http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=da8s9m4zEpoWäre Die dunkle Bedrohung der erste
Krieg-der-Sterne-Film, würde man ihn einen visionären
Durchbruch nennen. Doch dies ist der vierte Teil der berühmten
Reihe, und deshalb glauben wir, die altbekannten Orte schon zur
Genüge zu kennen. Viele Kritiken zeigten sich gelangweilt und
verlegten sich darauf, das Visuelle nur beiläufig hervorzuheben, um
sich dann umso ausführlicher der Frage zu widmen, wieso die Figuren
nicht besser entwickelt seien. Wie schnell gewöhnen wir uns doch an
Wunder. Mich erinnert dies an Isaac Asimovs Kurzgeschichte Und
Finsternis wird kommen..., die von einem Planeten erzählt, von
dem aus die Sterne nur einmal alle tausend Jahre zu sehen waren. So
unglaublich war dieser Anblick, dass er die Menschen in den
Wahnsinn trieb. Wir, die wir die Sterne jede Nacht sehen können,
lassen unsere Blicke hingegen nur noch kurz hinauf in den Kosmos
schweifen, um uns dann so schnell wie möglich wieder abzuwenden und
die nächste McDonalds-Filiale zu suchen.
Krieg der Sterne: Episode I - Die dunkle Bedrohung, um
einmal den kompletten Titel zu bemühen, ist ein wundersames
Meisterwerk phantasievollen Filmemachens. Wenn einige Figuren nicht
wirklich begeistern können, ist das vielleicht unvermeidlich: Dies
ist schließlich die chronologisch erste Geschichte und muss Figuren
einführen, die - wie wir nur zu gut wissen - mit der Zeit deutlich
interessanter werden. Hier treffen wir erstmals auf Obi-Wan Kenobi,
Anakin Skywalker, Yoda und R2-D2 und C-3PO. Anakin ist in Episode I
nur ein kleiner Junge. In den Teilen IV, V und VI wird aus ihm
Darth Vader geworden sein.
Die wahren Jünger der Macht mögen es mir verzeihen, doch die
Geschichten des Kriegs der Sterne waren immer nur
Weltraumopern, und ihre Bedeutung erwuchs aus ihrer Energie, ihrem
Spaßfaktor, ihren bunten Erfindungen und ihren brillanten
Spezialeffekten. Ich sehe mir diese Filme nicht in der Hoffnung an,
Einblicke in die menschliche Natur zu gewinnen. Anders als viele
Filme, sind diese nicht in erster Linie dafür gemacht, dass man
ihnen zuhört. Sie wollen angesehen werden, und George Lucas und
seine Mitstreiter haben Die dunkle Bedrohung bis zum
Überlaufen mit wundervollen Bildern gefüllt.
Es gibt hier neue Orte und neue Typen von Orten: Da haben wir
Unterwasserstädte, die in ihren transparenten Außenhüllen
dahintreiben. Die gewaltige Senatshalle, in der die Senatoren an
den Außenwänden hängen und die Redner mit ihren Kapseln ins Zentrum
des Raumes fliegen. Andere Orte: Eine Stadt über einem großen
Wasserfall, der sich schwindelerregend in die Tiefe ergiest. Andere
Städte: Venetianische Kanäle hier, eine ins Übermaß gesteigerte
Fassung des kaiserlichen Roms da, eine dritte Stadt, die aus dem
Wüstensand gewachsen zu sein scheint.
Vor diesem eindrucksvollen Hintergrund beleben die Figuren von
Die dunkle Bedrohung eine Handlung, die nur wenig
komplexer ist als die Geschichten, die ich früher in
Science-Fiction-Magazinen gelesen habe. Manchmal scheint die ganze
Reihe vom Titelblatt der frühen Science-Fantasy-Hefte entsprungen
und zum Leben erweckt worden zu sein: Die Dialoge sind ziemlich
pauschal und direkt, doch zugleich um eine quasi-klassische,
formelle Note bereichert, als hätten die Figuren Shakespeares
Caesar einst gelesen und wieder halb vergessen. Ich wünschte, sie
sprächen mit mehr Eleganz und Witz (wie Gore Vidals Griechen und
Römer), doch um die Dialoge geht es eh nicht: Diese Filme sind
Neuem gewidmet, das angeschaut werden will.
Die Handlungsdetails, die von Embargos und Blockaden erzählen,
machen dieses Filmuniversum kleiner und verdichten es auf die
Kompaktheit eines Handelsstreits aus dem 19. Jahrhundert. Die
Sterne selbst sind wenig mehr als kleine Lichtpunkte auf einem
schwarzen Vorhang, und der Krieg der Sterne hat sich von
den Farbfotos des Hubble-Teleskops nicht beeindrucken lassen. Im
Grunde erzählt die Serie von der menschlichen Mythologie; sie
spielt im Weltall, doch ist sie dort nicht zuhause. Wo Stanley
Kubrick uns den Menschen zeigte, der angesichts der Größe des
Universums klein wird, gibt uns Lucas ein Universum, das der Mensch
beherrscht. Seine Außerirdischen sind selbst nur Menschen, die in
eine neue, seltsame Haut geschlüpft sind. In Die dunkle
Bedrohung führt er Jar Jar Binks ein, einen vollständig am
Computer umgesetzten Außerirdischen mit ungelenken Bewegungen. Und
Jabba den Hutten, der dem Podrennen beiwohnt und auf mich immer wie
eine Dickens-Figur gewirkt hat.
