Soooooooo liebe Leser, ich bin grad frisch aus dem Kino zurück und
meine Güte muss ich jetzt meine Gefühle irgendwie in Worte fassen.
Zu allererst aber mal der Hinweis das
@Garibaldi einen anderen Film als ich gesehen
habe muss. Klar Meinung und eigenes Gefühl. Aber irgendwie dachte
ich mir, das der Film doch niemals so kacke sein kann. Und nein.
Das hier ist Kino. Das hier ist Cineastic in Reinstkultur. Für
genau solche Filme wurde Kino vor über 100 Jahren erfunden. Das
hier ist ganz ganz hohe Filmkunst aus dem oberen Regal. Und ich
sag's direkt vorab (und ihr wisst ich bin kein Jubelkasper): das
hier ist der Film des Jahres gewesen. Neben
Deadpool &
Wolverine die beide natürlich schwerlich zu vergleichen
sind und ich hoffe das er bei den Oscars bedacht wird. Das hier ist
ein 10/10 Film.
Und jetzt mal im Detail. Man MUSS Bock auf den Film haben. Man MUSS
wissen worauf man sich einlässt. Und man MUSS schonungslose Western
mögen. Das ist kein Film á la "lass mal was in den Player schmeißen
und uns berieseln". Nein das hier ist ein Monumentalfilm im 1. Akt,
was klar direkt beim Titel angezeigt wird. "Kapitel 1". Und nein
wir reden hier nicht von Tarantino Kapiteln innerhalb eines Films.
Wir reden hier von Kapitel 1 als der erste Film über 181 Minuten
(inkl. Abspann). Und trotzdem hab ich nicht einmal auf die Uhr
geschaut oder fand ihn langweilig oder das er Längen hat. Eben das
was manche Kritiker dem Film vorwerfen und ich dem Film vorwerfen
würde, wenn ich heute keine Lust auf den Film gehabt hätte. Der
Film steht und fällt mit der ganz persönlichen Einstellung an dem
Tag wo man ihn schaut und wie vielleicht auch persönlich der Tag
gelaufen ist. Hat man Bock drauf, dann catcht der Film einen sofort
und als ich realisierte das nun übergangslos der vielzitierte
Ausblick auf die weiteren Teile da läuft, war ich ein wenig
traurig. Ich hätte locker noch ein oder zwei Stunden länger der
Handlung folgen können. Aber ja, es ist ein sehr langsamer und
gemächlicher Film, der viel zeigt und erzählt und vor allem eine
schiere Flut an Schauspielern hat. Lange nicht mehr so viele
genannte Schauspieler im Abspann gesehen. Und das merkt man im
Film. Was nicht heißt, das er keine spannenden Szenen oder sogar
Action hätte. Ganz im Gegenteil. Er hat einige temporeiche Szenen.
Aber eben dann auch wieder das melancholisch langsame mit sehr viel
Text und einfach wunderschönen Szenenbildern.
Wir alle wissen mittlerweile das der Film in verschiedenen
Handlungssträngen erzählt wird. Dafür brauchst Du viele Charaktere
und Namen und auch das muss einem gefallen. Es gibt nicht den
Hauptdarsteller. Es gibt nicht die zwei, drei, vier tragenden
Charaktere mit denen man mitfiebert. Hier sind es eher 10 oder
sogar 20 Schauspieler denen man durch die Handlungen folgt und die
man sich merken muss. Das hier nicht das goldene M. Das hier ist
das Sterne-Restaurant wo man sich ein Kobe-Rind gönnt. Und eben
jenes schlingt man ja auch nicht einfach so runter.
Was mich überraschte war wie wenig wir Costner selber sehen. Er
taucht erst nach genau einer Stunde auf und seine Handlungsstrang
entfaltet sich noch nicht komplett. Und wisst ihr was? Das ist
völlig egal. Mich hatten in der Zwischenzeit so viele andere
Figuren abgeholt, das mir Costner sogar recht egal war. Klar wenn
man ihn dann sieht, dann hat er eine ungeheure Leinwandpräsenz und
es macht natürlich Spaß ihn zu sehen. Aber er ist nur die Kirsche
auf der Torte und der Film würde auch ohne bzw. seinem Charakter
wunderbar funktionieren. Einziger Kritikpunkt hier: die neue
deutsche Synchro. Bernd Vollbrecht versucht sein möglichstes seine
bekannt markante Stimme zu erzeugen. Aber er ist nun mal nicht der
seit jahrzehnten bekannte Frank Glaubrecht. Zuschauer die im O-Ton
schauen betrifft das nicht. Mir, der seit der Kindheit mit Frank
Glaubrechts Stimme aufgewachsen ist, fällt das natürlich direkt auf
und es stört mich. Aber das selbe haben wir ja auch schon bei
anderen markanten und jahrzehntelang etablierten Stimmen gehabt.
