Geschrieben: 21 Juni 2010 18:54
Führer oder Frisör?
Nur wenige Filme befassen sich auf
satirischer Ebene mit dem NS-Regime. Durch die schrecklichen
Vorkommnisse der damaligen Zeit, seien es nun Kriegsverbrechen oder
die Zustände in den Konzentrationslagern, wagen es nicht viele,
sich auf humoristische Art diesem Thema zu nähern, denn zu groß ist
die Gefahr, dabei in die Geschmacklosigkeit zu verfallen. Charlie
Chaplin war einer der Wenigen, die sich mit dem Thema wirklich
befasst haben, wobei er einen Vorteil hatte: Sein Film „Der große
Diktator" entstand zu einer Zeit, in der der Holocaust noch nicht
seine volle Grausamkeit entwickelt hatte. Zwar gab es auch in der
damaligen Zeit, der Film entstand zwischen 1935 und 1940,
Verfolgungen beziehungsweise Konzentrationslager und Ghettos, die
volle Wucht der Vernichtungsmaschinerie traf das jüdische Volk aber
erst ab 1942-1943. Trotz alledem konnte Chaplin schon 1938 die
zukünftigen Geschehnisse vortrefflich erahnen und im Film perfekt
verarbeiten, sodass viele Szenen gleichzeitig zum Schmunzeln, als
auch zum Nachdenken anregen. Die Szene marschierender KZ-Insassen,
welche durch den übertrieben dargestellten Stechschritt dem
Vordermann ins Gesäß treten, sorgte für Aufsehen. Chaplin
entschuldigte sich später in seiner Autobiographie für diese Szene,
denn ihm waren die tatsächlichen Umstände in den
Konzentrationslagern zur Zeit der Dreharbeiten nicht bekannt. Das
ganze Ausmaß der Grausamkeiten kam erst später ans Tageslicht, als
die Alliierten im Jänner 1945 die ersten Konzentrations- und
Vernichtungslager befreiten, in denen viele Millionen von Menschen
misshandelt und umgebracht worden waren.Bluray Daten:
Kodierung: h264 - 23,976
fps
Seitenformat: 16:9 – 1,33 :
1
Auflösung: 1920x1080
Sprachen: Deutsch DTS-HD MA 2.0 und
Englisch DTS-HD MA 2.0 (jeweils Mono)
Spieldauer: 125 min
Produktionsjahr: 1940
Link zur IMD: http://www.imdb.de/title/tt0032553
Testgeräte:
Samsung PS58B680
Teufel System 5 THX
HTPC mit Bluraylaufwerk
Inhalt
1918 - der erste Weltkrieg tobt
inzwischen im vierten Jahr und geht langsam seinem Ende entgegen.
Trotzdem kämpfen die Truppen von Tomania (Synonym für
Deutschland/beziehungsweise das Deutsche Reich) weiterhin tapfer
für ihr Vaterland – so auch ein kleiner jüdischer Frisör, welcher
in mehrfacher Hinsicht nicht vom Glück verfolgt ist: Da er in der
militärischen Hierarchie ganz am Ende der Kette steht, bekommt er
meist die ungeliebten Aufgaben, zum Beispiel das Entschärfen einer
Granate beziehungsweise die nicht gerade einfache Bedienung eines
Flugabwehrgeschützes. Noch dazu verirrt sich unser Frisör in
dichtem Nebel und landet plötzlich mitten in den feindlichen
Linien. Durch Glück rettet er jedoch einem tomanischen Flugoffizier
das Leben, verliert allerdings durch diese Aktion sein Gedächtnis
und kommt ins Spital. Inzwischen kommt Anton Hynkel an die Macht,
und schafft ziemlich schnell Demokratie und freie Meinungsäußerung
ab. Als der kleine Frisör aus dem Spital entlassen wird, findet er
eine komplett veränderte Gesellschaft vor: Juden wohnen in
speziellen Ghettos und werden von den Sturmtruppen terrorisiert.
