Geschrieben: 23 Juli 2022 14:27
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Film: 7/10
Bild: 10/10
Ton: 7/10
Extras: 4/10
Die Oscar- und Golden Globe ausgezeichnete Schauspielerin Sandra
Bullock startete ihre Karriere mit Liebeskomödien, war in den
letzten Jahren allerdings vermehrt in Actionfilmen und Dramen zu
sehen. Nun kehrt sie an der Seite von Channing Tatum und Daniel
Radcliffe zu ihren Wurzeln zurück und wird als unbeholfene
Erotikschriftstellerin in den Dschungel verschleppt um dort nach
einem Schatz zu suchen den es möglicherweise gar nicht gibt. Klingt
alles irgendwie bekannt und auch der Trailer des Film der Gebrüder
Nee schaut aus, als hätte man ihn schon mal gesehen. Ob das
wirklich so ist, oder ob "Lost City - Das Geheimnis der verlorenen
Stadt" mehr zu bieten hat, können wir uns nun im Heimkino ansehen,
denn Paramount Home Entertainment bringt den Film sowohl als
Standard Blu-ray Disc, sowie als ultrahochauflösende 4k-UHD-Scheibe
auf den deutschen Markt. Was der Film letztendlich taugt und wie
sich die blaue Scheibe in technischer Hinsicht schlägt, klärt die
nun folgende Rezension.
Film:
Die erfolgreiche Schriftstellerin Loretta Sage (S. Bullock)
schreibt zwar über gefährliche Erotik-Abenteuer an exotischen
Orten, lebt selbst aber seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren
ein wenig aufregendes und sehr zurückgezogenes Leben. Im Rahmen
einer Lesereise mit Covermodel Alan (C. Tatum) wird sie jedoch vom
exzentrischen Milliardär Abigail Fairfax (D. Radcliffe) entführt,
in der Hoffnung, dass sie ihm im tiefsten Dschungel den Fundort des
Schatzes aus ihrem letzten Roman zeigen kann. Alan, der sich im
realen Leben wie die Hauptfigur aus Lorettas Büchern fühlt, folgt
den beiden, um die Autorin, in die er insgeheim verliebt ist, zu
retten und gleichzeitig zu beweisen, dass in ihm ein echter
Abenteurer steckt …
Mit „Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“ präsentiert
uns das Regisseursduo Aaron und Adam Nee eine Abenteuerkomödie, die
an die „gute alte Zeit“ erinnert, als sich noch verwegene
Abenteurer wie Alan Quatermain, Indiana Jones oder Jack Colton mit
weiblichem Anhängsel durch den Dschungel schlugen und dabei nicht
nur Reichtümer, sondern auch die Liebe für sich entdeckten.
Natürlich erst, nachdem sich die beiden Vertreter des
unterschiedlichen Geschlechts witzige Wortgefechte geliefert
hatten, die dem Publikum vor Augen führten, wie unterschiedlich die
beiden doch im Grunde genommen sind.
Zwar erinnert die Grundkonstellation an Klassiker wie „Jagd nach
dem Juwel vom Nil“ und Co., allerdings bietet „Lost City“ dann doch
ein kleinwenig Neues, wenn auch nicht allzu viel. Die größte
Änderung betrifft die beiden Hauptfiguren, denn hier haben wir
nicht etwa einen erfahrenen Abenteurer und eine Jungfer in Nöten,
die um ihre Fingernägel und ihre Schuhe bangt, sondern einen
dümmlichen Posterboy (perfekt und sehr selbstironisch gespielt von
Channing Tatum), der sich vor Liebe zu seiner „Erfinderin“ plan-
und kopflos ins Abenteuer stürzt, um diese aus den Fängen eines
Multimilliardärs zu retten. Somit haben wir also nicht nur einen
sondern gleich zwei „Fische außerhalb des Wassers“, die über sich
hinauswachsen müssen, und sich die obligatorischen Wortgefechte
liefern. Den echten Draufgänger-Helden gibt es natürlich auch –
ebenfalls sehr selbstironisch und genial gespielt von Brad Pitt –
doch dieser streicht alsbald die Segel und wird aus der Geschichte
genommen. Schade, denn diese Figur war wirklich klasse und hätte
noch viele Lacher produzieren können, aber andererseits hätte man
mit dieser Figur den Film auch um mindestens die halbe Laufzeit
kürzen können.
Apropos Laufzeit: Diese hätte auch gut 10, 15 Minuten kürzer
ausfallen können, denn im Mittelteil der abenteuerlichen Reise
machen sich ein paar Längen bemerkbar, in denen der Story und dem
Humor die Puste ausgehen, und der Film die vormals interessanten
und selbstironischen Neuerungen fallen lässt, um sich den
Konventionen des Genres zu beugen und zum klassischen Storyverlauf
ähnlicher Filme zurückkehrt, komplett mit hilfreichen
Dorfbewohnern, korrupten Polizisten, „überraschenden“ Wendungen und
einer drohenden Gefahr durch eine nahende Naturkatastrophe. So
weit, so bekannt. Dazwischen gibt es immer wieder ähnliche Witzchen
über die Kleidung, die Unfähigkeit im Dschungel zurechtzukommen und
ja, der eine oder andere Fäkal- und „Unter der Gürtellinie“-Witz
ist auch dabei, aber dieser Punkt hält sich in Grenzen.
