Geschrieben: 27 Juni 2022 16:05
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Michael Speier youtube.com/MichaelSpeier
Film: 6/10
Bild: 8/10
Ton: 7/10
Ausstattung: 5/10
Kurzgeschichten haben im Horrorgenre eine lange Tradition. Mit
„Geschichten, die zum Wahnsinn führen“ wurde diese Tradition von
Regielegende Freddie Francis fortgeführt, und dank Wicked Vision
war es endlich möglich, dieses Kleinod des britischen Films in Form
eines schicken Mediabooks in die Sammlung zu stellen. Wer
allerdings keines der Mediabooks erhaschen konnte, oder wer den
Film lieber in einer Keep Case Version im Regal stehen haben
möchte, bekommt nun auch hierzu die Gelegenheit, denn Wicked Vision
legt den Film nun in einer exklusiven Scanavo-Verpackung
(Kunststoffverpackung wie bei einem DVD-Keep Case, allerdings in
BD-Größe, nur ohne den blauen Rand am "Kopf") nach. Auch hier
befindet sich der Film auf DVD sowie auf Blu-ray Disc im Set. Was
der Film zu bieten hat, und wie sich die Blu-ray Disc des
Klassikers von 1973 in technischer Hinsicht schlägt, klärt die nun
folgende Rezension.
FIlm:
In der psychiatrischen Klinik von Doktor Tremayne verwischen die
Grenzen zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit auf erschreckende Weise.
Tremayne „weiß“ um die meist blutigen Geheimnisse seiner vier
besonders zu beobachtenden Patienten und schildert deren
Geschichten dem eben eingetroffenen Klinik-Inspekteur. Da ist das
zähnefletschende Trauma eines kleinen Jungen: ein Tiger, der dessen
ewig streitende Eltern schließlich zerfetzt und sehr reale Spuren
seines blutigen Tuns hinterlässt. Und da ist der seltsame Tod von
Onkel Albert, dessen Blicke aus dem vergilbten Rahmen Feuer, Tod
und Zeit zu bestimmen scheinen. Oder die Geschichte von Brian: Er
liebt einen morschen alten Baum voller Geheimnisse mehr als seine
attraktive Frau. Und schließlich Kimo: Der Hawaiianer zelebriert in
aller Öffentlichkeit ein menschliches Blutopfer…
Der mehrfach Oscarprämierte Kameramann und Regisseur Freddie
Francis präsentiert uns mit „Geschichten, die zum Wahnsinn führen“
ein Grundgerüst in welches vier voneinander unabhängige
Kurzgeschichten eingebettet wurden, die jeweils ihre Höhen und
Tiefen besitzen. So ist der Clou der ersten Geschichte recht
schnell zu erkennen, lockt aber mit einem verhältnismäßig brutalen
Finale. Geschichte Nummer zwei hätte auch sehr gut aus der
berühmten „Twilight Zone“ stammen können, ist im Großen und Ganzen
allerdings eher merkwürdig als Gruselig. Interessant ist vor allem
die dritte Geschichte, in welcher sich ein Mann in einen Baumstumpf
verliebt, und diesen sogar seiner Frau (gespielt von Joan Collins)
vorzieht. Diese Geschichte punktet mit einem zwar vorhersehbaren,
aber äußerst Makaberen und „Typisch britischen“ Finale, und ist vor
allem dank des herrlichen 1970er-Jahre Dekors schon daher
wundervoll nostalgisch. Die vierte und letzte Geschichte ist dann
auch der Höhepunkt, zumindest wenn man geschmacklosen Horror sehen
möchte. Diese Geschichte ist inhaltlich und inszenatorisch die
brutalste von allen, allerdings rechtfertigt sie keinesfalls die
damalige 18er Freigabe der FSK. Inzwischen ist der Film bereits ab
16 Jahren freigegeben, was ebenfalls noch verhältnismäßig hoch ist,
wenn man bedenkt, welche Film zuweilen mit einem grünen Siegel auf
den Markt gebracht werden.
Für die Kameraarbeit war Norman Warwick zuständig, der uns zwar ein
paar tolle Bilder und Kamerafahrten liefert, aber seinen Fokus
nicht immer im Griff hat, was leider hie und da zu etwas
unschärferen Bildern führt. Das ist besonders tragisch, da
Regisseur Freddie Francis gemeinhin als einer der besten
Kameramänner aller Zeiten gilt.
