Blade Runner - 25 Jahre später
21. Februar 2018Für viele inklusive mir ist das Original ein schwer zugänglicher Film, zu dem man mit fundiertem Hintergrundwissen ähnlich wie bei "The Matrix" eine interessante philosophische Einstellung finden kann, die das nochmalige Anschauen stark bereichert, aber das ist es eigentlich nicht, wie ein Film funktionieren sollte.
Blade Runner 2049 geht genau den umgekehrten Weg, findet schnell zu jener Grandesse, die meiner Meinung "grosse Filme" ausmacht: visuell eindrucksvolle Szenen, die eine tiefere Bedeutung haben, nicht tiefgründige Szenen, die visuell gross aufgemacht sind wie beim 1982er Original. Es passt einfach alles zusammen, die düstere Reflektion unserer modernen High-Tech-Welt, in der wir leben, das zurückgenommene Schauspiel von Ryan Gosling, das dafür um so mehr die Wahrnehmung für die episch-brilliante Inszenierung der Welt um ihn herum öffnet und das perfekt ineinander übergreifende Zusammenspiel von Schauspiel, Art Design, Spezialeffekten und Musik.
Ein grosses Lob auch an das Drehbuch von Hampton Fancher, der auch schon am Original mitgeschrieben hat. Es ist wie der Vergleich zwischen dem ersten und zweiten Terminator, der erste ist sowas wie die Grundlage, aber Teil 2 ist im Grunde die eigentliche Offenbarung. Die 2017-er Fortsetzung, die mehr ein eigenständiger Film ist, stellt sich als eine bemerkenswert gelungene Mischung aus ambitionierten Neo-Noir-Thriller und SF-Blockbuster heraus. Ich glaube das passendste Symbol um den Unterschied zwischen Original und Fortsetzung auszumachen, ist die in beiden Teilen vorkommende Figur: Das Einhorn zum Schluss des ersten Teils als finale intellektuelle Geste und das Holzpferd im Ofen in der Mitte von Teil 2 als pulsierende Entzweigerissengeheit zwischen echter und gefälschter Erinnerung.
Das die 150-Mio-Dollar-Rechnung nicht aufging und der Film in den Staaten "nur" 90 Mio einspielte, verwundert trotz 3D, Dolby Atmos und Harrison Ford nicht - zu anspruchsvoll, zu artifiziell und mit 163 Minuten auch einfach zu lang für die breite Masse der Kinobesucher, die einfach nur kurzweilig unterhalten werden will. Man kann sich glücklich schätzen, dass Ridley Scott mittlerweile genügend Einfluss und Geld besitzt, derart riskante Filme zu stemmen, es wird zur Zeit sogar über eine Fortsetzung nachgedacht. Dabei stellen die 90 Mio $ alles andere als einen finanziellen Misserfolg dar, da noch 162 Mio $ weltweite Einnahmen hinzukommen. Klar mag es niemand, wenn der Film bei sich zuhause floppt und man über den grossen Teich schielen muss, aber in diesem Fall ereilt Denis Villeneuve das gleiche Schicksal wie David Lynch, die wohl beide besser im europäischen Autorenkino aufgehoben wären.
Fehler, die in einer Fortsetzung von "Blade Runner 2049" vermieden werden sollten:
- jemanden wie Harrison Ford als Hauptdarsteller zu gewinnen, der mit seiner Präsenz automatisch die ganze Leinwand an sich reisst - gerade der Ansatz ist reizvoll, einen Replikanten zu inszenieren, der ein Reflex für die viele seelenlose Zeit ist, die wir mit High Tech-Instrumenten verbringen
- den Film zugunsten der üblichen, wohl bekömmlichen 120 Minuten zu kürzen, selbst wenn später irgendwann ein Directors Cut auf Bluray rauskommt. Es ist immer der erste Eindruck, der der wertvollste ist
- Mainstreamanpassungen wie schnelle Schnitte, mehr Action, eine weniger verstörende Atmosphäre, usw.
Ein Replikant, der auf der Suche nach dem ist, was ihn menschlich macht ist in jedem Fall die weitaus bessere Alternative als allzu menschliche Protagonisten, die umgekehrt Replikanten aus der Zuschauermasse machen. In diesem Sinne viel Spass beim Einlegen der Bluray. Nicht vergessen: es ist die Landschaft drumherum, die alles lebenswert macht, nicht die sinnlose Selbstreflexion desjenigen, der die Disc in der Hand hält...
Geschrieben auf einem 5.1.1 Androidensystem, die Suche nach menschlichem Leben geht weiter...
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