Ein weiteres Manko ist die fehlende Gefahr, denn wenn sich
Großstadt-Tussi und Posterboy durch den unwirtlichen Urwald
schlagen müssen und dabei an ihre Grenzen gehen, bangt der
Zuschauer doch zu keiner Zeit um ihr Wohlergehen, denn in solchen
Filmen passiert den Hauptfiguren ja bekanntlich nichts. Natürlich
macht das ganze Theater trotzdem Spaß, vor allem weil die beiden
Hauptdarsteller hervorragend miteinander harmonieren und – auch
wenn es anfänglich nicht danach aussieht (wie immer) – das Happy
End (und die mutmaßliche Fortsetzung) vorprogrammiert ist. Trotz
all der kleinen Mängel macht der Film wirklich Spaß, und auch wenn
man das Gefühl hat, alles schon mal irgendwo gesehen zu haben,
punktet der Film unter anderem damit, dass er sich über eben diesen
Umstand lustig macht und die Helden früherer Filme durch den Kakao
zieht. Schon alleine deshalb, und wegen der großartigen Darsteller,
die sich allesamt selbst aufs Korn nehmen und mit sichtbarer
Spielfreude bei der Sache sind (Daniel Radcliffe spielt den
überheblichen Schurken derart großartig, dass seine leider zu
knappen Auftritte echte Highlights darstellen und man sich einen
eigenen Film über diesen Charakter wünschen würde), ist der Film
absolut sehenswert.
Bild:
Das Bild der Blu-ray Disc ist schlichtweg phänomenal gut. Genau so
stellt man sich einen aktuellen Blockbuster vor. Eine nahezu
durchgängig perfekte Schärfe, die jedes noch so kleine Detail
sauber abbildet, satte, kräftige aber dennoch überwiegend
natürliche Farben – wobei die Dschungelkulisse und die knallige
Kleidung der Protagonisten hier perfekte Vorlagen liefern – und ein
sauber eingestellter Kontrast, der selbst im Dunklen kleine
Probleme mit der Durchzeichnung zeigt und dennoch tiefes, knackiges
schwarz abbildet. Kurz gesagt: Eine Referenz-Blu-ray Disc, die
maximal noch von einer 4k-UHD mit höherer Dynamik und erweitertem
Farbraum überboten werden könnte.
Ton:
Fans der deutschen Synchronisation müssen leider in puncto Qualität
ein paar Abstriche machen, denn die deutsche Tonspur liegt leider
lediglich in Dolby Digital 5.1 vor, während dem Originalton eine
makellose Dolby Atmos Tonspur spendiert wurde. Für sich genommen
ist die deutsche Tonspur nicht übel: Saubere Dialogwiedergabe, eine
tolle Surroundkulisse, hohe Dynamik und satte Bässe. Aber im
direkten Vergleich mit dem Originalton zeigt sich, was alle möglich
gewesen wäre, und wie satt und dynamisch alles klingen könnte.
Schade, dass man hier wieder einmal auf eine hochwertige deutsche
Tonspur verzichtet.
Ausstattung:
Das Bonusmaterial besteht aus Sieben, als Featurettes deklarierten,
kurzen Werbefilmchen, welche unterschiedliche Szenen, Figuren und
Locations in den Fokus rücken und dabei vermitteln wollen, wie toll
der Film ist, wie viel Spaß man beim Dreh hatte und dass man den
Film unbedingt ansehen sollte – was man, wenn man ihn erst einmal
erworben hat, vermutlich ohnehin macht. Zwar wird hier auch ein
kleiner Blick hinter die Kulissen gewährt, aber dieser ist leider
sehr oberflächlich. Darüber hinaus bekommen wir noch acht
zusätzliche, teilweise recht witzige, erweiterte und entfallene
Szenen zu sehen, und als Sahnehäubchen gibt es noch ein paar
verpatzte Szenen zu sehen.
Fazit:
Ein erstklassiges, farbenfrohes Bild und ein durchschnittlicher
deutscher Ton – warum und weshalb man statt einer hochwertigen
deutschen Tonspur lieber das gesamte, im Großen und Ganzen zwar
unterhaltsame aber nichtssagende Bonusmaterial mit auf die Disc
quetscht, erschließt sich nicht ganz und ist wirklich schwer
nachzuvollziehen.
Der Film bietet lockere Unterhaltung und wartet mit tollen Bildern,
einem großartig aufgelegten Darsteller-Ensemble und einigen
zynischen Seitenhieben auf die großen Vorbilder auf, ist alles in
allem aber zu unselbstständig und fährt ab der Mitte auf gut
ausbauten Pfaden bis hin zum überraschungsarmen Happy End. Trotzdem
ein netter, unterhaltsamer und witziger Spaß für zwischendurch.