My son, my son, what have ye done - Werner
Herzog 2009
Die Erwartungen sind hoch, wenn sich Werner Herzog und David Lynch
zu einem gemeinsamen Projekt entschließen. Die gespannten Cineasten
in ihren heimischen Kinosesseln frohlockten, als die frohe Kunde
sie erreichte. Nicht weniger als ein Meisterwerk erhofften sie
sich. In ihren langen Karrieren hinterließen die beiden
Filmkünstler zahlreiche faszinierende und verstörende Bilder in den
Köpfen der Zuschauer. Wer erinnert sich nicht an das Boot, das
Herzog in
Fitzcarraldo über einen Berg ziehen
ließ. Brutal hämmerte Lynch in
Twin Peaks die tote
Laura Palmer in das Gedächtnis eines geschockten Fernsehpublikums.
Zusammen begaben sie sich an die Adaption eines Gewaltverbrechens.
Herzog übernahm den Regiestuhl und David Lynch produzierte den
Film. Ob es auch
My son, my son, what have ye done
gelingt, einen bleibenden Eindruck in der kollektiven Erinnerung
der Filmfreunde zu hinterlassen, erfahren sie in dem folgenden
Review.
Story
Ein ganz normaler Arbeitstag führt die beiden Detectives Havenhurst
(W. Dafoe) und Vargas (M. Pena) zu einem Einsatz in eine
Wohnsiedlung von San Diego. Mrs. Macallam (G. Zabriskie) wurde auf
grausame Weise mit einem Schwert ermordet. Der Tat verdächtigt wird
ihr Sohn Brad (M. Shannon). Dieser hat sich nach eigenen Angaben
mit zwei Geiseln in seinem Haus verschanzt. So weit, so gut! Zum
Feierabendbier sollte man die Angelegenheit erledigt haben. Doch
weit gefehlt. Der Fall erweist sich schon bald komplexer, als man
zuerst annahm. Brads Verlobte Ingrid (C. Sevigny) und sein
ehemaliger Schauspiellehrer Lee Meyers (U. Kier) verlieren sich in
der Analyse möglicher Tatmotive. Sie berichten von merkwürdigen
Ereignissen bei den Theaterproben von Meyers Inszenierung einer
griechischen Tragödie. Brad übernahm dort die Rolle eines
Muttermörders. Der Fall nimmt immer seltsamere Dimensionen an. Wird
es Havenhurst gelingen das Rätsel zu lösen?
Herzog inszeniert akribisch in grotesk-kafkaesken Rückblenden,
Brads unaufhaltsamen Weg in den Abgrund. Die Hölle hat viele
Gesichter und Formen. Sie ist nicht das tief im Inneren der Erde
verborgene Reich mit lodernden Flammen und lauten Schreien
geplagter Seelen. Oft ist es gerade die quälende Stille, ein
urbaner Horrortrip, der Schritt für Schritt den Pfad in den
Wahnsinn beschreibt. Die Hölle ist in den Köpfen der Menschen
versteckt. Sie verbirgt sich hinter der zerbrechlichen Mauer des
Verstandes. Die Zutaten, um diese zum Einsturz zu bringen, scheinen
noch so unbedeutend zu sein. Die Summe der Ereignisse führt zur
Eskalation. Brads Hölle ist kein Erdloch. Brads Hölle ist zum Teil
ein Alptraum in rosa.
Keine Dämonen, sondern zahlreiche Flamingos und eine Übermutter
sind die Kerkerwächter und Folterknechte seiner fragilen Psyche.
Die einzige Rettung scheint Gott zu sein. Religiöse
Wahnvorstellungen bestimmen sein Handeln. Sie bieten aber keinen
Ausweg. Die griechische Tragödie und die Besessenheit von seiner
Mutter und der späteren Tatwaffe, vermischen sich mit
Gewaltfantasien. Die Wut auf seine Alltagswelt und die Ablehnung
der Welt im Allgemeinen, werden immer stärker. Paranoia macht sich
breit. Herzog skizziert Brads „Entrückung“ durch den völligen
Stillstand seiner Umgebung. Realität und Theater verschmelzen. Als
grausame Konsequenz überträgt er den fiktiven Mord des
Theaterstückes auf die Realität und streckt seine Mutter nieder.
Alle Darsteller ziehen die Zuschauer in ihren Bann. Vor allem
Shannon, der auch noch eine beängstigende Ähnlichkeit mit Charles
Manson aufweist, agiert absolut überzeugend und furchterregend.
