Geschrieben: 17 Okt 2009 22:29

Gesperrt
Blu-ray Profi
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"Sieben Leben" scheint ja dem Drehbuchautor, dem Regisseur und vor
allem dem Cutter sehr nah gegangen zu sein - und natürlich auch
vielen Zuschauern.
Ich möchte hier aber mal eine andere Sicht auf die Geschichte, die
der Film erzählt, zur Diskussion stellen.
Ich zweifel inzwischen ein wenig an der Moral der Hauptfigur, bzw.
kann ich mich mit ihrer Vorgehensweise nicht identifizieren. Der
Film fokussiert darauf, dass die Hauptfigur Tim großen Wert darauf
legt, dass nur "gute Menschen" von seinem Vorhaben profitieren,
sein Hab und Gut und schließlich sein Leben übereignet zu bekommen.
Er selbst macht sich dabei zum Richter über seine Mitmenschen, die
er in zwei Kategorien einteilt: Einige haben seine "Hilfe"
verdient, andere nicht; sind es also nicht wert weiter zu
leben.
Auf den ersten Blick wendet er Moralvorstellungen für die
Kategorisierung an, mit denen wir uns schnell einverstanden
erklären können - aber nur auf den ersten Blick.
Mein Eindruck ist vielmehr, dass Tim nichts weiter als einen
komplizierten Selbstmord begeht, weil er mit seiner Schuld nicht
fertig wird. Er muss die Selbstopferung sich selbst gegenüber
rechtfertigen, indem er "gute Menschen" gezielt von seinem Tod
profitieren lassen möchte.
Was im Film aber überhaupt nicht zur Sprache kommt, sind die
Menschen, die durch die Egozentrik von Tim nicht in den "Genuss"
von seinen Spenderorganen kommen. Und das nur, weil Tim entschieden
hat, diese Empfänger selbst auszusuchen.
Wer sich aber selbst zum Herren über Leben und Tod anderer erhebt,
steht im Verdacht nicht moralisch, zumindest aber nicht human zu
handeln.
Ich weiß, dass dieser Film nicht den Anspruch erhebt, den
Standpunkt von Tim zu verteidigen oder als einzig richtigen
darzustellen. Es geht mir darum aufzuzeigen, dass bei aller
Emotionalität des Films, ein Denken über die Motivation der
Hauptfigur hinaus stattfinden könnte, die sie in einem ganz neuen
Licht erscheinen lässt, das sie weder glorreich, noch heroisch oder
auch nur moralisch einwandfrei erscheinen lässt.
Gruß
Robert
Geschrieben: 18 Okt 2009 12:37

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Fox mit weiteren Blu-ray
Veröffentlichungen im
Mai und Juni 2009
Bedankte sich 71 mal.
Wir "bewerten" unsere Mitmenschen doch immer mit unseren
moralischen Maßstäben, eine andere Möglichkeit haben wir eigentlich
nicht. Von daher finde ich den Weg den die Hauptfigur wählt ganz
natürlich.
Denkbar wäre sicher auch eine Auswahl nach rein medizinischen
Gesichtspunkten gewesen - sprich: wer braucht das Organ gerade am
nötigsten. Aber welches Thema hätte der Film dann haben
sollen?
Zitat:
Wer sich aber selbst zum Herren über Leben und
Tod anderer erhebt, steht im Verdacht nicht moralisch, zumindest
aber nicht human zu handeln.
Er hätte sich ja auch einfach in der Badewanne die Pulsadern
aufschneiden oder sich sich vor einen Zug werfen können, ohne seine
Organe zu spenden. In diesem Fall trifft er keine Auswahl - nach
welchen Kriterien auch immer. Wäre das humaner gewesen?
Geschrieben: 18 Okt 2009 13:31