Wie durch ein Wunder trifft er, nachdem er gleich nach seiner
Ankunft im Ghetto mit den Truppen in Streit gerät, auf Kommandeur
Schultz. Dieser erkennt seinen Lebensretter aus dem ersten
Weltkrieg wieder und veranlasst, dass die Bewohner des Viertels in
Ruhe gelassen werden müssen. Als Hynkel jedoch das Geld für seine
Kriegspläne auszugehen droht beschließt er, sich das Geld in Form
von Krediten von den Juden zu holen. In der Hoffnung, das Geld der
reichen Juden zu erhalten, gewährte der Führer diverse
Vergünstigungen für die Juden. Als diese ihm allerdings den Kredit
verweigerten, begann der Terror im jüdischen Ghetto des Frisörs
wieder von vorne.
Der Film war mit einer Spieldauer von
über 2 Stunden, er ist mit einem Budget von 2 Millionen US-Dollar
auch sein bis dahin teuerster. Es ist nicht verwunderlich, dass
Chaplins Filme im deutschen Reich nicht gerade auf Gegenliebe
gestoßen sind und bereits ab 1934 verboten wurden. Man forderte die
USA sogar auf, Chaplin das Drehen von Filmen zu verbieten. Auch in
Amerika war man von „Der große Diktator" alles andere als
begeistert. Erstens war bedingt durch den ersten Weltkrieg eine
gewisse Kriegsmüdigkeit zu spüren und damit auch die einhergehende
Meinung, man solle sich nicht in europäische Angelegenheiten
einmischen, andererseits war der Antisemitismus auch in den
Vereinigten Staaten durchaus nicht unbeliebt. Aufgrund der
schnellen Veränderungen in Europa (das Drehbuch entstand bis 1938,
ab 1939 wurde mit den Dreharbeiten begonnen), schließlich hatte
Hitler bis 1940 Frankreich und die Beneluxstaaten überrollt, wurden
Teile des Drehbuchs immer wieder leicht abgeändert.
Chaplin ist mit diesem kontrovers
diskutierten Werk ein Meilenstein der Filmgeschichte gelungen.
Einige der im Film verbauten Ideen sind später dann auch
tatsächlich so eingetroffen. Die Liebe zum Detail ist beachtlich,
ebenso die schauspielerische Leistung der Darsteller. Viele
Kleinigkeiten wurden absichtlich stark übertrieben dargestellt, so
zum Beispiel der typisch deutsche/tomanische Soldat, der gehorsam
alle Befehle mit „Jawohl" beantwortet. Ebenso ist Chaplin mit der
Namensgebung ein absoluter Volltreffer gelungen. Aus dem späteren
Reichsmarschall des großdeutschen Reiches Göring wurde kurzerhand
Hering, welcher dem Führer immer wieder neue Wunderwaffen
verspricht (schusssicherer Anzug/ revolutionärer Fallschirm/
Giftgas), diese Innovationen zumindest im Film nichts taugen. Die
Rolle des Hermann Görings wurde ebenso gekonnt überzeichnet. So
wagt es Göring niemals, dem Führer zu wiedersprechen, auch als
dieser ihm all seine Orden aberkennt. Ebenso wird er als sehr
tollpatschig und für den Führer als nicht wirklich vertrauenswürdig
dargestellt. Ebenso die Art und Gestik des Führers ist derart
treffend, dass man meinen könnte, Chaplin hätte Hitler jahrelang
vor Ort beobachten können, der Redestil wie auch der Größenwahn
wurden perfekt inszeniert. Ebenfalls auf die zuerst angespannte
Beziehung zwischen Hitler und Mussolini wird gegen Ende des Films
eingegangen und regt doch des Öfteren zum Lachen an. So versuchen
beide Diktatoren den jeweils anderen zu übertreffen, sei es nun die
Sitzhöhe des Stuhls oder auch in der Aufzählung diverser
militärischer Geräte. Die Ankunft des italienischen Führers in
Berlin wurde ebenso treffend dargestellt. Mussolini war vor seinen
militärischen Fehlschlägen ein sehr stolzer Mann, der sich auch von
Hitler nicht einschüchtern lies.Bild
Das im Verhältnis 4:3 präsentierte
Bild hat inzwischen fast 70 Jahre auf dem Buckel. Gerade deshalb