Herzog führt dem Publikum schonungslos vor Augen, wie schmal der
Grat zwischen der vermeintlichen „Normalität“ und dem schleichenden
Weg in den Irrsinn sein kann. Herzog gelingt ein faszinierender und
beängstigender Blick in die menschlichen Abgründe.
Bildqualität
-
VC-1 Codec, Auflösung 1080p, Ansichtsverhältnis 1,78:1 / 16:9,
50 GB Blu-Ray.
-
künstlicher Look aufgrund der angewandten Stilmittel und
Farbgebung
-
guter Schwarzwert
-
gute Schärfe und Detailzeichnung, in Flashbacks auch ein
weiches, schwammiges Bild
-
guter Kontrast
-
keine durchgehende Plastizität
-
feines bis teilweise stärkeres Filmkorn
My son, my son, what have ye done präsentiert sich
in einem guten HD-Bild, das aber keine besonderen räumlichen
Aha-Effekte spendiert. Der gewählte Look unterstützt die morbide
Atmosphäre des Plots perfekt.
Tonqualität
Sowohl der Stereoton, als auch der DD 5.1 Ton transportieren solide
den hypnotischen Score. Große Räumlichkeit kann die 5.1 Spur
aufgrund der dialog- und scorelastigen und insgesamt eher
effektarmen Inszenierung allerdings nicht vorweisen. Die
vorhandenen Effekte werden aber kraftvoll und präzise
herausgearbeitet und man erhält einen ordentlichen HD-Ton.
Ausstattung
Das Bonusmaterial fällt sehr überschaubar aus. Der informative
Audiokommentar mit Herzog und Golder sowie das ca. 27 minütige
Making of (HD) sind sehr empfehlenswert. Hier bekommt man viele
Fakten und Erläuterungen, die zur besseren Verständlichkeit der
Geschichte und der Intentionen der Macher beitragen.
Fazit
Die technische Umsetzung bietet eine ideale Symbiose aus Bild und
Ton, die dem Zuschauer ein ums andere Mal einen audiovisuellen
Schlag in die Magengrube versetzt und für ein ordentliches
HD-Erlebnis sorgt. In Sachen Ausstattung knausert der Publisher.
Das Bonusmaterial fällt für diesen Film viel zu spärlich aus.
Herzog und Lynch wollten weg von den großen und teuren
Blockbustern. Eine herausragende Story, die besten Schauspieler und
die beste Musik sollten es sein. Ihnen gelang die Visualisierung
einer Reise in den Wahnsinn. Herzog bietet zwar Motive an. Die
Ursachen für den geistigen Verfall eines Menschen sind aber ebenso
vielfältig wie austauschbar. Havenhursts Feststellung zu Beginn des
Filmes „Manchmal bin ich mir nicht sicher, wer schlimmer ist. Wir
Cops oder die Kriminellen“ klingt wie die Resignation vor der
menschlichen Natur.
Die griechische Mythologie zieht sich wie ein roter Faden durch den
ganzen Film. Eine Schüssel Wackelpudding scheint zur Metapher einer
verzerrten ödipalen Beziehung zu werden. Auf Sophokles folgt der
Muttermörder Orestes. Die Handlungsstränge in Herzogs Werk fordern
den Zuschauer zum Nachdenken auf. Herzog widmet sich der
Darstellung des Wahnsinns, ohne diesen erschöpfend zu erklären.
Allerdings handelt es sich bei seinen Werken um keine leicht zu
verdauende Kost. Wer sich in einen Film von Herzog oder Lynch
begibt, erwartet daher weder ein einfaches Kino, noch eine
anstrengungslose Berieselung. Der Film überzeugt durch seine
gelungene Inszenierung.
My son, my son, what have ye
done verdient sich insgesamt das Prädikat:
Empfehlenswert!
Story: 9/10
Bildqualität: 8/10
Tonqualität: 8/10
Ausstattung: 6/10
Gesamt: 7/10
In der Gesamt-Bewertung wird die
Story nicht berücksichtigt
Kaufempfehlung: 8/10
Die Kaufempfehlung wird
anhand der technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der
Story berechnet.
Testgeräte
Panasonic TH-42PX80E
Philips BDP-7500
Onkyo TX-SR508
Jamo 5.1
"Here I am, brain the size of a planet, and they ask me to take you
to the bridge. Call that job satisfaction, 'cause I don't."
(Marvin, The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy)