Die Fremde (2010) (Majestic Collection) Blu-ray

Umay, 25 Jahre, lebt zusammen mit ihrem Mann und Kind in Istanbul. Die junge Mutter sieht für ihre kleine Familie keine Zukunft, da deren Ehemann auch vor Gewalt gegenüber ihr und dem kleinen Cem nicht zurückschreckt. Um ein friedliches und unabhängiges Leben führen zu können, flüchtet Umay nach Deutschland zu ihren Eltern. Für die Familie stehen die traditionellen Konventionen jedoch an erster Stelle und die passen so gar nicht mit dem westlichen Lebensstil zusammen, den Umay anstrebt. Als sich die eigene Familie hinter ihrem Rücken gegen sie verbündet, flüchtet Umay mit ihrem Sohn Cem in ein Frauenhaus, wo sie versucht ein ganz neues Leben zu beginnen. Hin- und hergerissen zwischen der heimatlichen Kultur und einem freien Leben, versucht sie ihr Glück zu finden. Andere Länder, andere Sitten. So heißt ein Sprichwort, das wohl jedem bekannt sein dürfte. Die Fremde gibt tiefe Einblicke hinter die Kulissen der für viele Deutsche so fremden, türkischen Kultur. Dass sich deren Sitten und Wertvorstellungen immens von den unseren unterscheiden, wird dem Zuschauer in den 114 Minuten Laufzeit verständlich nahegebracht. Alles dreht sich um die junge Türkin Umay, die aus ihrem vorherbestimmten Leben fliehen will. Warum die Selbstverwirklichung jedoch aufgrund von Familienehre, Kultur und Ansehen in der Gesellschaft nur mit großen Opfern umzusetzen ist, vermittelt die Erzählweise des Films sehr gut. Ohne dabei den Moralapostel spielen zu wollen oder den Finger zu erheben, zeigt Feo Aladags Werk die verzwickte Situation von Umay und ihrer Familie auf, in der sie sich befinden. Einerseits möchte Umay unabhängig sein, andererseits geht dies nicht, ohne dabei das Ansehen ihrer Familie in Mitleidenschaft zu ziehen. Die neutrale Sichtweise der Regisseurin erlaubt es dem Zuschauer, sich eine eigene Meinung zu dem Thema zu bilden, ohne groß von der Inszenierung beeinflusst zu werden. Gerade wegen dieser unvoreingenommenen Erzählung, in der es weder „Gut“ noch „Böse“ gibt, ist der Film ausgesprochen emotional. Denn sowohl das Handeln der Familie, als auch das von Umay wird dem Publikum nachvollziehbar erläutert. Natürlich trägt der Cast einen erheblichen Teil zu der tiefgründigen Story bei. Dieser wirkt erfrischend natürlich und unverbraucht. Was auch daran liegt, dass die eingesetzten türkischen Schauspieler, teilweise auch Amateure, für uns zum allergrößten Teil unbekannt sind. Nur Hauptperson Umay (S. Kekilli, bekannt aus Gegen die Wand) und Nebencharakter Atife (A. Höfels, bekannt aus KeinOhrHasen) dürften dem einen oder anderen ein Begriff sein. Gerade Sibel Kekilli, die selbst türkischer Abstammung ist, legt eine ergreifende Vorstellung hin, die spürbar von Herzen kommt. Bei ihr merkt man richtig, wie sie ihre Rolle mit Leben ausfüllt und nicht nur spielt. Die innere Zerrissenheit ihrer Figur, die einerseits ein eigenes Leben führen und andererseits ihre Familie nicht verlieren will, ist zu jeder Zeit sehr gut spürbar.

