Der Exorzist. Ein wahrer
Klassiker der in die Filmgeschichte eingegangen ist und ein ganzes
Sub-Genre begründet hat. Vor genau 50 Jahren ein Blockbuster der
Sittenwächter, Moralprediger und Elternverbände empörte und am Ende
mit 11 Mio. $ Budget satte 441. Mio. $ Boxoffice generierte. Nicht
inflationsbereinigt (wären heute über 2,5 Mrd. $)! William Friedkin
hatte damit seinen großen Durchbruch, konnte kommerziell aber nie
wieder daran anschließen. Und auch für Linda Blair und Ellen
Burstyn zahlte sich der Film aus. Max von Sydow war schon vorher
eine Ikone aber wird untrennbar mit dem Exorzisten verbunden und
wer weiß wie seien Karriere ohne diesen Film verlaufen wäre. Zwei
Fortsetzungen, eine Wiederveröffentlichung im Director's Cut
(2001), ein Prequel und eine alternative Prequel Version folgten
und brachten das Exorzismus-Genre ins neue Jahrtausend. 2016 kam
dann noch eine TV-Serie die allerdings wenig Beachtung fand,
inhaltlich aber zu empfehlen sein soll.
Das solch eine IP weiter am Leben gehalten wird ist nur
folgerichtig. Aber wie weiter machen? Warum nicht die
Halloween-Blaupause von David Gordon Green nehmen und eine direkte
Fortsetzung zum Original entwickeln, das alle anderen Ableger
ignoriert und ohne zu Wissen wie dieses Experiment ausgeht auch
sofort eine Trilogie konzipieren? Das Problem: Universal hatte
nicht die Rechte an dem Stoff und investierte 400 (!!!) fucking
Millionen Dollar um diese von Morgan Creek Entertainment
abzukaufen. 400 Mio. $. VIERHUNDERTMILLIONENDOLLAR. Nur für die
Rechte. Mit dem Geld wurde noch keine einzige Szene gedreht. Und
wir machen uns lustig über die Geldverbrennungsmaschine The Walt
Disney Company. Das Produktionsbudget ohne Marketing liegt im
übrigen bei 30 Mio. $. Nun gut ohne einen Masterplan (in dem Fall
einer erfolgreichen Trilogie) kann man so einen Stunt auch nicht
machen. Das Problem dabei: David Gordon Green. Mit
Halloween (2018) noch furios gefeiert kam er dann
mit den Trilogie-Fortsetzungen massiv in Verruf. Schon
Halloween Kills sah sich massiven Kritikpunkten
ausgesetzt (ich liebe den Film), war
Halloween
Ends einfach nur noch ein Schlag ins Gesicht der Fans
und man merkte das David Gordon Green KEINE richtige Idee für die
Trilogie hatte. Und so jemand wird für die Konzeption einer 400
Mio. $ IP verpflichtet? Nicht ohne Grund gab es Skepsis. Nun können
wir uns seit dem 05. Oktober 2023 selbst ein Bild davon machen ob
das Legacy-Sequel eine gute Idee war und dem Franchise wieder auf
die Beine hilft oder ob die Universal Controller nachts von Dämonen
verfolgt werden.
Ich selber bin ohne richtig große Erwartungen gestern da
reingegangen. An sich war die Haltung nur: nein an den Klassiker
wird er sicherlich nicht ran kommen aber vielleicht wird es eine
richtig gute Horrorachterbahn. Jein. Der Film lässt sich immens
viel Zeit damit die vielen Darsteller einzuführen. Der Cast ist für
so einen Film leider viel zu groß und darunter leidet direkt das
Pacing. Anfangs hatte ich noch Probleme mit der Quote. Das
verflüchtigte sich aber sofort da man zum Glück dem Farbigen einen
einigermaßen vernünftigen Background gegeben hat und mit Haiti die
Ethnie durchaus Sinn ergibt. Es ist definitiv kein Blackwashing und
eher im Gegenteil: mich störte schon fast der weiße Part im Film
den es nicht gebraucht hätte und nun mal den Cast massiv aufbläht.
