Die verlorene Ehre der Katharina
Blum
(aka The Lost Honor of Katharina
Blum)
![Die-verlorene-Ehre-der-Katharina-Blum.jpg](https://bluray-disc.de/files/filme/Die-verlorene-Ehre-der-Katharina-Blum.jpg)
Anfang der 70er Jahre wollte das damalige Ehepaar Margarethe von
Trotta und Volker Schlöndorff sich an die Verfilmung von Heinrich
Bölls Roman „Gruppenbild mit Dame“ wagen. Das Projekt scheiterte,
da sich keine Geldgeber fanden. Auf der Suche nach einer
Alternative wurden sie dann auf Bölls 1974 erschienenes Drama „Die
verlorene Ehre der Katharina Blum“ aufmerksam.
Für Trotta und Schlöndorff sollte dies der erste Film nach einem
Werk eines noch lebenden Autors werden.
Inhalt
Während einer Party macht die brave Angestellte Katharina Blum die
Bekanntschaft von Ludwig Götten. Man kommt sich näher und verbringt
die Nacht zusammen. Am nächsten Morgen, Götten hat mittlerweile
bereits Blums Wohnung verlassen, steht ein Sondereinsatzkommando
der Polizei vor der Tür: Katharina Blum erfährt, dass ihr
nächtlicher Gast ein gesuchter Terrorist ist.
Die Presse, allen voran das Boulevard-Blatt „Die ZEITUNG“, bekommt
Wind von der Sache. Der Journalist Tötges startet eine ganze Reihe
von reißerischen Artikeln, in denen Blum als Gangster-Lieblichen
und Terroristen-Komplizin dargestellt wird. Nicht nur Katharina
Blum selber, auch ihre Verwandten und Vertrauten, darunter ihre
todkranke Mutter, werden von Tötges bedrängt und in der ZEITUNG
bloßgestellt.
Die 70er Jahre waren in Deutschland geprägt durch den Terror der
„Rote Armee Fraktion“, kurz RAF. Bezug nehmend auf RAF-Mitglied
Ulrike Meinhof veröffentliche Heinrich Böll Anfang 1972 im Spiegel
ein berühmt gewordenes Essay unter dem Titel „Will Ulrike Gnade
oder freies Geleit?“. Hierin äußerte sich Böll kritisch über die
Praktiken der Bild-Zeitung in Zusammenhang mit der
Berichterstattung über RAF-Aktionen. Die Antwort ließ nicht lange
auf sich warten: Mit ihrer Macht schlug die Bild zurück und rückte
Böll in den Kreis von RAF-Sympathisanten.
Heinrich Böll, sonst ein ruhiger und friedlicher Mensch, fühlte
sich angegriffen und schrieb daraufhin sein Drama „Die verlorene
Ehre der Katharina Blum“, in welchem er zwar den Namen der Zeitung
nicht nennt, im Nachwort jedoch klar macht, dass Ähnlichkeiten zur
Bild schlicht unvermeidlich sind.
Anders als das Buch, welches mit Katharina Blums Erscheinen auf der
Polizeiwache und ihrem Geständnis beginnt und dann in einer
Rückblende das Geschehene erzählt, ist der Film chronologisch
aufgebaut. Dadurch dauert es vergleichsweise lange, bis dem
Zuschauer der Kern der Handlung klar wird.
Im Großen und Ganzen handelt es sich bei dem Film um einen
typischen Vertreter des intellektuell-anspruchsvollen deutschen
Kinos der 70er (und 80er) Jahre. Dementsprechend darf man hier
keine Actioneinlagen wie beispielsweise in der RAF-Verfilmung „Der
Baader-Meinhof-Komplex“ erwarten. Überwiegend durch Dialoge wird
die Handlung vorangebracht. Die Szenen mit „Verfolgungsjagden“
wirken demgegenüber unfreiwillig komisch - das Quietschen der
Reifen erinnert an nachträglich vertonte Slapstick-Stummfilme der
20er Jahre.