Doch innerhalb der Grenzen, die er sich selbst auferlegt hat,
erzählt Lucas eine gute Geschichte: Die wichtigste Entwicklung in
Die dunkle Bedrohung findet mit der ersten Begegnung des
Jedi-Ritters Qui-Gon Jinn (Liam Neeson) und des jungen Anakin
Skywalker (Jake Lloyd) statt, mit dem das Schicksal - so direkt
empfinden es die Jedi - Großes vorhat. Qui-Gon trifft Anakin, als
er in einem Laden nach Ersatzteilen für sein kaputtes Schiff sucht.
Schon bald hilft er dem jungen Sklaven, in einem
Hochgeschwindigkeitsrennen anzutreten, indem er sein Schiff gegen
die Kosten der Ersatzteile einsetzt. Das Rennen ist einer der
Höhepunkte des Films, denn hier jagen die Teilnehmer zwischen hohen
Felswänden entlang, und jeder Augenblick erinnert an die metallenen
Schluchten, die im ersten Krieg der Sterne Schauplatz
eines ähnlich abenteuerlichen Wettstreits waren. Wieso ist Qui-Gon
so davon überzeugt, dass Anakin gewinnen kann? Nun, er spürt eine
ungewöhnliche Konzentration der Macht in ihm, und vielleicht
erkennt er instinktiv, wie einst Johannes der Täufer, dass es sein
Schicksal ist, dem den Weg zu bereiten, der da kommen soll.
Dennoch ist die psychologische Unsicherheit des Films unübersehbar,
gerade in der Szene, in der Anakin erfährt, dass er seine Mutter
(Pernilla August) zurücklassen muss, um diesem großen, fremden Jedi
in die Fremde zu folgen. Ihre Passivität wirkt angesichts dieser
Trennung äußerst unglaubwürdig. Ich jedenfalls hatte eine
tränenreiche Abschiedsszene zwischen Mutter und Kind erwartet, aber
der Film beschränkt sich darauf, dass Anakin fragt, ob sie mit ihm
kommen könne und sie antwortet: "Mein Platz ist hier." Als Sklavin?
Die Entdeckung und Prüfung Anakins liefert das wichtigste
Handlungselement, aber in gewisser Weise ist auch die übrige
Handlung von gleicher Bedeutung, weil sie erst die zahlreichen
Spezialeffektsequenzen begründet. Manchmal fällt es unserem
gesunden Menschenverstand schwer, eine Sequenz zu glauben - zum
Beispiel als Jar Jars Volk und die Guten gegen eine offensichtlich
unfähige Droidenarmee kämpfen, die von ihren Schöpfern dringend
umgetauscht werden sollte. Die meiste Zeit habe ich das Spektakel
auf der Leinwand aber glücklich eingesogen, genau wie ich
Metropolis, Alarm im Weltall, 2001,
Dark City oder Die Matrix genießen würde. Der
Unterschied ist, dass Lucas' Bildwelten abwechslungsreicher sind
und sein Film eine verspieltere Energie ausstrahlt. Er teilt ganz
offensichtlich nicht die allzu weit verbreitete Ansicht, dass
unsere Zukunft von Dunkelheit und Einsamkeit geprägt sein
wird.
Was ihn hingegen charakterisiert, ist ein Rauschgefühl, eine fast
grenzenlose Hingabe zu freudiger Erregung. In jeder Szene seines
Films steckt ein Gespür für neue Entdeckungen, und stets versucht
er sich an neuen Effekten und Ideen, wobei er echte und digitale
Figuren, echte Orte und seiner Phantasie entsprungene Schauplätze
nahtlos ineinander fließen lässt. Ich glaube, wir stehen an der
Schwelle eines neuen Zeitalters epischer Filme, einem Zeitalter, in
dem die digitale Technik dazu führen wird, dass Geld nicht länger
darüber entscheidet, wo die Grenzen einer Szene verlaufen. Erstmals
werden uns Filmemacher alles zeigen können, das sie sich
vorzustellen vermögen.
So sicher wie Anakin Skywalker den Weg in die Zukunft des
Kriegs der Sterne weist, so hebt sich mit Die dunkle
Bedrohung der Vorhang, und der Blick wird frei auf dieses neue
Zeitalter ungeahnter Freiheiten für Filmschaffende. Und das macht
eine Menge Spaß. Völlig zurecht wurde der Film für Kinder
freigegeben: Er ist für junge Zuschauer geeignet und hat es nicht
nötig, effekthascherisch in Gewalt zu schwelgen. Was den schlechten
Ruf seiner Figuren angeht, kann ich nur sagen: Ja, auch ich habe
Weltraumopern gesehen, die mehr Gewicht auf menschliche
Persönlichkeiten und Beziehungen legen. Sie nennen sich Star
Trek. Und ich ziehe ihnen transparente Unterwasserstädte und
riesige Senatskammern jederzeit vor.
Quelle:
http://www.starwars-union.de/nachrichten/14013/Zeitreise_15_Jahre_Die_dunkle_Bedrohung/