Neben den beiden Mädels haben wir nur auch noch die Eltern, die
verschiedenen Kirchen (es kommen drei Religionen drin vor), die
Ermittler am Rande und auch noch die Krankenschwester und ehemalige
Novize. So richtig krass fällt der viel zu große Cast einfach im
Finale auf und betrachtet im Pacing wäre eine intimere Filmhandlung
nur zwischen Victor und Angela (die beiden Schwarzen) und damit der
Konflikt Vater und Tochter besser gewesen. Das hätte vollkommen
ausgereicht insbesondere mit dem Hintergrund was mit der Mutter
geschah. Der Fokus liegt auch klar auf diesen beiden Personen und
erst nach nem guten Drittel der Handlung kommt dann die Komponente
der weißen Freundin und der anderen Familie rein die dann zu teilen
auch erst mal parallel ablaufen. Gerade die ganzen Szenen die nach
der Rückkehr der beiden Kinder und dem Verlassen des Krankenhauses
spielen. Es ist einfach zu viel für einen Film und zu wenig für die
kreative Idee dahinter (Verbundenheit) aus der dann am Ende recht
wenig gemacht wurde. Auch hätte ich mir insgesamt vom Plot etwas
mehr erwartet. Der Trailer ist dahingehend falsch
zusammengeschnitten und suggerierte mir einen größeren Film als er
es schlussendlich ist.
Neben dem zu großen Cast ist mein zweiter Kritikpunkt die Suspense.
Der Film ist zu keiner Zeit bedrückend oder spannend. Es gibt zwei
gezwungene Jumpscares und ansonsten kommt kaum Gruselatmosphäre
oder eine wirkliche Bedrohung auf. Auch fällt die Abwesenheit von
Musik über den Großteil des Films auf was natürlich noch mehr auf
die Stimmung drückt. Keine Ahnung was das sollte. Budgetprobleme
oder ein Stilmittel was nicht funktioniert? Gerade wenn man sich
das Original daneben hält welches den Großteil der Spannung aus dem
überragenden Score zieht. David Gordon Green ist ja kein Anfänger
mehr aber hier hat er eine vollkommen falsche Entscheidung
getroffen und wenn man sich an Werke macht die ihre Suspense aus
dem Score ziehen (wie John Carpenter in
Halloween
und William Friedkin in
Der Exorzist) dann ist es
grob fahrlässig dieses in den Neuinterpretationen zu ignorieren.
Das erste mal das der Score einsetzt ist in etwa bei der Hälfte des
Films und im Finale merkt man ja wie wichtig eine musikalische
Untermalung ist. Warum sind also die Szenen im Wald, zu Hause oder
Krankenhaus stumm? Auch ist der Film trotz eines R-Ratings und
einer FSK16 recht zahm. Ja die Wunden sind gut gemacht und ecklig.
Aber insgesamt ist das Level viel zu niedrig. Und wer auf ikonische
Szenen wie den Spiderwalk hofft der wird auch enttäuscht werden.
Selbst die obligatorische 180 Grad Kopfbewegung verkommt hier zu
einer Randnotiz. Wer sich also gruseln und fürchten will wird mit
diesem Film keine Freude haben.
Und trotz dieser eklatanten Kritikpunkte bin ich gestern zufrieden
aus der Vorstellung gegangen. Wie kann das nun sein? Zum einen
wurde ich gut unterhalten. Auch wenn die eine oder andere Szene
falsch geschnitten wirkte und es fehlende Zwischenzenen gab die am
Ende offene Fragen zurücklassen (z.B. Ersuch eines Exorzismus
wieso weshalb warum, wer hatte die Idee, mit wem war es
abgesprochen), so fand ich das ganzen Settings, die Shots der
Umgebung und ingesamt die Location sehr gut. Auch sind die
praktischen Effekte richtig gut anzusehen, wobei das weiße Mädchen
nicht so ein gutes Make-Up bekam, wie es beim schwarzen Mädchen
war. Ich denke das bei einigen Szenen auch CGI drübergelegt wurde
(gerade in der Kirchenszene) und ich somit immer mehr für Angela
als für Katherine war. Richtig gut ist aber ihr Schauspiel und wie
sie sich im Finale reckeln und strecken. Da wurde viel Liebe ins
Detail gesteckt auch wenn wieder die eine oder andere Entscheidung
von den Personen drum herum hahnebüchen waren. Und hier im Finale
kommt zumindest ein bissl der Ekelfaktor hervor. Leider zu spät und
zu wenig.