Das MPEG-4/AVC kodierte Bildmaterial, Auflösung 1920x1080p (Ansichtsverhältnis 2.35:1) macht einen durchweg guten Eindruck. Farben und Kontraste kommen sehr kräftig, aber trotzdem natürlich zur Geltung. Das Bild besitzt einen leichten Blaustich, das dem Film eine kalte, sterile Optik verleiht. Dadurch wird die lieblose und einsame Atmosphäre, in der sich Umay befindet hervorragend übermittelt. Zudem wird es die meiste Zeit von dunklen Szenen dominiert. Die sind sauber in verschiedene Schwarzstufen gegliedert, weswegen selbst in den dunkelsten Momenten kein Detail untergeht. In einer Szene fällt jedoch ein mangelhafter Schwarzwert mit Bildrauschen auf. Das stellt aber die Ausnahme dar. Die Grundschärfe der Blu-ray ist ebenfalls gut ausgefallen. Zur Referenzqualität fehlt der Videospur dann allerdings doch noch der letzte Schliff. Außerdem fallen ab und zu leicht weiche Bildeinstellungen auf, die den Filmgenuss jedoch in keinster Weise trüben. Nahaufnahmen sind hingegen sehr gut gelungen. So lassen sich selbst die kleinsten emotionalen Gefühlsregungen in den Gesichtern der Protagonisten erkennen. Die Videospur ist zudem mit einem leichten Filmkorn versehen.

Auf der Blu-ray liegt eine deutsche DTS-HD MA 5.1 Tonspur bereit. Genrebedingt fällt diese relativ unspektakulär aus, da das Drama fast ausschließlich aus Dialogen besteht. Die Geräuschkulisse ist daher sehr frontlastig, aber dennoch dynamisch. Das wirkt sich gut auf die Dialogverständlichkeit aus, die zu jeder Zeit gegeben ist. Zum anderen lässt der Film auch oft seine Bilder für sich sprechen, die nur gelegentlich mit zarten, melancholischen Klavier- und Gitarrenpartien des wunderschönen Soundtracks unterstützt werden. Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass genau so viel türkisch, wie deutsch gesprochen wird. Daher ist man vielfach auf die eingeblendeten, deutschen Untertitel angewiesen. Umgebungsgeräusche, wie beispielsweise Straßenlärm sind so abgemischt, dass sie ein räumliches Klangbild ergeben. Momente, die das erfordern, sind jedoch nur sehr rar vertreten.

Die Blu-ray bietet ca. 62 Minuten Bonusmaterial, das ausnahmslos in Vollbild vorliegt und qualitativ auf DVD-Niveau anzusiedeln ist. Zunächst sind die acht nicht verwendeten Szenen zu erwähnen, die inhaltlich auf jeden Fall sehenswert sind. Die Interviews mit der Hauptdarstellerin Sibel Kekilli und Regisseurin Feo Aladag halten wenige Minuten Gesprächsstoff über den Film und dessen Thema bereit. Daneben sind eine musikalisch stimmungsvoll unterlegte Bildergalerie, der Kinotrailer in HD und Blu-ray Live-Features vorhanden. Auch nett anzusehen sind die beiden kurzen Ausschnitte vom Deutschen Filmpreis 2010. Hier kann man die Preisverleihung zum besten Film und zur besten Hauptdarstellerin ansehen, die der Film für sich einheimste. Als besonderes Schmankerl liegt außerdem eine halbstündige Dokumentation passend zum Thema vor („Wo Mädchen wenig wert sind- Eine Jugend im Zeichen der Ehre“). Wer an Die Fremde gefallen gefunden hat, sollte hier unbedingt reinschauen!

Audiovisuell leistet Die Fremde gute Arbeit. Die Bildqualität wartet mit einem hohen Schärfegrad, satten Farben und natürlicher Optik auf. Beim Ton arbeitet der Film ganz nach dem Motto: Weniger ist manchmal mehr. Dabei verlässt er sich Großteiles auf seine optischen Reize, die er mit dezenter Musik wunderschön unterstützt. Eine räumliche Geräuschkulisse kommt nur selten auf, ist aber nicht weiter schlimm, da es der Film nicht verlangt. Bei den Extras ist der Umfang nicht allzu groß, ein paar sehenswerte Boni sind aber vertreten. Feo Aladag gelingt mit ihrem Debütfilm einen so plastischen und real inszeniert Film, dass man meinen könnte, einen Dokumentarstreifen vor sich zu haben. Der fast gänzlich unbekannte Cast kommt der authentischen Umsetzung sehr zugute. Die Fremde ist daher ein gelungenes, emotional mitreißendes Drama, das die behandelte Thematik gut umsetzt. (mwo) (weitere Reviews anzeigen)

TV: Philips 37 PFL 8404 H Player: Philips BDP 7300 AV-Receiver: Onkyo TX-SR508 Lautsprecher: Teufel Concept R2