Geschrieben: 24 Okt 2011 11:25
Leider hat die Redaktion kein Rezi-Exemplar des Films bekommen,
daher basiert das Review auf meiner persönlichen Blu-ray und ist
daher leicht verspätet. Aber: Das ist für mich neben Drive der
bislang beste Film des Jahres und der braucht auch ein Review, denn
Winter's Bone verdient soviel Aufmerksamkeit wie möglich.
Winter's Bone - Blu-ray
Review
Winters Bone (Regie Debra Granik) nach dem
gleichnamigen Roman von Daniel Woodrell spielt im Hinterland der
USA, in den Ozark-Hügeln an der Grenze zwischen Missouri und
Arkansas, dort, wo die Hinterwäldler leben, die Dropouts, die
Verlierer jeglichen Booms, die Säufer, Drogenkocher und Junkies.
Der Independent Film räumte nicht nur gleich zwei der wichtigsten
Preise beim Sundance Filmfestival ab und wurde mehrfach für den
Oscar nominiert, sondern machte die jungen Hauptdarstellerin
Jennifer Lawrence praktisch über Nacht zum Star. Warum sie
tatstächlich das Zeug hat zu einer der besten Schauspielerinnen
ihrer Generation zu werden? Winters Bone hat die Antwort darauf,
das Blu-ray Release ist definitiv einen Blick
wert.Story -
10P
Die 17jährige Ree (J.Lawrence) lebt mit ihren
beiden jüngeren Geschwistern und der apathischen Mutter in einem
Holzhaus in den Ozark-Hügeln. Rees Vater ist auf Kaution aus dem
Gefängnis entlassen worden, hat dafür aber das Haus der Familie
verpfändet, und ist anschließend verschwunden. Erscheint er nicht
zu seinem Gerichtstermín verliert die Familie das Haus, und damit
ihren einzigen Besitz. Es drohen Heim, Obdachlosigkeit und das
Auseinanderbrechen der Familie die Ree mit aller Macht zusammen
hält. Wohin sie sich auch wendet, stößt Ree bei der Suche nach
ihrem Vater auf Ignoranz, Gleichgültigkeit oder offene Feindschaft.
Welche Kraft und Überwindung es sie am Ende kosten wird die Familie
zu retten übersteigt ihre Vorstellungskraft...
Nur ein einziges mal tritt Ree in diesem Film aus
dem engen Kreis ihrer Verwandten, Bekannten und Nachbarn heraus und
sucht den Kontakt mit der Außenwelt um das Geld für die Hypothek
aufzutreiben. Aber der Versuch sich beim Militär zu verpflichten um
die Prämie von 40000 $ zu bekommen, schlägt fehl. So bleibt ihr
nichts anderes übrig, als ihren Vater zu finden. Und Ree läuft los,
hügelaufwärts, vorbei an zerfallenden Blockhütten, zerbrochenen
Zäunen, Holzhäusern, vor denen Autowracks in der Sonne rosten,
Wäscheleinen und verwilderten Hunden - in einer sozialen
Landschaft, die diese Suche zu einer Tour de Force macht. Ihre
Verwandten schlagen das Mädchen, und wenn sie es mal gut mit ihm
meinen, geben sie ihm als Wegzehrung einen Joint mit. Kaputter als
die Autos, Häuser, Möbel und Kleidungsstücke der Menschen in diesem
Wohnwagen-Ghettos, als ihre von Drogen geschundenen Körper, sind
nur ihre Seelen.
„Winter's Bone“ íst in seinem Genre etwas Neues.
Das liegt weder am Stoff noch am Schauplatz - auch hier erklingt
das Banjo, werden Rinder versteigert und stehen Pferde am Trog.
Sondern es liegt an der Konsequenz, mit der Debra Granik ihre
Geschichte erzählt. In „Winter's Bone“ dreht sich alles von Anfang
an um Ree. Jennifer Lawrence, die neunzehn Jahre alte
Hauptdarstellerin, musste bei den Dreharbeiten in Missouri
tatsächlich Kartoffeln Holz hacken, und Eichhörnchen ausnehmen. Die
Anstrengung, mit der sie sich über die verwüsteten Grundstücke und
winterlichen Felder bewegt, ist nicht gespielt. Deshalb wirkt auch
der Trotz, mit dem sie auf die Bemühungen ihrer Umgebung reagiert,
ihr die Wahrheit über ihren Vater zu verweigern, nicht einstudiert,
sondern wahrhaftig und spontan. Jennifer Lawrence stellt
mitreissend den schmerzhaften Verlust der Kindheit dar, während man
in den verhärmten Zügen der Erwachsenen bereits die Frau ahnt, zu
der Ree werden wird. Mit ihrer großartigen Leistung ist Lawrence
aber nicht alleine in diesem Film, Deadwood Alumni John Hawkes ist
ebenfalls atemberaubend gut als Rees Onkel Teardrop, der durch
seine Nichte wieder daran erinnert wird, was Familie wirklich
bedeutet.