ist es umso erstaunlicher, wie gut hier die Restaurateure
gearbeitet haben. Der Schwarz-Weiß Film weist eine tolle
Durchzeichnung auf. Selbst feine Details wie Steine und
Unebenheiten an Wänden werden sehr gut wiedergegeben. Nahaufnahmen
bekommen das Prädikat „Exzellent" verliehen. Gerade Chaplins
Barthaare, Verschmutzungen des Gesichts oder Hautporen werden
perfekt wiedergegeben. Ebenso sind Gesichtsfalten der Darsteller
immer sichtbar und plastisch. Der Schwarzwert ist durchgehen auf
gutem Niveau. Ein den ganzen Film über leichtes Flimmern ist zwar
zu vernehmen, stört aber nur bedingt. Das immer wieder auftretende
Korn hält sich dezent im Hintergrund. In manchen Einstellungen sind
senkrechte Lichtkegel über Objekten oder Köpfen zu beobachten.
Besonders lobenswert ist die exzellente Schärfe. Nur selten sind
leichte Unschärfen sichtbar, wenn sich zum Beispiel die Kamera von
Objekten oder Darstellern wegbewegt. Selten sind kleinere
Verunreinigungen zu bemerken, die aber kaum Gewicht fallen. Ein
wirklich gelungener Transfer.
Guter Schwarzwert und ein natürlich gehaltener Kontrast zeichnen
das Bild aus.
Auch feine Details wie Steine werden wunderbar
wiedergegeben.
Selbst
feinste Haarsträhnen sind erkennbar.
Selbst
die kleinen Schokoladenstücke im Kuchen sind für den Zuschauer
ersichtlich.
Ton
Es ist schon erstaunlich, wie gut
eine 2.0 Monospur klingen kann. Das normalerweise aus alten Filmen
bekannte Rauschen ist nur selten zu vernehmen. Dialoge sind
überraschend klar und selbst in lauterer Umgebung immer klar
verständlich. Die Filmmusik erinnert stark an alte Heimatfilme,
passt jedoch sehr gut in das Geschehen. Zum Teil werden Handlungen
rhythmisch der Musik angepasst und verstärken dadurch deren
humoristischen Hintergrund. Natürlich ist an Räumlichkeit bei
derartig alten Filmen nicht zu denken. Gerade zu Beginn wird
während Explosionen und Schusswechsel auch der Subwoofer zur Arbeit
gebeten, bleibt aber den Rest des Films über dezent im Hintergrund.
Bedenkt man die damaligen technischen Möglichkeiten, ist die
Tonspur für ihr Alter trotz der Kritikpunkte sehr gut.Fazit
Technisch gibt es wenig Grund zur
Beschwerde. Das Bild ist trotz des hohen Alters exzellent und
stellt die DVD-Ausgabe in den Schatten. Hier sieht man deutlich,
wie gut altes Material manchmal noch verwertet werden kann und vom
Medium Blu-ray Disc profitiert. Als kleiner Kritikpunkt wäre das
stellenweise auftretende Flimmern zu erwähnen. Die Tonspur ist als
gut zu bewerten, die Filmmusik trägt gut zur Unterstützung der
Atmosphäre bei, die Synchronstimmen wirken authentisch und passen
zu den Darstellern. Vor allem während Hynkels Reden, welche in
einer Phantasiesprache aus Englisch und Deutsch gehalten werden,
werden die Grenzen trotz der übertriebenen Darstellung zwischen
Hitler und Chaplin verwischt. Auch wenn die Reden bis auf
Wortfetzen für uns unverständlich bleiben, so vermag man trotzdem
das Thema aufgrund der Handbewegungen beziehungsweise Chaplins
Mimik zu erahnen. Trotz des ernsten Hintergrundes vermag die Story
den Zuseher immer wieder zum Schmunzeln zu bringen, gerade auch
wegen Chaplins gespielter Tollpatschigkeit. Es ist schon
erstaunlich, wie gut sich Chaplin in seine Doppelrolle
hineinversetzen konnte. Das perfekte Spiel zwischen Komik und den
Auswüchsen des Krieges werden perfekt in Balance gehalten. Gerade
auch der Tanz mit dem Globus zeigt, wie nahe Sieg und Niederlage
(Zerplatzen der Weltkugel) beisammen liegen. Ein perfekt
inszenierter Film, welcher den Transfer absolut verdient hat. Eine
absolute Kaufempfehlung an alle Filmfreunde.