Nichtsdestotrotz hat der eigentliche Gegenstand der Handlung nichts
von seiner Aktualität und Wahrhaftigkeit verloren. Noch immer ist
die Zeitung mit den großen Buchstaben ebenso meinungsbildend wie
manipulativ, und seit dem 11. September 2001 wird gerade durch
manche Politiker eine Terrorpanik geschürt, wo man sich fragt: „Cui
bono?“ (Wem nutzt es?)
Bild
Beim Bild stellen sich immer ein paar grundsätzliche Fragen:
Bewertet man ein Bild schlecht, weil es nicht in 16:9 oder im
Breitbildformat vorliegt? Bewertet man ein Bild schlecht, weil es
schwarzweiß ist? Bewertet man ein Bild schlecht, weil es, der Natur
der Sache entsprechend, eine sichtbare Körnung aufweist?
Nur, wenn man alle diese Fragen mit „nein“ beantwortet, kann man zu
einer fairen Bildwertung auch für altere Filme und Produktionen mit
niedrigerem Budget kommen.
Und genau so muss man an „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“
herangehen: Bei einem Vergleich mit aktuellen Blockbustern kann
dieser Film nur verlieren, aber eine Bewertung sollte stets
beurteilen, ob die Blu-ray das Optimum aus der Vorlage
herausholt.
Nun aber zur Sache: Das Bild liegt im angeblichen Originalformat
1,66:1 vor und wurde MPEG4/AVC-codiert. Angeblich deshalb, weil zu
Beginn bei den Titeleinblendungen ein Name leicht am unteren
Bildrand abgeschnitten ist. Ob dieser Fehler schon in der Vorlage
bestand, beim Transfer passiert ist oder sich eventuell auch nur
auf den Vorspann beschränkt, ist nicht zu klären - im weiteren
Verlauf fallen zumindest keine fehlenden Bildinhalte auf.
Die Vorspannsequenz ist dann auch der größte Schwachpunkt des
ganzen Films. Durch die Überlagerung der beiden Filme (Titel und
Namen sowie die Handlung im Hintergrund) sind etliche
Verschmutzungen sichtbar, die bereits in der Originalvorlage
vorhanden waren und sich daher nur schlecht herausretuschieren
lassen. Ähnliche Defizite sind beispielsweise auch bei den
Raumschiff Enterprise-Folgen (Beamersequezen) sichtbar. Im übrigen
Filmverlauf sind jedoch nur seltentst Verschmutzungen und ähnliche
Probleme zu bemerken - ein oder zweimal blitzt kurz ein
Laufstreifen auf, der dann aber schnell wieder verblasst.
Vermutlich aufgrund des verwendeten Filmmaterials ist die meiste
Zeit eine mehr oder weniger deutliche Körnung sichtbar. Während das
in den vielen hellen Szenen kaum auffällt und dem Ganzen einen
filmischen Look verleiht, ist das Graining in einigen dunklen
Szenen schon manchmal störend und verschluckt dabei so manches
Detail. Die Komprimierung verhält sich beim bewegten Bild
unauffällig und bildet die Körnung gut ab. Bei Standbildern fällt
dennoch auf, dass in manchen Bereichen kleine Blockartefakte zu
sehen sind.
Insbesondere Nahaufnahmen zeigen eine Vielzahl von Bilddetails,
aber auch sonstige Einstellungen können durchweg überzeugen.
Richtige Ausrutscher im Sinne von schlecht fokussierten Szenen gibt
es nicht.
Das größte Defizit sind aber die Farben. So ist die Farbpalette
zwar insgesamt sehr ansprechend und gibt die Wirklichkeit der 70er
Jahre ordentlich wieder, allerdings ist häufig eine leichte
Violettfärbung zu beobachten. Dies fällt speziell bei Hauttönen
auf, die dadurch unnatürlich wirken. Diese Einfärbung ist jedoch
nicht während des gesamten Films vorhanden oder zumindest nicht
auffällig.
Ton
Beim Ton stellen sich ähnliche Fragen wie beim Bild: Muss ein Film
für eine gute Bewertung über Mehrkanalton verfügen? Und wenn ja,
muss es dabei auch so richtig krachen?
