Wenn man von kontroversen Filmen spricht, trifft man früher oder
später auf den Namen Gaspar Noe. Der in Buenos Aires geborene
Regisseur liebt es Grenzen auszuloten und polarisiert wie kaum ein
anderer. In seinen Filmen geht es häufig sehr freizügig zur Sache
und auch vor expliziten Gewaltdarstellungen schreckt er nicht
zurück. Dies brachte ihm den Titel „most walked-out-of movie of the
year“ für seinen Film „Irreversibel“ ein, der 2002 in Cannes
Weltpremiere feierte. Nun gibt er mit Enter the Void seinen
Einstand auf dem blauen Medium und es scheint als ob auch dieser
Film für Gesprächsstoff sorgt.
Story :
Oscar und Linda verbindet eine sehr innige und schicksalhafte
Geschwisterbeziehung.
Nachdem ihre Eltern durch einen tragischen Autounfall ums Leben
gekommen sind, schworen sich beide nie wieder voneinander getrennt
zu sein. Während sich Oscar in Tokyo mit dem Handel von Drogen über
Wasser hält, verdient Linda ihr Geld als Stripperin.
Bei einem Deal, der sich später als Falle entpuppt, wird Oscar von
der Polizei auf einer Restauranttoilette erschossen. Fortan schwebt
sein Geist über der Stadt und blickt mit einem wachenden Auge auf
seine Mitmenschen hinunter.
Nachdem man das Intro unbeschadet überstanden und sich kurz
gesammelt hat, steht die Richtung dieses Machwerks fest. Enter the
Void ist ein Anschlag auf die Sinne und will uns an Grenzen führen.
Was diesen Film so einzigartig macht sind zunächst einmal die
verschieden Erzählperspektiven. Anfangs noch durch die Ich
Perspektive dargestellt, blickt man durch Oscar hindurch und sieht
die Welt mit seinen Augen. Aber nicht nur das, er lässt uns
außerdem an seinen Gedanken teilhaben, konsumiert
bewusstseinserweiternde Drogen, und wenn er die Augen schließt bzw.
blinzelt, färbt sich der Bildschirm schwarz.
Möglich wird das Ganze durch die CGI Technik und eine ständig
rotierende Handkamera, die sich erst nach dem Ableben des
Darstellers von ihm löst. Wenn Oscars Seele sich von seinem Körper
entfernt und sein Geist über der Stadt schwebt, nehmen wir den Film
aus der Vogelperspektive wahr. Wir dringen mit ihm durch Wände,
tauchen mit ihm in allerlei Körperöffnungen und Gegenstände ein und
beobachten vor allem Linda dabei wie sie versucht seinen Tod zu
verarbeiten. Zwischendurch kommen immer mal wieder wichtige
Kindheitserinnerungen der beiden zum Vorschein. Beispielsweise der
schwere Schicksalsschlag durch den Autounfall der Eltern, eine
Szene die mit aller Härte sofort in Mark und Knochen übergeht und
noch lange nachwirkt.
Bei allem Lob muss man aber auch sagen das Noe es gegen Ende etwas
übertreibt. Vor allem die ausführlichen und langanhaltenden
Sexszenen zermürben den Zuschauer auf Dauer und dienen ganz allein
der Provokation. Desweiteren lässt sich darüber diskutieren ob man
nun einen abgetriebenen Fötus oder eine Gebärmutter während der
Empfängnis in aller Ausführlichkeit zeigen muss. Aber Noe wäre
nicht Noe wenn er darauf verzichten würde.
Bild :
Die Bildqualität zu bewerten ist alles andere als leicht.
Einerseits lässt das Bild alle HD typischen Vorzüge vermissen,
andererseits ist das exakt so gewollt. Hier kommt also wieder das
ungeliebte Wort Stilmittel ins Spiel. Angefangen bei den
absichtlichen Unschärfen und Verzerrungen, welche den
halluzinogenen Rausch des Darstellers wiederspiegeln, bis hin zu
den grellen Neonfarben die sich überall im Film wieder finden. Sei
es nun auf den blinkenden Leuchtreklamen oder durch die flackernden
Stroboskope in den Clubs. Selbst die Gesichter offenbaren kaum
Details und wirken eher weich und verschwommen. In Sachen Kontrast
und Schwarzwert kann der Film ebenfalls nicht punkten.
Farbabstufungen und eine plastische Tiefenwirkung sucht man
vergebens.
Ton :
Die beiden Tonspuren wirken relativ unspektakulär und dienen in
erster Linie dazu die Optik des Films zu unterstützen. Für die
Sounduntermalung konnte man den Franzosen Thomas Bangalter, eine
Hälfte von Daft Punk, gewinnen. Ihm gelingt es hervorragend die
psychedelischen Zustände die Oscar auf seinem Trip erfährt
klanglich nachzubilden.
Dies reicht von monotonen, sphärischen Flächen bis hin zu
pulsierenden, wabernden Bässen, die sich wie ein Teppich ausbreiten
und miteinander verschmelzen. Die Dialoge wirken stilistisch
bedingt mitunter etwas dumpf, sind aber trotzdem gut
verständlich.
Extras :
-
Trailershow
-
Kinotrailer
-
Entfallene Szenen
-
Making Of der Special Effects
-
DMT- und Vortex-Sequenz
-
Kurzfilm ENERGIE! mit Audiokommentar von Regisseur Thorsten
Fleisch
-
52-minütige Dokumentation: Durch die Nacht mit Harmony Korine
und Gaspar Noé von Bruce LaBruce
Fazit :
Die technische Bewertung ist ähnlich diskussionswürdig wie der
Inhalt des Films und wird wahrscheinlich größtenteils vom Geschmack
des Betrachters abhängig sein.
Jeder der hier ein knackig scharfes Bild mit plastischer
Tiefenwirkung erwartet, wird bitter enttäuscht sein und sollte
seine Erwartungen herunterschrauben. Dasselbe gilt für den Audio
Part. Genrebedingt geht es hier eher dialoglastig zur Sache, die
Soundeffekte kommen subtil und unspektakulär daher und
surroundmäßig wird nicht viel geboten. Dennoch bleibt festzuhalten
das diese Kriterien nicht dem Transfer geschuldet sind, sondern
ganz allein auf den Stilmitteln des Regisseurs beruhen.
Enter the Void konzentriert sich voll und ganz auf seine optischen
Reize und lässt die Story um Liebe und Tod eher zur Nebensache
werden. Vielmehr präsentiert er sich als experimenteller Trip, als
besonderes Erlebnis, das den Zuschauer mit allerhand Reizen
überflutet und ihn mit seinen ewig langen Kamerafahrten auf eine
Geduldsprobe stellt.
Ein psychisch sowie physisch enorm anstrengender Film, der aber
gerade aufgrund seiner meditativen Wirkung und der innovativen
Bildsprache eine besondere Faszination entwickelt und deshalb noch
lange im Gedächtnis haften bleibt. (ans)
Bewertung :
Story : (9/10)
Bild : (6/10)
Ton : (7/10)
Extras : (6/10)
Kaufempfehlung : 8 von 10
Testgeräte :
TV : Toshiba LCD 52`FZ 355D
BD Player : PS3 60GB
AV Receiver : Pioneer VSX 920
Lautsprecher : Teufel Motiv 6 5.1