Ich sag nur Arnie oder Johnny Depp.
Als nächstes muss ich natürlich den großen Star des Films loben,
welcher den Oscar verdient hat. Die Bildsprache. Meine Fresse sieht
Amerikas weite Wildnis geil aus. Egal ob die verschneiten Berge von
Montana und Wyoming oder die weiten Prärien von Kansas. Ja die
verschiedenen Handlungen spielen in völlig unterschiedlichen
Bundesstaaten die eingeblendet werden. Es ist eine Wonne diese
Landschaftsaufnahmen zu sehen und leider (hier mein zweiter
Kritikpunkt) wurde ein Bildformat verwendet, was nicht die gesamte
Leinwand ausgefüllt hat. Wahrscheinlich Standard 16:9 anstatt 21:9.
Und meine Güte wie würde der Film wohl auf 70mm aussehen. Costner
zeigt hiermit das er Western einfach kann.
Dazu dann der geniale Audioscore. Die Klänge der Musik die mal
dramatisch und dann wieder sanft und ruhig ist. Ganz ganz groß und
es beweist das es nicht immer ein Hans Zimmer oder John Williams
sein muss.
Was kann ich sonst noch schreiben? Was mir richtig gut gefiel ist
die Härte des Films. Jetzt nicht die paar expliziten Szenen beim
scalpen. Sondern insgesamt das hier keine Western-Romantik gezeigt
wird, sondern der realistische und dreckige Wilde Westen. Ein
Siedlertrek war nun mal kein Ponyhof. Da gings jeden Tag ums nackte
überleben. Und nein die Indianer waren keine braven Ureinwohner.
Das waren raue Völker die ihr Territorium mit allen Mitteln
verteidigten und dabei natürlich auch angriffen. Und der weiße Mann
war nicht der heroische Cowboy mit Colt und 12-Uhr-Duell und sowas.
Wir haben die Indianer abgeschlachtet und die Indianer uns. So
einfach ist das und das wird gezeigt. Es gibt keine Helden im
Western. Nur Menschen die täglich ums nackte Überleben kämpften.
Und wenn da gewartet wird bis die Krieger-Indianer überm Hügel weg
sind um deren Squaws, für ein paar Scalps, abzuschlachten (um sie
zu verkaufen) dann war das einfach so. Genauso wie die Indianer die
Siedler abgeschlachtet haben, weil sie sich auf deren Land breit
machten. Es gibt da eine schöne Szene wo die Apachen untereinander
das durchdiskutieren. Der Häuptling hat an der Stelle den Weitblick
und weiß das der weisse Mann nicht verschwinden wird nur weil man
ein paar Siedler tötet. Aber aus der Szene wird auch klar, wie sehr
das Volk drunter leidet, das die Siedler sich genau an diesem Fleck
Land niederlassen (Tiere rasten nicht mehr, dadurch keine
Jagtgründe mehr, dadurch Streitigkeiten mit befeindeten Stämmen).
Und das fängt Costner perfekt ein. Das Beleuchten beider Seiten und
deren Motivation. Genauso natürlich der raue Umgang untereinander.
Du hast halt die meuchelenden Banditen bzw. den Banditenclan,
welcher die eigene Frau über hunderte von Kilometern jagt um Rache
zu üben. Und wenn man mit nem Colt eins übergebraten bekommt ist
man Tod. Nicht verletzt. Nicht ausgeknockt. Tod! So wie im echten
Leben auch und nicht im romantischen Hollywood, wo man sich nur
kurz an den Hinterkopf fasst und es weiter geht. Dafür gibts die
Karl May oder John Wayne Western. Das ist verklärte
Hollywood-Romantik. Bei
Horizon handelt es sich um
einen rauen Western und niemand von uns hätte gerne in dieser Zeit
gelebt. Das fängt halt bei der Körperhygiene schon an. Wird auch
mehrmals im Film thematisiert und gehört zum World Building
dazu.
Zum Cast gibts ansonsten nicht viel zu sagen. Das who is who
Hollywoods hat Costner da um sich geschart und viele
Yellowstone-Buddies sind auch dabei. Und sie machen alle Spaß. Die
größeren, wie auch die kleineren Rollen.