Der Elefant im Raum ist dann natürlich der Legacy-Charakter von
Ellen Burstyn. Immerhin wird sie nicht komplett verheizt und hat
ein paar schöne Szenen aber so richtig gebraucht hätte es sie
nicht. Zumal man durch die 50 Jahre sie auch nicht mehr wirklich
wiedererkennt. Es ist halt schon noch was anderes einen Dan Akroyd
oder Bill Murray als Ghostbusters nochmal zu zeigen oder eben sie
als Mutter von Regan. Trotzdem war es nett. Was aber total
aufgezwungen wirkte war dann ihre finale Szene. Wegen erheblichem
Spoiler werde ich es nicht schreiben zumal es Universal auch geheim
hielt. Möglicherweise für die Sequels relevant war es hier einfach
nur fehl am Platz und hatte auch nicht wirklich was mit Fanservice
zu tun.
Fazit:
Meine Kritik ist wohlwollender und viel positiver als es die
Gesamtbewertungen sind. Mit 122 Mio. $ internationalem Einspiel
aktuell ist das Ding ein riesen Flop und stellt sogar Disneys
Alltime High Verlustgeschäft
Indiana Jones 5 in
den Schatten. Gemessen am reinen Produktions- und Werbebudget
dürften wir soeben den Break-Even erreicht haben. Aber es kommen
nun mal die 400 Mio. $ für die Lizenz drauf. Das Geld wird
Universal nie und nimmer reinholen. Durch das maue Boxoffice ist
derzeit auch fraglich ob es wirklich bei der Trilogie bleibt oder
ob diese nun verworfen wird. Geld damit wird man nur machen können
wenn man die Rechte wieder weiterverkauft. Ob aber jemand anderes
dafür nochmal 400 Mio. $ hinblättern wird ist aktuell auch mehr als
fraglich. Das Universal Finance Department dürfte dieser Tage aber
auch massiv Überstunden schieben und durchkalkulieren was nun
sinnvoll ist.
Ich selber finde den Film sehenswert und unterhaltend auch wenn er
die angesprochenen Probleme hat. Schade finde ich das er nicht
gruseliger / härter geworden ist weil deswegen gehe ich vorrangig
in so einen Film rein. Es gibt keinen Cliffhanger und so wie er nun
ist, ist er ein komplett abgeschlossener Film. Hier ist in der Tat
mehr als fraglich was die Idee einer Trilogie dahinter ist. Weil
die Geschichte um Viktor und Angela zu erweitern macht an sich auch
keinen wirklichen Sinn. Und mit ganz neuen Leuten abermals eine
andere Besessenheit zu zeigen, würde auch nur vor Augen führen das
es keine wirkliche innovative Idee hinter dem Projekt gibt. Davi
Gordon Green hat sich hier massiv in die Nesseln gesetzt und der
Film ist bei weitem nicht das was
Halloween (2018)
für das Franchsie war. Immerhin zerstört er nicht den Klassiker und
zieht diesen durch den Dreck. Auch bleibt die Kritik des
Blackwashings an sich aus. Es gibt eine einzige, schlimm
aufgesetzte Botschaftsszene die mich kotzen ließ. Die Sache mit dem
Vegan-Trip der Tochter. Es sind zwei Minuten im Film die da nicht
reingehören und völliger Mumpitz sind. Am Ende kann man da aber
noch drüber hinwegschauen weil es auch gar kein Thema mehr im
weiteren Verlauf war. Disney hätte dieses Thema durch den
kompletten Film gezogen. Trotzdem muss man auch sowas ansprechen.
Wehret den Anfängen sage ich immer wieder.
Ich verfolge nun das Thema mit Spannung weiter wie sich Universal
bzgl.
Der Exorzist: Deceiver entscheidet. Aktuell
heißt es das man zumindest das Script nochmal überdenken will. Ob
David Gordon Green nochmal als Regisseur zurückkommt steht auch in
den Sternen.
Insgesamt gebe ich gut gemeinte
7 von 10 gleichschlagenede Herzen
Was ich allerdings dieser Tage richtig empfehlen kann ist der
gerade erst erschienene Dokumentationsfilm
Leap of Faith -
Der Exorzist wo William Friedkin über 2 Stunden lang
Einblicke in die Entstehung seines 1973er
Der
Exorzist gibt. Unbedingt anschauen!
Stefan Raab ist der Stinkefinger des aktuellen
Zeitgeists