem bei geeigneter Anlage.  Ebenso die penetrierenden Kameraeinstellungen in unserem Trip-Finale von den Augen von Dave und diese kurzen verkrampften Gesichtseinblendungen während unserer künstlerischen Bilderflut; all das kommt so bedrohlich herüber, wie es so manch ein Horrorfilm nicht drauf hat.

„So groß die Dunkelheit auch sein mag – wir müssen selbst für Licht sorgen.“

Kubrick bricht alle Tabus, weswegen der Film auch zu Beginn als gescheiterter Kunstfilm gebrandmarkt wurde. Zu Beginn beispielsweise sehen wir… nichts. 3 Minuten lang. Begleitet – wie sollte es anders sein? – von klassischer Musik. Später dann während des „Dawn of Man“ natürlich keine Dialoge. Der erste gesprochene Satz kommt erst nach 25 Minuten. Des Weiteren finden wir mittlerweile genauso berühmte wie unkonventionelle Schnitte – der sich drehende, von einem Menschenaffen in die Luft geworfene Knochen geht nahtlos über in ein längliches Raumschiff im Orbit der Erde von ähnlicher Form. Und dazu wird man nicht schlecht staunen, was wir für einen Film vom Ende der 60er alles an Special Effects erwarten dürfen: Riesige, sich drehende Sets um möglichst realistisch die Schwerelosigkeit im Jupiterraumschiff, der Discovery, darzustellen. Außerdem noch hervorzuheben sind  HALs rote Lampen-„Augen“ und die hektische Zoom-Szene, durch welche sich der Zuschauer dauernd beobachtet und wie auf dem Präsentierteller fühlt; und die Szene, in der Dave wegen Reparaturen mit der Sonde außen am Raumschiff operiert, während der komplette Stille herrscht und wir minutelang nur die lauten Atemgeräusche Daves zu hören bekommen, wodurch wir uns wie mit im Raumanzug fühlen. Für einen Film, der bald 50 Jahre auf dem Buckel hat, sind das bestimmt revolutionäre Effekte gewesen. Geworben wurde auch auf einigen Filmplakaten zu 2001 mit dem Spruch: „Der Schlachtruf einer ganzen Generation.“

Bezüglich der Effekte empfehle ich wärmstens, sich am reichlichen Bonusmaterial der Blu-Ray (wohl auch DVD) satt zu sehen – es gibt ein Making of, Interviews, in welchen übrigens auch Ikonen wie James Cameron (Terminator, Titanic, Avatar), Steven Spielberg (E.T., Indiana Jones, Jurassic Park) oder George Lucas (Star Wars-Reihe) ihren Senf dazu geben – und ja, sie alle wurden in ihren einschneidensten Werken zutiefst allein von Kubricks Pionierlauf im Science-Fiction-Ichmachallesanders-Vorhaben durch diesen Film geprägt. Und nicht zuletzt einige Kurzdokus über extraterrestrisches Leben und Kommentare anderer Mitwirkender des Films – und sogar Kommentare von den Statisten, die in den Affenkostümen gesteckt haben – wenn das nicht heiter wird!  Das restaurierte Bild der Blu-Ray ist eine herrliche Referenz für Filme dieser Zeit, ebenso der aufbereitete Sound, bei dem sich ehrlich eine gute Anlage anbietet.

„Der schlimmste Fakt über das Universum ist nicht dessen Feindseligkeit, sondern seine  Gleichgültigkeit.“

Fazit: Zuschauer mit zu engem Kragen und zu kurzem Geduldsfaden wird der Film total gegen Strich gehen. 2001 ist so facettenreich, dass man wahrscheinlich selbst in weiteren 50 Jahren noch immer darüber Nachgrübeln kann, was der Film uns im Grunde sagen will. Feststehend ist, dass er unkonventionell, neu, noch immer aktuell und definitiv ob der experimentellen Ader wegen schon alleine sehenswert ist. Auch, dass der offene und intellektuelle Zuschauer gar nicht intellektuell genug sein kann, um über derartig tiefschürfende, interpretierbare Existenzfragen zu einer klaren Antwort zu gelangen. Ist es nun die darwinsche Ansicht des Kampfes der Spezies gegen Individuum, Schöpfer gegen Schöpfung, Hang zur natürlichen Selbsterhaltung, Versinnbildlichung der Evolution oder die Verrohung und Verdammung der Menschheit durch die Inspiration, zum ersten Mal zu töten – sei es nun mit einem Knochen ein Urzeit-Tapir oder indem man die Speicherchips eines Supercomputer-Gedächtnisses entfernt – ob das symbolische Ende nun außerirdische Präsenz durch Einpflanzung der Vorstellung eines menschenvertrauten Saales wie bei einem Eisbären im Zoo, dem eine falsche Heimat vorgegaukelt wird, suggerieren soll, die Gefahr des Fortschritts oder am Ende doch nur eine nichtswollende Hypnose darstellt - ich weiß es nicht. Aber ich rate jedem, sich dieses surreale Weltall-Meisterwerk von Kubrick anzusehen und sich selbst wie ich über lange Zeit das Hirn zu zermartern. Es lohnt sich.

„Denn mehr kann ein verantwortungsvolles Gehirn wirklich nicht anstreben.“

- Supercomputer HAL

Ich gebe 10/10 Punkten.

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am Danke für diese tolle …
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am WOW und wieder ein sehr …
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am Und danke für die …
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am Klar doch - die …
von muecke 
am Mich hat der Film schon …
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