Der ist wirklich toll. Besonders die nüchterne Präsentation und die
Vermeidung von reißerischen Momenten zeichnet ihn aus. Cover &
Trailer wollen natürlich einen Actionfilm verkaufen, aber ist er
stilistisch deutlich näher am Spaghetti-Western, weshalb man ihn am
treffendsten als Neo-Western bezeichnen kann.
Ähnlich wie in den Vorbildern gibt es hier kein klares
Gut-und-Böse-Verhältnis, sowohl die Verbrecher-Brüder als auch die
Cops besitzen positive als auch negative Eigenschaften. Desweiteren
wird hier die Zwangsenteignung durch Banken zu einer Parallele auf
die Vertreibung der amerikanischen Ureinwohners durch den weißen
Mann. In der heutigen Zeit verlieren Eigentümer ihr Land und Haus,
indem sie mit hohen Darlehenszinsen in den Ruin getrieben werden
und dann ihr einziges Gut gepfändet wird. Ohne finanzielle Anleihen
sind auch die Hofbesitzer nicht in der Lage für sich selber zu
sorgen, die Banken nutzen deren Notsituation für sich aus. Was vor
300 Jahren nach gewaltsam geschah, geschieht heute mit Verträgen
und Klauseln. Ähnlich wie die Indianer wollen Pine & Foster den
drohenden Verlust ihres über Generationen weitergegebenen
Grundbesitzes gewaltsam verhindern. Genauso wie bei Sergio Leone
ist nicht sofort ersichtlich, wer hier das wahre Bösewicht ist. Die
Parallelen zwischen Wilder Western und Status-Quo sind zahlreich in
Hell or High Water. So werden viele Südstaatler immer noch
vom "Frontier Justice"-Gedanken getrieben und "reiten" als
aufgebrachter Mob auf den Ladeflächen ihrer Pick-Ups den Flüchtigen
hinterher.
Ein wirklich erwachsener Film, der mehr Tragödie als Thriller sein
will. Beide Parteien tun nur das, was sie ihrer Meinung nach tun
müssen bzw. von ihnen verlangt wird. Sie sind folglich in ihrer
Situation gefangen, einen positiven Ausgang für beide Seiten
scheint es nicht zu geben. Wir als Zuschauer hegen Sympathien für
beide Parteien, wissen aber dass eine Konfrontation nicht
ausbleiben wird.
SPOILER! Inhalt
einblenden
Auf beiden Seiten stirbt dabei eine Person,
die andere kommt zwar davon, muss aber mit dem Tod von
Bruder/Kollege weiterleben. Ein Konflikt, wo beide Seiten Verlierer
sind.
Die Inszenierung ist nüchtern und realistisch, keine übertriebene
& effekthaschende Dramatik soll von der Authentizität ablenken.
Die Problemfelder sollen sich aktuell, akut und in unserer Welt
verankert anfühlen. Zwar handelt es sich um eine fiktive Geschichte
über zwei kriminelle Brüder, dafür ist aber der sozialkritische
Kommentar auf die wirtschaftliche Lage im Süden der USA
allgegenwärtig. Überall versuchen Einwohner verzweifelt über die
Runden zu kommen. Die Orte und Landschaft sind karg und
heruntergekommen, an jeder Ecke wird die Armut deutlich. Es wirkt
verständlich wenn der Sohn eines Viehtreibers den Wunsch äußert
schnellstmöglich in die Stadt zu ziehen um einen zukunftssicheren
Beruf ausüben zu können. Es ist auch nicht verwunderlich dass fast
jede Person eine Feuerwaffe bei sich trägt um das verteidigen zu
können, was sie ihnen noch bleibt. Ein ernstes Thema, welches
angemessen umgesetzt wurde.
(7/10)