Wie es bei Anthologiefilmen dieser Zeit üblich war, wurden auch
hier wieder ein paar namhafte Stars für die einzelnen Episoden
verpflichtet. Zum einen hätten wir Donald Pleasence, der dem
Horrorpublikum durch seine Darstellung des Psychiaters Dr. Loomis,
dem Gegenspieler von Michael Myers aus den Halloween-Filmen,
bekannt sein dürfte. Auch hier schlüpft er in die Rolle des
Psychiaters, der die vier Patienten genauestens untersucht und
dabei scheinbar selbst den Verstand zu verlieren droht. Des
weiteren hätten wir noch Kim Novak, die in Hitchcocks „Vertigo“ dem
armen James Stewart das Leben schwer machte und hier selbst zum
Opfer wird, und Denver-Clan-Biest Joan Collins, die einem hier
einfach nur leid tun möchte. Auch wenn die Inszenierung der
einzelnen Geschichten handwerklich gut gemacht ist sind die Storys
inhaltlich eher dürftig, vor allem wenn man sie mit früheren
Anthologie-Werken des Regisseurs vergleicht. Verglichen mit „Die
Todeskarten des Doktor Schreck“, „Geschichten aus der Gruft“ oder
„Der Foltergarten des Dr. Diabolo“ bietet „Geschichten die zum
Wahnsinn führen“ eher verhaltene Unterhaltung, kann für sich
alleine aber durchaus überzeugen. Wer also kurzweilige Unterhaltung
für zwischendurch sorgt und ein Freund klassischer, britischer
Gruselfilme ist, der liegt hier definitiv richtig.
Bild:
Das Bild liegt im Ansichtsverhältnis von 1,85:1 vor und ist sehr
angenehm. Die Schärfe bewegt sich durchgängig auf einem sehr guten
Niveau und bildet auch kleinere Details sauber ab. Es kommt zwar
hin und wieder zu sehr unscharfen Bildern, aber das ist eindeutig
auf nicht ganz ideal fokussiertes Ausgangsmaterial zurückzuführen
(siehe oben). Die fast nicht wahrnehmbare Körnung stört zu keiner
Zeit das Sehvergnügen. Die Farben sind ausgesprochen kräftig und
bunt, was dem Film den typischen Look einer britischen
1970er-Jahre-Produktion verleiht. Der Kontrast ist gut und der
Schwarzwert sauber und tief. Altersbedingte Mängel zeigen sich –
mit Ausnahme der Credits – nur selten in Form von kleineren
Pixelblitzern. Sonstige altersbedingte Mängel konnten in keinem
nennenswerten Umfang festgestellt werden.
Ton:
Der Ton befindet sich in deutscher und englischer Sprachfassung in
dts-HD Master Audio 2.0 auf der Disc. Optional lassen sich
Untertitel in deutscher und englischer Sprache hinzuschalten. Die
Dialoge klingen frisch und sauber, und lediglich die altbekannten
Stimmen von früher (darunter legendäre Sprecher wie Arnold Marquis,
Norbert Langer und Hallgard Bruckhaus) lassen erkennen, dass die
Synchronisation schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Die
Musik von Bernard Ebbinghouse sorgt für stimmungsvolle Untermalung
ohne dabei besonders hervorzustechen. Die Hintergrundgeräusche
gliedern sich ebenfalls perfekt ins Geschehen ein, allerdings sind
die Dialoge wie üblich stark priorisiert.
Ausstattung:
Im Bonusmaterial finden wir einen informativen Audiokommentar von
Dr. Rolf Giesen, der uns nicht nur wissenswertes über den Film
erzählt, sondern auch allerhand Hintergrundinformationen zu den
Darstellern und dem Genre an sich zu berichten weiß. Weiterhin
bekommen wir zwei interessante Einblicke in einzelne Episoden, die
ein wenig an die alten „Jack Arnold erzählt...“ Dokus erinnern und
wissenswerte Einblicke in die Entwicklung des Films liefern. Leider
ist das Menü sehr schwergängig, beziehungsweise sehr langsam, was
den Nutzer, wenn er sich durch die einzelnen Menüpunkte klicken
möchte, ebenfalls nahe an den Rand des Wahnsinns treibt.
Möglicherweise ist dies also beabsichtigt, auch wenn das schwer zu
glauben ist.
Fazit:
Der Anthologiefilm von Freddie Francis erscheint in einer nahezu
makellosen Bild- und Tonqualität, die keine Wünsche offen lässt und
den Film so zeigt wie man ihn sehen möchte: Satte Farben, angenehme
Schärfe, keine nennenswerten Störfaktoren und ein harmonischer
Klang. Das Bonusmaterial ist ebenfalls angemessen, und somit ist
auch diese Veröffentlichung aus dem Hause Wicked Vision wieder eine
sichere Bank für „Visionäre“. Der Film selbst ist leider nur
Durchschnitt und unterhält mit vier kurzen Geschichten, die zum
einen etwas zu vorhersehbar und zum anderen nicht sonderlich
innovativ sind. Spaß macht das Ganze trotzdem und für chillige
Unterhaltung ist auf jeden Fall gesorgt. Freunde von Filmen im Stil
der Hammer-Filme kommen hier voll auf ihre Kosten.