Regisseurin Debra Granik gelingen Bilder eines
bis auf die Knochen entkleideten American Way of Life: ein Geweih,
an einen verwitterten Holzpfosten genagelt, daneben die Rückseite
eines Bettgestells, das zum Gatter einer Viehweide umfunktioniert
wurde. Die Film-Adaption ist in ihrer Rigorosität eine Zumutung,
doch gerade in ihrer Härte entwickelt sie eine überraschende
Emotionalität. In einer Szene bringt Ree ihren Geschwistern bei,
wie man Eichhörnchen tötet und ihnen das Fell abzieht. Die
Präzision jedes Handgriffs, der dem Überleben dient, lässt diesen
Moment nüchtern und erhaben zugleich wirken. Doch bei allen
Änderungen gegenüber dem Roman verlässt sich Granik blind auf
Woodrells Dialogstärke. "Was sollen wir nur mit dir machen, kleines
Mädchen? Hm?", fragen ein paar Verbrecher, als sie Ree in ihrer
Gewalt haben. "Mich umbringen, nehme ich an", gibt sie trotzig
zurück. "Auf die Idee sind wir auch schon gekommen", lautet die
Antwort. "Hast du eine andere Idee?" - "Mir helfen." Diese Lakonie
macht den Film zu einem Country-noir-Epos allererster
Güte.
Am
Ende von "Winter's Bone" klärt sich auch der Verbleib von Rees
Vater. Die Szene spielt an einem See. Die Kamera verweilt für ein
paar Sekunden auf der Wasseroberfläche, auf der schillernden
Benzinlache, die dort treibt. Sie wirkt wie der letzte Rest der
Zivilisation, den die Menschen auf der Erde hinterlassen
werden.Bild -
9PTechnik: MPEG-4AVC Codec, Ansichtsverhältnis
1,85:1 (16:9 HD), Full HD
- realistisch-natürliches Bild
- hoher
Detailreichtum
- gute Schärfe
und Durchzeichnung
- Steile
Kontraste
- guter
Schwarzwert, nur vereinzelt Blackcrushing
- reduzierte
Farbpalette
Das Bild ist für einen Indie Film sehr gut. Zwat
könnte die Detillierung und Schäre noch etws höher sein, doch
insgesamt ist das Bild klar und scharf. Die reduzierte Farbpalette
und das Drehen bei natürlichem Licht sorgt für einen ungemein
realistischen Eindruck, der hervorragend zur Geschichte
passt.Audio -
9P
Technik: Deutsch / Englisch DTS-HD MA
5.1,
- sehr gute
Dialogverständlichkeit
- hervorragender
True HD Sound
- gute, wenn
auch seltene Surround Effekte
- dynamische,
allerdings etwas leise Abmischung
- sehr naürliche
Soundeffekte
- gute
Synchronisation
- grandioser
Soundtrack und Score
Der deutsche True HD Track ist etwas
frontlastiger als das englische Original, ansonsten befinden sich
beide auf gleich hohem Niveau. Auch wenn die Sychronisation sehr
gelungen ist, ist die englische Tonspur unbedingt vorzuziehen – nur
dort vermittelt sich das Lokalkolorit und dies trägt entscheidend
zur Klasse des Films bei.
Extras -
5P
- US
Trailer/ Deutscher Trailer
- Making
Of
- Deleted Scenes
- Music
Video
Die Zusatzaustattung ist zu knapp und bis auf die
Trailer sämtlich in SD. Das Making of bietet kaum einen Mehrwert,
es ist zwar deutsch untertitelt, springt aber wahllos und ohne
roten Faden durch die verschiedenen Stadien der Dreharbeiten. Da
das Musikvideo in unterirdisch schlecher Qualität vorliegt, bleiben
nur die Deleted Scenes die tatsächlich interessant
sind.Fazit
Die Technik stimmt. Bild und Ton sind für einen
Independent Film auf ungewohnt hohem Niveau und erfreuen HD Herzen.
Die Zusatzausstattung ist angesichts der Klasse des Film eine
Frechheit und nicht weiter erwähnenswert.
Wie ist dieser Neo-Western über eine Welt, in der
die Menschen nichts erwirtschaften außer ihrem täglichen Brot, in
seiner horrenden Trostlosigkeit überhaupt zu ertragen? Granik zeigt
eine Überlebensgemeinschaft, die weitgehend abgeschnitten ist vom
Rest der Welt. Es gibt kein einziges Telefonat in "Winter's Bone",
nie sitzt jemand vor einem Computer. Das Gesetz hat hier keine
Gültigkeit, es hat nur einen Träger, den niemand ernst nimmt. Hier
bestimmt man die Regeln selbst, nach denen man zusammenleben
will.