Story 10/10
Bild 9/10
Ton 8/10Am Ende noch mein persönlicher Dank
an unseren Plasmaclub Mod RobertKuhlmann, der mich durch sein
eigenes Review auf diesen Film aufmerksam machte.
Geschrieben: 21 Juni 2010 20:16
Klasse Review!
Natürlich schade, dass der Film nur in 4:3 vorliegt, aber bei dem
Alter ist es verständlich...
Gruß Dennis!
Geschrieben: 21 Juni 2010 20:23
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naiboo is back!
Vielen Dank für das schöne Review. Hab die UK Disc auch schon hier
und die wird bald mal eingelegt. Nach dem Review freue ich mich
definitiv drauf. Toller Klassiker.
Geschrieben: 21 Juni 2010 21:14
tolles review, hab den film auch schon gesehen. kann ich so absolut
unterschreiben. aus einem 70 jahre alten film das best-mögliche
rausgeholt
Geschrieben: 21 Juni 2010 21:48
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Merci - deine Reviews hätten eine Provisionierung verdient :thumb:
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Geschrieben: 21 Juni 2010 22:27
gelöscht
Hallo Patrick_Star !
Deine Reviews gefallen mir sehr gut. Immer sauber gestaltet und auf
den Punkt gebracht. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und hoffe
auf weitere schöne Reviews.
Danke! :)
Geschrieben: 22 Juni 2010 09:40
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Sehr schönes Review, besten Dank dafür.
Ich freue mich vor allrm darauf, den Film mal im O-Ton zu sehen,
kannte ihn bisher nur aus dem Fernsehen. Da geht doch wie immer
einiges an Nuancen verloren, z.B. heisst der Goebbels-Charakter im
Original "Garbitsch" (== garbage) und dergleichen mehr.
Geschrieben: 22 Juni 2010 15:01
Blu-ray Starter
Aktivität:
Hallo Patrick_Star,
Charles Spencer Chaplin jr. stammte nicht aus jüdischen
Verhältnissen.
Da er aber die Nationalsozialisten und insbesondere deren
Antisemitismus hasste, widersprach er dem - von den Nazis
gestreuten Gerücht - er sei Jude, nicht und solidarisierte sich
dadurch mit dem jüdischen Volk.
Das nur zur Berichtigung. Ansonsten natürlich volle Zustimmung -
ein absolutes Meisterwerk!
Dietmar
Geschrieben: 22 Juni 2010 15:16
Zitat:
Zitat von Knödelkämpfer
Hallo Patrick_Star,
Charles Spencer Chaplin jr. stammte nicht aus jüdischen
Verhältnissen.
Da er aber die Nationalsozialisten und insbesondere deren
Antisemitismus hasste, widersprach er dem - von den Nazis
gestreuten Gerücht - er sei Jude, nicht und solidarisierte sich
dadurch mit dem jüdischen Volk.
Das nur zur Berichtigung. Ansonsten natürlich volle Zustimmung -
ein absolutes Meisterwerk!
Dietmar
Vielen Dank für deine Info - wieder etwas gelernt! :):thumb:
Geschrieben: 22 Juni 2010 15:31
Schönes Review Matthias... werde mir den Film mal vormerken.
Danke!