Weder das eine noch das andere ist hier - verständlicherweise -
gegeben. Trotzdem wäre es ein Fehler, dem Ton deswegen die ihm
zustehenden Punkte zu versagen, denn die deutsche Tonspur
(Synchronfassungen sind nicht vorhanden) liegt im verlustfreien
Format DTS-HD Master Audio 2.0 vor, wobei der Original-Mono-Ton auf
die beiden Frontkanäle verteilt wurde.
Abgesehen von der Tatsache, dass hier wie gesagt kein Mehrkanalton
vorhanden ist, gibt es nur wenig zu bemängeln. In manchen Szenen
sind die Sprecher leicht am Zischeln, da sich dies aber auf einige
Darsteller beschränkt, könnte das ihrer natürlichen Sprechweise
entsprechen.
Dialoge sind sehr gut verständliche (wichtig!), ein Rauschen oder
Knacksen in der Tonspur ist nicht auszumachen. Die Dynamik wird nur
selten gefordert, stellt aber in der Szene, als Katharina Blum ihre
Wohnung verwüstet, unter Beweis, dass es auch hier nichts zu
Bemängeln gibt.
Es gibt auch aktuelle Vertreter auf Blu-ray, wie z.B. „No Country
for Old Men“ oder „Zeiten des Aufruhrs“, die tonal nicht wesentlich
mehr zu bieten haben und trotzdem wegen ihrer unzweifelhaft
vorhandenen (Audio-)Qualitäten entsprechende Wertungen
erhalten.
Extras
Wie alle Digibooks der StudioCanal-Collection bietet auch „Die
verlorene Ehre der Katharina Blum“ ein Booklet mit einem Essay zum
Film. Darin schreibt Autor Willi Winkler, Journalist bei der
Süddeutschen Zeitung und Kenner der RAF, vor allem über eben diese
sowie die Annäherung des Autors und der Filmemacher an das Thema.
Zeitgeschichtlich interessant, wird aber nur wenig über den Film
verraten.
Als Haupt-Extra ist auf der Blu-ray die Dokumentation „Erinnerungen
von Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta und Eberhard
Junkersdorf“ vorhanden. Ausführlich berichten darin Schlöndorff
(Regisseur und Autor), von Trotta (Co-Regisseurin und Autorin) und
Junkersdorf (Produzent), wie es zur Entstehung des Films kam und
wie sich die Zusammenarbeit mit Heinrich Böll gestaltet hat. Für
jeden, der mehr erfahren will, sind diese Interviews ein
Muss.
Dann findet sich noch Schlöndorffs Kurzfilm „Die verschobene
Antigone“, in welchem ebenfalls Angela Winkler die Hauptrolle
spielt und der Teil des 1978 erschienenen, collagenartigen
Spielfilms „Deutschland im Herbst“ ist. Dieser semidokumentarische
Film beschäftigte sich mit dem Terror der RAF im Jahr 1977 und war
namensgebend für den Begriff „Deutscher Herbst“.
Fazit
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ist kein leichter Film.
Eine gewisse historische Bewandertheit wird dem heutigen Zuschauer
abverlangt, obwohl die Aussage in ihrem Kern zeitlos ist. Dabei
muss man sich Zeit nehmen, um diesen Kern zu ergründen, denn wie
bereits oben geschrieben, braucht es durch die Umstellung der
Romanhandlung eine Weile, bis der Film sein Hauptanliegen
thematisiert.
Technisch entspricht die Blu-ray weitestgehend dem, was man von
einem solchen Film erwarten kann, aber sicher nicht dem, was man
von einer aktuellen Hollywood-Produktion erwartet. Bild und Ton
sind sauber aufgearbeitet worden, es ist fraglich, ob es jemals
eine bessere Version geben wird, da die Nachfrage nach solchen
Werken doch eher gering sein dürfte.
Die Extras runden den Hauptfilm sehr gut ab und stellen eine
gelungene Ergänzung dar, es wäre aber sicher noch mehr
Hintergrundmaterial drin gewesen.
Insgesamt eine ansprechende Veröffentlichung.
Wertung
Film 6/10
Bild 7/10
Ton 8/10
Extras 6/10
"Die schärfsten Kritiker der Elche waren
früher selber welche."
(F. W. Bernstein)