Geschrieben: 11 Mai 2013 09:04
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Einleitung:
Spätestens seit Peter Jackson mit seiner HERR-DER-RINGE-TRILOGIE
anschaulich bewiesen hat, dass es unverfilmbare Bücher nicht gibt,
scheinen gerade solche Werke eine geradezu magische Anziehungskraft
auf Filmemacher auszuüben. Nach DAS PARFÜM und CLOUD ATLAS wagte
sich nun Julian Pölsler, erneut ein deutschsprachiger Regisseur, an
die Verfilmung des als unverfilmbar geltenden Romans von Marlen
Haushofer „Die Wand“ aus dem Jahre 1963.
Abgesehen von der mutmaßlichen Unverfilmbarkeit des Stoffes stand
die Frage im Raum, ob ein Film, der sich mit der Vereinsamung einer
Stadtfrau, die sich plötzlich alleine in den Bergen befindet,
überhaupt interessant genug für eine filmische Aufarbeitung sein
könnte.
Hier ist die Antwort.
Film (9/10):
Eine Frau (Martina Gedeck) zieht übers Wochenende mit einem
befreundeten Ehepaar in eine Waldhütte in Österreich. Während das
Ehepaar einen Ausflug macht, bleibt die Frau mit dem Hund Luchs auf
der Hütte, und bemerkt erst am nächsten Morgen, dass das Ehepaar
noch nicht zurück ist. Sie begibt sich auf die Suche nach den
Freunden, doch stößt mitten auf dem Weg auf eine unsichtbare Wand,
von welcher sie offenbar vollkommen umgeben ist. Auf der anderen
Seite der Wand sieht sie einige Menschen, die scheinbar zu Statuen
erstarrt sind. Sind sie tot? Ist die Frau tot? Was ist
passiert?
Anfangs noch ungläubig, beginnt sie im Laufe der Zeit, sich mit
ihrem Schicksal abzufinden und beginnt, ihre Lebensgeschichte, ihre
Sorgen und Ängste, zu Papier zu bringen...
Zugegeben, der Film, der lediglich eine einzige Darstellerin in den
Bergen zeigt, umgeben von einer unsichtbaren Wand – das klingt im
ersten Moment nicht gerade nach Spannung.
Aber da irrt man sich gewaltig. Der Regisseur versteht er
vortrefflich, den Zuschauer an den Ängsten, der Verzweiflung und
letztendlich an der Resignation seiner überzeugenden
Hauptdarstellerin teilhaben zu lassen. So stellt sich irgendwann
nicht mehr die Frage, was es mit der Wand auf sich hat. Statt
dessen rückt immer mehr und mehr das reine Überleben, das Abfinden
mit der Situation in den Fokus des Betrachters. Ein Ausbruch aus
dieser in sich geschlossenen Welt scheint aussichtslos,
letztendlich spielt es aber auch gar keine Rolle mehr.
Ein eindringlicher Film, der gezielt mit den Ängsten der Menschen
vor der Vereinsamung spielt, und einen letztendlich nachdenklich
zurücklässt.
Denn der Film präsentiert keinen Schluss, keine Auflösung und kein
Happy-End. Vielmehr endet er damit, dass die Protagonistin kein
Papier mehr hat, auf dem sie ihre Gedanken protokollieren könnte.
Alles weitere bleibt dem Zuschauer selbst überlassen, wenn er nach
knappen zwei Stunden dieses unglaublich gut inszenierte
Filmerlebnis beendet.
Bild (9/10):
- Bildformat: 2.35:1 (Letterbox)
- Klare, natürliche Bilder in phantstischer Schärfe
- Schnelle Bewegungen ziehen leicht nach
- Schwärze verschluckt Details
Das Bild zeigt sich auf wirklich hervorragendem Niveau.
Wunderschöne Landschaftsaufnahamen in gestochen scharfen Bildern.
Grüne Wiesen, glasklares Wasser, funkelnder Schnee, und alles in
natürlichen Farben, die einem das Gefühl geben, selbst vor Ort zu
sein. Gerade die Panoramaaufnahmen der Berge sind einfach
atemberaubend.
Aber auch in Nahaufnahmen weiß das Bild durchaus zu überzeugen.