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Zitat:
Zitat von RobertKuhlmann
"Sieben Leben" scheint ja dem Drehbuchautor, dem Regisseur und vor
allem dem Cutter sehr nah gegangen zu sein - und natürlich auch
vielen Zuschauern.
Ich möchte hier aber mal eine andere Sicht auf die Geschichte, die
der Film erzählt, zur Diskussion stellen.
Ich zweifel inzwischen ein wenig an der Moral der Hauptfigur, bzw.
kann ich mich mit ihrer Vorgehensweise nicht identifizieren. Der
Film fokussiert darauf, dass die Hauptfigur Tim großen Wert darauf
legt, dass nur "gute Menschen" von seinem Vorhaben profitieren,
sein Hab und Gut und schließlich sein Leben übereignet zu bekommen.
Er selbst macht sich dabei zum Richter über seine Mitmenschen, die
er in zwei Kategorien einteilt: Einige haben seine "Hilfe"
verdient, andere nicht; sind es also nicht wert weiter zu
leben.
Auf den ersten Blick wendet er Moralvorstellungen für die
Kategorisierung an, mit denen wir uns schnell einverstanden
erklären können - aber nur auf den ersten Blick.
Mein Eindruck ist vielmehr, dass Tim nichts weiter als einen
komplizierten Selbstmord begeht, weil er mit seiner Schuld nicht
fertig wird. Er muss die Selbstopferung sich selbst gegenüber
rechtfertigen, indem er "gute Menschen" gezielt von seinem Tod
profitieren lassen möchte.
Was im Film aber überhaupt nicht zur Sprache kommt, sind die
Menschen, die durch die Egozentrik von Tim nicht in den "Genuss"
von seinen Spenderorganen kommen. Und das nur, weil Tim entschieden
hat, diese Empfänger selbst auszusuchen.
Wer sich aber selbst zum Herren über Leben und Tod anderer erhebt,
steht im Verdacht nicht moralisch, zumindest aber nicht human zu
handeln.
Ich weiß, dass dieser Film nicht den Anspruch erhebt, den
Standpunkt von Tim zu verteidigen oder als einzig richtigen
darzustellen. Es geht mir darum aufzuzeigen, dass bei aller
Emotionalität des Films, ein Denken über die Motivation der
Hauptfigur hinaus stattfinden könnte, die sie in einem ganz neuen
Licht erscheinen lässt, das sie weder glorreich, noch heroisch oder
auch nur moralisch einwandfrei erscheinen lässt.
Gruß
Robert
Hallo
Robert,
ich
kann Deine Ansicht teilen. Direkt nach dem Film kamen mir ähnliche
Gedanken, aber so sind die Menschen nunmal. Ich fand den Film
trotzdem gut, aber würde ihn kein zweites Mal
anschauen.
Grüße. Irmy.
Geschrieben: 18 Okt 2009 15:35

Gesperrt
Blu-ray Profi
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Zitat:
Zitat von Sam Gamdschie
Wir "bewerten" unsere Mitmenschen doch immer mit unseren
moralischen Maßstäben, eine andere Möglichkeit haben wir eigentlich
nicht. Von daher finde ich den Weg den die Hauptfigur wählt ganz
natürlich.
Denkbar wäre sicher auch eine Auswahl nach rein medizinischen
Gesichtspunkten gewesen - sprich: wer braucht das Organ gerade am
nötigsten. Aber welches Thema hätte der Film dann haben
sollen?
...
Du sagst es. Der Film ist ja auch nicht schlecht, sondern regt zum
nachdenken an. So etwas schätze ich an Filmen sehr. Es kommt mir ja
nicht darauf an, ob dort alle meine Ansichten wiedergegeben werden.
Viel spannender ist es, wenn man was zum grübeln und diskutieren
hat.
:)
Gruß
Robert
Geschrieben: 18 Okt 2009 15:37

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Blu-ray Profi
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Zitat:
Zitat von Pandora
Hallo
Robert,
ich
kann Deine Ansicht teilen. Direkt nach dem Film kamen mir ähnliche
Gedanken, aber so sind die Menschen nunmal. Ich fand den Film
trotzdem gut, aber würde ihn kein zweites Mal
anschauen.
Grüße. Irmy.
Ich werde ihn sicher noch ein paar mal anschauen und ja, ich fand
ihn auch sehr gut. :thumb:
Geschrieben: 19 Okt 2009 17:12

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Fox mit weiteren Blu-ray
Veröffentlichungen im
Mai und Juni 2009
Bedankte sich 71 mal.
Ja, zum Nachdenken regt der Film durchaus an. Wobei man ihm
vorwerfen könnte dass die Story schon recht konstruiert wirkt. Ich
weiß nicht ob ich auf so eine Idee käme, würde ich solche
Schuldgefühle mit mir herumschleppen und Selbstmordabsichten
haben.
Ich selbst besitze einen Organspendeausweis, angeregt durch einen
Fall im Freundeskreis. Ich käme aber nicht auf die Idee mich zu
fragen ob ein potenzieller Empfänger - sollte es mal dazu kommen -
das auch verdient hat. Ich habe ohnehin keine Möglichkeit das
irgendwie zu überprüfen.
Geschrieben: 19 Okt 2009 17:56

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Zitat:
Zitat von Sam Gamdschie
...Ich habe ohnehin keine Möglichkeit das irgendwie zu
überprüfen.
...und das ist auch gut so.
Sieben Leben spielt halt mit der Idee, wie es wäre, wenn man es
doch steuern könnte.
Im übertragenen Sinne könnte man auch darüber nachdenken, was man
eigentlich mit einem Vermögen anfangen würde, dass einem plötzlich
zufällt; unter der Annahme, dass es viel zu groß ist um noch
irgendwie sinnvoll für einen selbst ausgegeben zu werden. Bereits
da fängt sehr schnell die Unterteilung der Gesellschaft an, in
jene, die Hilfe verdient und solche die sie nicht verdient haben,
nach den eigenen wohlfeilen Maßstäben. Wer sich die Zeit nimmt, ein
solches Gedankenexperiment durch zu spielen, wird so manche
Überraschung erleben und bei genügend sozialer Kompetenz und
Intelligenz ganz neue Seiten an sich entdecken.