Rubber Blu-ray Review
Wenn man sich mit Filmen im Allgemeinen
beschäftigt, sei es als Fan, Kritiker oder natürlich auch als
Filmschaffender, ist es von Zeit zu Zeit ratsam, einen imaginären
Schritt zurück zu treten und diese spezielle Materie einmal aus
einer gewissen Distanz zu betrachten. Was ist es, das die Menschen
an den bewegten Bildern derartig fasziniert, dass sie in einem
nicht unerheblichen Umfang Zeit, Geld und Leidenschaft in diese
Sache investieren?
Entscheiden ist letztlich die Antwort auf die Frage, welche
Kriterien ein Film erfüllen muss, um der persönlichen
Erwartungshaltung zu entsprechen. Müssen Filme handwerklich gut
gemacht sein? Oder ist eher das Thema entscheidend? Sollen Filme
lediglich der Unterhaltung dienen? Oder werden sie grundsätzlich
als Kunstform begriffen, die einem allumfassenden Anspruch gerecht
werden muss? Wer Filme tatsächlich, wie die Malerei etwa, als
Kategorie der Kunst, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen
begreift, dürfte zu „Rubber“ des Franzosen Quentin Dupieux unter
Umständen einen leichteren Zugang finden, als Verfechter des reinen
„Handwerks“ Film.
Story:
Irgendwo in der amerikanischen Wüste entwickelt ein alter
Autoreifen ein kurioses Eigenleben. Erst etwas wacklig, dann immer
sicherer rollt der Reifen durch die karge Landschaft. Schnell
entdeckt er seine Leidenschaft dafür, über Dinge drüber zu rollen,
seien sie nun belebt oder unbelebt. Doch so sehr sich der Reifen
auch bemüht, manche Dinge lassen sich durch einfaches drüberrollen
einfach nicht kaputt machen. Aber als wäre die Tatsache eines
lebendigen Autoreifens nicht schon außergewöhnlich genug,
entwickelt der Gummi noch eine weitere erstaunliche Gabe:
Telekinese! Mit reiner Gedankenkraft ist der Pneu in der Lage,
alles mögliche zum zerplatzen zu bringen. Schnell erkennen die
Bewohner eines Wüstenkaffs, dass mit einem derart begabten
Autoreifen nicht zu spaßen ist.
Alleine für die aberwitzige Ausgangsidee, einen Autoreifen zum
Leben zu erwecken, ist Regisseur und Drehbuchautor Quentin Dupieux
zu beglückwünschen. Einen ungewöhnlicheren „Helden“ gab es seit dem
denkwürdigen Angriff der Killertomaten nicht mehr. Doch der
Vergleich hinkt. Dupieux ist relativ weit davon entfernt einen
schlichten Trashfilm zu inszenieren. Mag die reine Prämisse des
Films noch darauf schließen lassen, unterscheidet sich die formale
Struktur seines Werks doch erheblichen von vermeintlich
vergleichbaren Schundprodukten. Bereits zu Beginn wird deutlich,
dass der Zuschauer hier eher Zeuge eines cineastischen Experiments
wird. Der Film spielt auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Die
eigentliche Handlung um den marodierenden Autoreifen und ein
Publikum, das die Geschehnisse aus einiger Entfernung betrachtet.
Die Trennung der Ebenen wird allerdings nicht konsequent aufrecht
erhalten. So greift gegen Ende ein Betrachter aktiv in die laufende
Handlung ein. Auch weiß der ermittelnde Sheriff zu jeder Zeit über
die vermeintlich fiktive Haupthandlung bescheid, die nur
stattfindet, weil es ein Publikum gibt, das dieser folgt. Eine
interessante Variation der bekannten philosophischen Frage, ob
Dinge überhaupt existieren, wenn niemand da ist, der sie
wahrnimmt.
Gleichzeitig wird die Handlung (auf allen Ebenen) mit purem Nonsens
durchsetzt. Hier einen tieferen Sinn hinein interpretieren zu
wollen, wäre müßig und letztlich auch nicht zielführend. Denn schon
in der Einleitung, die der Sheriff direkt an das Publikum richtet,
wird deutlich, wohin die Reise in den nächsten gut 80 Minuten geht.
„Rubber“ will als eine Hommage an die reine Willkür im Film
verstanden werden, die sich vermeintlich durch die gesamte
Filmgeschichte ziehe. So ist „Rubber“ dann auch mit einer Vielzahl
willkürlicher Ideen gespickt, die jeglicher Grundlage entbehren und
oft genug in blankem Unsinn gipfeln. Es gelingt Dupieux damit zwar,
seine Absichten zu vermitteln, dass der Zuschauer letztlich der
Willkür des Filmemachers ausgeliefert ist. Dies geschieht
allerdings auf Kosten eines stringent erzählten Films, der
letztlich zu wenig Substanz enthält, um als eigenständiges Werk zu
bestehen.