Einzelne Härchen, die Struktur der Kleidung und die Maserung der
Holzdielen, alles in ausgezeichneter Schärfe und mit hoher
Detailfülle.
Die langen Kameraeinstellungen und langsamen Kamerafahrten, sowie
die Momentaufnahmen der unbeweglichen Außenwelt, bieten einen
Detailreichtum, wie man ihn sich besser kaum wünschen kann.
Lediglich die wenigen Szenen mit schnellen Bewegungen seitens der
Protagonistin ziehen ein wenig nach, und der Schwarzwert, gerade
bei Aufnahmen bei Nacht, ist so dominant, dass er einige Details
verschluckt. Dies kann aber auch durchaus so gewollt sein, um den
Blick des Zuschauers auf das Wesentliche, das Noch-Zu-Sehende, zu
fokussieren. Alles in allem ist das Bild schlicht und ergreifend
phantastisch!
Ton (9/10):
- Deutsch DTS-HD MA 5.1
- Deutsche Hörfilmfassung DD 2.0
- Klar verständlicher Monolog
- Schöner Raumklang
Der Regisseur versteht es vortrefflich, die Angst und Beklommenheit
seiner Zuschauer durch tiefe, brummende Laute zu schüren, während
er in den übrigen Szenen eine wundervolle Klangkulisse präsentiert,
die dem Bild in jeder Hinsicht ebenbürtig ist.
Dabei zeigt sich der Ton äußerst stimmig. Gerade bei Außenaufnahmen
bietet er einen wunderschönen Raumklang voller Naturgeräusche:
Wind, Regen, zirpende Grillen – aber auch knackendes Holz im Kamin,
knarrende Dielen oder das Schnurren der Katze sind ganz klar zu
vernehmen.
Einzig auf großartige Soundeffekte wartet man vergeblich. Lediglich
die Berührung der unsichtbaren Wand lässt den Subwoofer minimal
erklingen, wobei das Geräusch stark an das Schwenken eines
Laserschwertes aus den Star-Wars-Filmen erinnert.
Diese Momente und die Szene, in welcher der Wagen der Frau gegen
die unsichtbare Wand knallt, brechen aus dem ansonsten harmonischen
Klangteppich aus.
Die sparsam eingesetzte Streichmusik klingt ebenfalls klar und
sauber, und auch der Monolog der Protagonistin aus dem Off erlaubt
sich keine Fehler. Auch die Hörfilmfassung für Blinde liefert klar
verständliche Beschreibungen des Gesehenen, und macht dieses
cineastische Kleinod auch für Sehbehinderte erlebbar.
Extras (8/10):
- Interview mit Martina Gedeck (14:56 Minuten)
- Interview mit Julian Pölsler (13:33 Minuten)
- Featurette von der Deutschland-Premiere (06:21 Minuten)
Neben den höchst interessanten Interviews mit Regisseur und
Hauptdarstellerin, in denen beide separat detailliert auf die
Produktion und die Hintergründe der Verfilmung und der Figur
eingehen, gibt es noch ein paar schöne Bilder von der Premiere zu
sehen. Auch hier geben beide ein paar Statements auf dem roten
Teppich ab. Ein Audiokommentar fehlt.
Des Weiteren beinhaltet die Blu-Ray eine Hörfilmfassung für
Sehbehinderte in der die gezeigten Bilder für Blinde beschrieben
werden. Zusätzlich gibt es natürlich auch Untertitel für
Hörbehinderte, wodurch der Film wirklich für jeden erlebbar wird
.
Eine obligatorische Trailershow rundet die Extras ab.
Fazit:
Die Wand ist ein rundum gelungenes Stück Arthouse-Kino, ein
cineastisches Kleinod das in wundervollen Bildern die Vereinsamung
der Protagonistin zeigt. Dabei ist die Blu-Ray technisch auf ganz
hohem Niveau. Bild und Ton präsentieren sich nahezu ohne Schwächen,
wobei man natürlich vergeblich auf große Effekte wartet.
Für Liebhaber des ruhigen, melancholischen Films ist DIE WAND ein
wundervolles Meisterwerk mit einer überzeugenden Darstellerin, die
einen nachdenklich, wenn nicht gar verstört zurücklässt.
Ausgesprochen sehenswert