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Moonlight (Regie: Barry Jenkins)

Gestartet: 02 Mai 2017 13:34 - 2 Antworten

#1
Geschrieben: 02 Mai 2017 13:34

schneijo

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Kinostart (DE): 9.3.2017

Trailer (OV):

https://www.youtube.com/watch?v=9NJj12tJzqc

Trailer (dt.):

https://www.youtube.com/watch?v=Hd5RtFmIs2s

Zusammenfassung:
Zitat:
Moonlight erzählt die berührende Geschichte des jungen Chiron, der in Miami fernab jeglichen Glamours aufwächst. Der Film begleitet entscheidende Momente in Chirons Leben von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, in denen er sich selbst entdeckt, für seinen Platz in der Welt kämpft, seine große Liebe findet und wieder verliert. Moonlight ist ein einzigartiges Stück Kino darüber, wie die Suche nach einem Platz in der Welt, unsere Umgebung, die eigene Familie und insbesondere die erste Liebe uns unser Leben lang prägen.
Quelle: Verleih/Cineplex

Darsteller:
Alex R. Hibbert, Ashton Sanders, Trevante Rhodes, Naomie Harris, Mahershala Ali, Janelle Monáe, Jaden Piner, Jharrel Jerome, André Holland (u.a.)

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Ich war überrascht, dass es zum Oscar-Gewinner in der Kategorie "Bester Film" noch keinen Thread gab. Sollte ich trotz der Suche einen bereits existierenden Moonlight-Thread übersehen habe, bitte diesen Beitra dorthin verschieben.
Auch wenn der Film vielerorts wahrscheinlich schon nicht mehr in den (großen) Kinos, sondern nur noch in den Programmkinos läuft (so auch in MA), möchte ich dennoch mit diesem Thread ein wenig für Moonlight werben.

Ich habe mir den Film gestern Abend angesehen (OV). In knapp zwei Stunden erzählt Moonlight die Geschichte des Afroamerikaners Chiron in drei Kapiteln: Kindheit ("Little", Darsteller: Alex R. Hibbert), Jugend (Chiron, Ashton Sanders), Erwachsener ("Black", Trevante Rhodes). Chiron wächst in zerrütteten Verhältnissen auf; der Vater ist (mindestens) abwesend, die Mutter drogenabhängig, die Wohngegend ein sozialer Brennpunkt und in der Schule wird "Little" von anderen Kindern gemobbt. Im ersten Teil hat der Film m.E. seine größten Stärken, denn wie sich diese Trostlosigkeit und soziale Kälte auf den kleinen Chiron auswirken, ist filmtechnisch und schauspielerisch schlicht und ergreifend überragend dargestellt.
In dieser Situation macht Chiron zwei schicksalhafte Begegnungen bzw. Erfahrungen. Zum einen lernt er Juan (Mahershala Ali) kennen, ein kubanisch-stämmiger Drogendealer, der von nun zu einer Art Zieh-Vater wird und "Little" unter seine Fittiche nimmt; zum anderen erteilt ihm sein einziger Schulfreund, "Kev" (Jaden Piner), eine wichtige Lektion, die v.a. im mittleren Abschnitt des Films wieder relevant wird.
An dieser Stelle beende ich die Zusammenfassung, denn sonst besteht große Spoiler-Gefahr, obwohl - oder gerade weil - sich die folgenden Geschehnisse schnell zusammenfassen ließen.

Moonlight erzählt die Geschichte Chirons mithilfe großartig aufspielender Schauspieler. Hier ist kein Darsteller dabei, der in irgendeiner Weise abfallen würde. Auch ohne viel Screentime hat mich dabei v.a. Naomie Harris als Mutter Paula überzeugt. Auch die drei verschiedenaltrigen Chiron Schauspieler machen ihre Sache jeweils exzellent, insbesondere der "Little"-Darsteller (Alex R. Hibbert). Am liebsten würde man ihm die Hand reichen und ihn aus dieser Gegend holen und in eine kindgerechtere Umgebung bringen. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die sein Spiel so außergewöhnlich machen. Um nur ein Beispiel zu nennen (das auch im Trailer vorkommt und damit wohl kaum als Spoiler zu verstecken ist): Die kurze Szene aus dem Tanzunterricht (?), in der er für ein paar Augenblicke alles um sich herum ausblendet und vollkommen frei sein und sich ausleben kann. Wow, ist das stark!
Überhaupt beeindruckt die gesamte Ästhetik des Films. Die Bildsprache ist durchgestylt ohne dabei künstlich oder unglaubwürdig zu erscheinen. Die Kamera ist häufig sehr nah am Geschehen oder besser gesagt, den Menschen, dran, wodurch noch größere Intensität erreicht wird. Aktiver und bewusster Einsatz von Unschärfe und Fokusverschiebungen machen den Film auch zu einem visuellen Erlebnis. Allerdings denke ich, dass diese gestalterischen Mittel nicht jedem Zuschauer zusagen. Auch die etappenweise stillen oder mit nur wenig Dialog ausgestalteten Szenen haben Potential, das Publikum zu polarisieren. Wer sich allerdings darauf einlässt und sich auf die handelnden Personen konzentriert, wird belohnt. Ihre feinen Nuancen in Mimik und Agieren haben eine Ausdrucksstärke, die ohnehin keiner oder zumindest nicht vieler Worte bedarf. Das ganze wird an wenigen, wohl dosierten Stellen durch einen perfekt abgestimmten Score (Nicholas Britell) unterstützt. Dadurch erhält der Film eine Sogwirkung, wie man sie nur selten im Kino erlebt.

Fazit: Moonlight ist - allein schon wegen der Thematik - mit Sicherheit kein Film für die breite Masse. Er setzt ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen voraus, aber trotzdem bleibt die dargestellte Lebensrealität in vielen Bereichen terra incognita. Dennoch bietet der Film mehr als nur einen holzschnittartigen Blick auf eine, zumindest aus meiner Warte betrachtet, sehr weit entfernten Lebenswelt. Er verhandelt nicht nur die individuelle Geschichte des jungen Chiron, sondern stellt auch größere Fragen, die über die Sujets Homosexualität und (afroamerikanische) Identität hinausreichen. 9/10 Punkte, mit einer gewissen Tendenz nach oben (nach Zweitsichtung auf BD).
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#2
Geschrieben: 03 Mai 2017 15:46

hibb

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Jap, Moonlight ist ein ziemlich Hammer: Ein Paradebeispiel für das Erzählen zwischen den Zeilen. Selten hat man einen Protagonisten gesehen, der so wenig spricht und dabei so viel sagt. Jenkins gelingt es durch bloßes Zeigen und nicht durch Erzählen uns an der inneren Gefühlswelt seiner Hauptfigur teilhaben zu lassen. Die Kamera ist mal ruhig, mal schwingt sie in Hast mit, gibt damit immer den aktuellen Gemütszustand des Protagonisten wieder.

Anhand von 3 Kapiteln wird Chirons schwieriger Selbstfinungsprozess geschildert: Er merkt bereits in jungen Jahren, dass gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen das Ausleben seines wahren Ichs erschweren, weshalb er beginnt sich zu verstellen, womit er auch die Chance auf sein Glück unterbindet. Jede Station (Little, Chiron & Black) zeigt wie äußere Einflüsse seine aktuelle Entwicklung & Erscheinung beeinflussen. Dabei wächst die Divergenz zwischen tatsächlichem Charakter und gespielter Rolle immer mehr. Der Chiron den wir im letzten Kapitel "kennenlernen", ähnelt auf einmal mehr seinem Ziehvater Juan als seinem Charakter aus dem vorigem Kapitel. Er fühlt sich in der Haut eines anderen einfach sicherer, auch wenn er zwischenzeitlich sein gespieltes Ich bereut (z.B. nachdem er einen Dealer zurechtwies). Chiron wird zu einem Produkt seiner Umwelt. Er hat Angst sich anderen zu öffnen, da er dann Probleme fürchtet. Es überrascht nicht, dass er meist schweigsam und in sich gekehrt agiert.