So
erzählt "Winter's Bone" auch viel über das Land, die Vereinigten
Staaten, und über ihr ständiges Ringen mit sich und der
Zivilisation. Indem sie nach ihrem Vater fragt, zerreißt Ree den
Schleier, der über der Landschaft und ihren Bewohnern liegt. Das
Muster aus Hass und Stolz wird sichtbar, das alles durchwebt seit
Urzeiten. Tiefer hat kaum ein Western je in die Welt des
amerikanischen Westens geblickt.(fb)
Wertung:
Story 10
Bild 9
Audio 9
Extras 5
Equipment:
Epson TW 4400 Light Power
Edition
Celexon Leinwand
2,70m*1,58m
BDPlayer: Panasonic BD 80 (modded,
Region Free)
AVReceiver: Marantz
SR5003
Lautsprecher: Teufel Theater
80
"America is the only country that went from
barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar
Wilde
Geschrieben: 24 Okt 2011 14:10
![Avatar Sawasdee1983](//bluray-disc.de/forum/avatar.php?u=2b8e0f3b95ed81bfad91066e1f72faf2b7aab4637162ef95b93d0035b53f72e0)
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Tolle Review machst mich gerade sehr neugierig auf den Streifen,
dabei gehe ich den typischen Oscar Filmen immer aus dem Weg, aber
der hier scheint ja wirklich gut zu sein.
MfG Pierre
Sawasdee1983
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Geschrieben: 24 Okt 2011 16:55
![Avatar flash77](//bluray-disc.de/forum/avatar.php?u=645e61d1eb5767e5eb15f01314b6eef61f7b133b2be1712609814125d235d8fd)
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flash77 chillt im FlashplexX
Tolles Review - ich hab den Film damals in Münster in der Sneak vor
der Oscarverleihung im O-Ton gesehen und fand ihn ach ganz gut...
ist halt keine leichte Kost! Schauspielerisch und Atmosphärisch
aber absolut top!
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Geschrieben: 30 Okt 2011 20:24
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Nathan Drake gehört ab sofort zu TEAM NEGAN!
Liegt hier noch rum, bekommt definitv noch die nächsten 14 Tage
seine Chance. Komm momentan einfach nicht hinterher ;).
Geschrieben: 30 Okt 2011 22:41
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Erhielt 248 Danke für 101 Beiträge
EllHomer Reality hits you hard, bro!
Ach jaaaa.....davon hab ich schon vor längerer Zeit nur gutes
gehört. Danke Breiti, dass du mich daran erinnerst "Winter's Bone"
mal anzukucken :D
Hab ich ja total vergessen. Liest sich auf jeden Fall super!
Danke fürs Review!
EllHomer
Filmreview
Geschrieben: 30 Okt 2011 22:51
Gast
werd ich mir definitiv noch anschauen ...
Geschrieben: 15 Nov 2011 09:24
![Avatar Sawasdee1983](//bluray-disc.de/forum/avatar.php?u=2a0ff4f65e4990e17a28099cd3894d7f8fce43bedaca22f684935a5ee00152e5)
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Sawasdee1983 ist im Urlaub
Hab mir jetzt den Film aufgrund deiner Review geholt und heute
morgen reingezogen. Alter schwede der Film hat es in sich. Jennifer
Lawrence hat mir in First Class nicht so gefallen aber hier ist sie
brilliant. Die Aufnahmen hammer. Technik top. Kann deiner Review in
allen Belangen zustimmen. Danke für den Tipp. Selten fühlt man so
mit einem Hauptcharakter mit wie hier.
MfG Pierre
Sawasdee1983
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Serienbereich
Geschrieben: 22 Nov 2011 12:10
![Avatar Globox](//bluray-disc.de/forum/avatar.php?u=15f4b1785a057a9f74f5c257937faa73f6c12ef88c97d7e291af234f55bc0065)
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Aktivität:
Wow, allein dein Review zu lesen war schon ein Erlebnis! Ein Segen,
dass du den Film hier trotz fehlendem Rezi-Exemplar vorgestellt
hast, denn sonst hätte ich vermutlich diese vielversprechende Indie
Produktion verpasst. Die Handlung hört sich sehr bewegend und
eindrücklich an, so dass ich mir den Film unbedingt ansehen werde.
:)
Geschrieben: 23 Nov 2011 09:40
@ Globox Bin mal gespannt auf deine Meinung; für mich einer der
Geheimtipps dieses Jahres
"America is the only country that went from
barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar
Wilde
Geschrieben: 23 Nov 2011 09:58
![Avatar Sawasdee1983](//bluray-disc.de/forum/avatar.php?u=c1a9b31812aede211cdc325a83cec1f73f026e2aa73aecc8de20e137783dc39f)
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Sawasdee1983 ist im Urlaub
Hab inzwischen auch mal die Romanvorlage gelesen, war total
erstaunt wie nah sich der Film dran hält, aber ich muss sagen als
Film kommt das Ganze noch besser rüber.
MfG Pierre
Sawasdee1983
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