Tja, wie eingangs schon erwähnt, könnte ich nun sofort
Teil
2 weiter schauen, so sehr hat mich dieser Film in seine
Welt reingezogen. Und ich bin so froh das wir schon im November
weiterschauen können. Was mich allerdings überraschte ist, das
viele Szenen aus den Trailern gar nicht aus
Teil 1
sind, sondern erst in den kommenden Filmen kommen werden. Auch war
es wirklich sehr überraschend das die letzten zwei Minuten nicht
wirklich aus einem Trailer bestanden, sondern aus einem
Zusammenschnitt von Szenen was uns weiter erwarten wird. Also eine
richtige Preview. Hier gabs keine Klarung Trennung wann der Film
aufhört und die Vorschau anfängt. Gewagt und unüblich, aber
irgendwie ein geiles Stilmittel. Bei
Matrix
Reloaded und
Fluch der Karibik 2 haben
sie sowas ja erst nach dem Abspann gemacht. Was natürlich nur jetzt
funktioniert und nicht wenn man den Film dann als Saga im Heimkino
komplettiert anschaut. Bin gespannt ob das auf Dauer nicht sogar
fürs Heimkino rausgeschnitten wird. Ansonsten ist das kein Film den
man schnell nochmals sehen kann. Dafür ist er dann doch zu lang.
Ich würde jetzt zum Beispiel nicht zur Einstimmung auf
Teil
2, vorher nochmal den ersten Teil schauen wollen. Aber
hoffe drauf das ich in ein paar Jahren alle vier Filme
hintereinander (je ein oder sogar zwei Filme pro Tag) als
komplettierte Saga mir anschauen werden kann. Es ist ja noch nicht
klar wie es nach
Teil 2 dann weiter geht.
Teil 3 wird kommen. Aber ob noch im Kino ist
fraglich. Und ob
Teil 4 jetzt noch genauso
umgesetzt wird wie geplant, oder ob man hier budgetmäßig abspeckt
und eben nicht mehr alle Ideen umsetzt, ist aktuell auch noch nicht
ganz klar.
Und nun zu den Publikumsreaktionen. Wir saßen mit 9 Leuten im Kino.
Meine Begleitung fand den Film stinklangweilig und wird sich
Teil 2 nicht mehr anschauen. Sie findet aber auch
die komplete
Herr der Ringe Trilogie stink
langweilig weil die alle nur von A nach B maschieren.

Grundsätzlich fand sie den
Film gut (also sehenswert) aber sie kam nie wirklich in die
Handlung rein und monierte das zu wenig passieren würde. Sie hat
also sehr viele Längen gefühlt. Tja und dann gabs nen älteres Paar
(insgesamt war alle 9 Personen älter und ich bin Anfang 40 eher
noch der Jüngste) in unserer Sitzreihe, wo mit Einsetzen des
Abspanns nur kam: "was ein scheiß". Das bestätigt mich in meiner
Vermutung auch von weiter oben, das man sich auf den Film einlassen
und bock haben muss. Ansonsten funktioniert das hier nicht. Und
last but not least:
Woke 'r Not-Score: 0 % (woke
free)
Edit:
Ach ja als Anmerkung. Das der Film am Boxoffice so dermaßen
abgestraft wurde hat er auf keinen Fall verdient. Vor 30 Jahren
wäre das ein Kinohit gewesen. Aber die Film- und
Zuschauerlandschaft haben sich geändert und es ist traurig zu
sehen, das lieber der übelste Marvel Schrott immer noch 200 Mio. $
einspielt, anstatt das so ein Meisterwerk geehrt wird. Ja es ist
kein Film für ein z.B. 80 Mio. $ Opening-Weekend. Aber das was da
in den USA passiert ist, ist schier eine Frechheit. Zum Zeitpunkt
der Review steht der Film bei einem Einspiel von 29 Mio. $ Domestic
und 2,5 Mio. $ International, was gerade mal 31,5 Mio. $
Gesamteinspiel bei 50 Mio. $ Budget + Werbung steht und der Kinorun
ist an sich gelaufen. Alleine das es noch Regisseure mit diesem
Mut, diesem Elan und dieser Leidenschaft gibt ihr Lebenswerk
umzusetzen, muss einfach Anerkennung finden.
Stefan Raab ist der Stinkefinger des aktuellen
Zeitgeists