Chiron wird bereits in eine Schublade gesteckt, noch bevor er überhaupt selber weiß, was diese Schublade überhaupt ist. Diese Vorverurteilung führt dazu, dass er sich nicht natürlich entwickeln kann. Der fehlende Rückhalt durch die Familie erschwert diesen Weg noch weiterhin, weshalb er sich nach einer Vorbildsfigur sehnt. Dabei wird auf keine Schwarz-Weiß-Malerei zurückgegriffen: Chirons Ziehvater übernimmt zwar eine Erziehungsfunktion, hat aber nach wie vor Anteil an seiner Misere, indem er seiner Mutter weiterhin Drogen verkauft. Ähnlich wie Chiron's Mutter ist er nicht bereit sein bekanntes Verhaltensmuster zu ändern, auch wenn er weiß, dass es Chiron schadet. Auch sein einziger Freund Kevin ist von gesellschaftlichen Normen und Gruppenzwang geprägt, weshalb auch er in kritischen Momenten nur an sich selber denkt und sich damit von Chiron abwendet. Das führt ultimativ dazu, dass er sich seelisch als auch körperlich abhärtet. Er will nicht wieder in eine Beziehung investieren, nur um anschließend wieder abgelehnt zu werden. Da ist es umso interessanter zu sehen, wenn er im letzten Kapitel...
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wieder beginnt sich zu öffnen. Nur langsam tastet er sich vor und gibt nur wenig seiner Vergangenheit preis. Sein zögerndes Auftreten zeigt die Angst vor einem weiteren Vertrauensverlust. Stück für Stück nimmt seine Maske Risse.
Bildsprache hat hier einen ganz besonderen Stellenwert: "In moonlight black boys look blue." Im Angesicht der Natur sind alle gleich, es sind die gesellschaftlichen Normen und Werte die Individuen zu Außenseitern erklären. Diese Verallgemeinerung einer alten Frau gefiel Juan wohl so gut, dass er den Spitznamen Blue annahm. In einem Dialog erzählt Kevin von einer frischen Brise, die ihn das Drumherum vergessen lässt. Diese Brise ist ein wiederkehrendes Symbol für das Ablegen der eigenen Maske. Das Geräusch taucht immer dann auf, wenn sich Chiron sicher fühlt und sich nicht verstellen muss
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Wenn Juan dem kleinen Little erzählt, dass er für sich selber entscheiden muss wer er später mal sein möchte. Beim ersten sexuellen Encounter mit Kevin und am Ende, wenn Black langsam wieder seinen Schutzpanzer ablegt.
Gelegentlich sind Ton und Bild asynchron: Chiron nimmt einzelne emotionale Momente visuell und akustisch losgelöst voneinander wahr. Die Vorwürfe und Beschwichtigungen seiner Mutter kreisen wie ein Loop in seinem Kopf, als hätte er das alles schon mal gehört und erlebt. An anderer Stelle wird dieses Stilmittel benutzt um Verträumtheit darzustellen. Chiron hinterfragt seine eigene Maske, stellt sich vielleicht die Frage, ob das ein Moment sei, wo er sein inneres Bedürfnis nach Geborgenheit und Liebe zeigen darf.

Ein herausragender Coming-of-Age Film und einer der besten Filme des Jahres. Ein Portrait über Männlichkeit im 21. Jahrhundert. Handwerklich in schöne aber nie künstliche Bilder gefangen, untermalt durch einen nie aufdringlichen aber wirksamen Soundtrack, veredelt durch zahlreiche herausragende schauspielerische Leistungen. Moonlight ist visuelle Poesie.

(9/10)
#3
Geschrieben: 30 Mai 2017 00:01

Diverphil

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Hi ihr!

Heute hatte ich die einmalige Gelegenheit im Kinopolis den oscar-prämierten Film "Moonlight" zu sehen und das war mein Eindruck:

Chiron (Alex R. Hibbert) ist ein verängstigstes Kind, dass vor einigen anderen Kindern flieht und sich in einem Rohbau versteckt. Dort wird er von Juan (Mahershala Ali) gefunden. Chiron gibt kein Wort von sich als Juan ihn mit zu sich nimmt. Da er und seine Frau Mitleid haben, lassen sie ihn bei sich übernachten, bis er dann verrät, wo er wohnt. Seine Mutter Paula (Naomie Harris) straft ihn dafür. In den nächsten Tagen flüchtet Chiron sich immer wieder zu Juan, was seiner Mutter gar nicht gefällt. Dann erwischt er sie eines Nachts beim Sex mit einem Fremden und sieht, wie sie Crack raucht. In der Schule schlagen sie Chiron und nennen ihn wg seiner Homosexualität Schwuchtel. Als ein Junge namens Jaden ihm Mut macht sich zu wehren nimmt Chiron's Leben einen unvorhersehbaren Lauf. Wird er sich beweisen können?

Der Film ist nichts für jedermann, da er einerseits sehr ruhig ist, aber andererseits vor allem aufgrund der tollen Darsteller, den Film wie eine Charakterstudie wirken lässt. Neben vielen Schwarzen-Klischees mit Drogendeals usw., hat der Film seinen Reiz. Leider schafft es der Film dies nicht über die komplette Lauflänge aufrecht zu erhalten und hat gerade in der Mitte ein paar Längen. Zudem hat er einen sehr punktuell gewählten Soundtrack und bleibt lange Strecken ohne Hintergrundmusik.

Zwar weiß der Film zu gefallen, gerade wg der Charakterentwicklung von Chiron von der Kindheit bis zum Erwachsenen und hat mit Diskrimminierung ein interessantes Thema, aber aufgrund der sehr ruhigen Inszenierung wirkt er teils etwas zäh. Hier scheint es vor allem der Schwarzen-Bonus gewesen zu sein, der für die nicht ganz nachvollziehbaren Oscars sorgte. Ein Film der einmal seinen Reiz besitzt, aber kaum Wiederschauwerte bietet. Unterm Strich bekommt er von mir 7/10P!


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