Bildqualität:
Technik: Videocodec MPEG-4 AVC, Ansichtsverhältnis 1,78:1,
Auflösung 1080p
Der Bildtransfer bewegt sich auf Referenzniveau, was für eine
kleine Independentproduktion nicht zu erwarten war. Die
Detailschärfe auf nahe und mittlere Entfernung ist schlicht
atemberaubend. Jedes Sandkorn, jede Stofffaser der Kleidung ist
ohne Probleme einzeln identifizierbar. Auch die Tiefenschärfe ist
phänomenal. Das Bild zeigt sich plastisch, mit sehr guten
Kontrastwerten und einer ausgewogenen, kräftigen Farbpalette. Ein
unglaubliches Ergebnis, bedenkt man die Tatsache, dass der Film mit
einer digitalen Spiegelreflexkamera, einer Canon EOS 5D Mark II
gedreht wurde. Filmkorn ist daher nicht vorhanden. Der Schwarzwert
wird zu keiner Zeit gefordert, da es keine dunklen Szenen gibt. In
vielen Einstellungen arbeitet Dupieux mit großflächigen Unschärfen
und fokussiert gleichzeitig nur einen kleinen Ausschnitt des Bilds.
Dies ist allerdings ein Stilmittel des Regisseurs und kein Fehler
des Transfers.
Tonqualität:
Technik: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1
Auch der Ton gibt eine sehr gute Figur ab, bleibt allerdings die
meiste Zeit unspektakulär. Hauptsächlich beim Einsatz der Filmmusik
verteilt sich die Akustik auf alle Kanäle und vermittelt eine sehr
gute Räumlichkeit und Dynamik. Der Low-Budget Charakter des Films
kommt hier am Auffälligstem zum tragen, denn auf spektakuläre
Soundeffekte wurde verzichtet. Der Subwoofer bleibt ebenfalls
unterbeschäftigt. Dennoch profitiert die Tonspur von ihrer
HD-Codierung und liefert klar verständliche Dialoge und ein gut
differenziertes Stereopanorama auf den Frontkanälen.
Ausstattung:
Die Extras bestehen hauptsächlich aus vier Interviews mit dem
Regisseur und den Hauptdarstellern des Films. Der Informationswert
hält sich allerdings in Grenzen. Besonders Quentin Dupieux verlangt
dem Zuschauer einiges ab. Er gibt seine Antworten nämlich rückwärts
sprechend. Die deutschen Untertitel tragen dieser Tatsache
konsequent Rechnung. Auch sie müssen rückwärts gelesen werden! Ganz
witzig, auf die Dauer allerdings zu anstrengend. Die
Hauptdarsteller bedenken hauptsächlich ihren Regisseur mit warmen
Worten. Insgesamt summieren sich die Interviews auf ca. 25 Minuten.
Zusätzlich finden noch ein Trailer und ein Teaser den Weg auf die
Blu-ray. Alle Extras liegen in HD vor. Capelight veröffentlicht den
Film ebenfalls in einer limitierten Erstauflage im Mediabook. Hier
ist neben einer zusätzlichen Film-DVD auch eine Soundtrack-CD
enthalten.
Fazit:
Technisch überzeugt die vorliegende Blu-ray auf der ganzen Linie.
Das Bild ist absolut erstklassig und lässt keine Wünsche offen. Der
Ton hält dieses Niveau zwar nicht ganz, bleibt aber zu jeder Zeit
ebenfalls HD-würdig. Die Extras der Keep-Case Version präsentieren
sich qualitativ und quantitativ mager.
An „Rubber“ werden sich die Geister scheiden. Ist das jetzt Kunst
oder grober Unfug? Diese Frage wird jeder für sich selbst
beantworten müssen, der sich auf den lebendigen Autoreifen
einlässt. Horrorfans werden dank einiger platzender Köpfe auf ihre
Kosten kommen, darüber hinaus verzichtet der Film aber auf einen
stringenten Spannungsaufbau. Richtig lustig ist der Film ebenfalls
nicht, so dass auch Freunde schwarzer Komödien nur bedingt ihre
Freude an dem Streifen haben werden. Gleichzeitig gibt es aber auch
kaum vergleichbares, so dass „Rubber“ schon auf Grund seiner
extravaganten Inszenierung und eigenwillig erzählten Story einen
Blick wert ist. Ein gewisses Kultpotential ist also durchaus
vorhanden. Im Zweifel sollte hier ein Gang in die Videothek
Klarheit schaffen.
Kurzbewertungen:
Story: 7/10
Bild: 10/10
Ton: 8/10
Extras: 5/10
Gesamt*: 8/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die
Story nicht berücksichtigt.Kaufempfehlung: 7/10
Die Kaufempfehlung der Rubber Blu-ray
wird anhand der technischen Bewertung und unter Berücksichtigung
der Story berechnet.Testgeräte:
TV: Pioneer PDP-LX5090 (50“) (kalibriert)
BDP: Pioneer BDP-LX71
AVR: Pioneer SC-LX81
Lautsprecher: B&W (Main), Teufel (Surround)