Finde
Chapter 2 eindeutig besser als den Vorgänger und das
aus mehreren Gründen: Sie haben die eigene Untergrund-Mythologie
logisch weiterentwickelt und den vorhanden Ehrenkodex doch weiter
ins Zentrum gerückt. Dabei wird auch deutlich wie absurd dieser
Kodex eigentlich ist und das meine ich absolut positiv:
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Der Antagonist lässt seine Schwester umbringen
und das obwohl er sie liebt, nur um anschließend ein Kopfgeld auf
den beauftragten Killer auszusetzen, er müsse ja schließlich ihren
Tod rächen.
Gerade diese Glorifizierung und Überbewertung der eigenen Etikette
einer Gesellschaft, die eigentlich keine Moral kennen müsste ist
ein schöner Widerspruch und zeichnet die Welt von John Wick
aus.
Auch ist die Überhöhung der Hauptfigur zu einem fast schon
alttestamentarischen Rächer so dermaßen übertrieben, dass es nicht
mehr störend sein kann, sondern perfekt mit der Action einhergeht.
Diese Konsequenz fehlte mir im Vorgänger vielleicht noch. Wenn ein
Obermafioso sein gesamtes Geschäft einstellt und versucht die
Flucht zu ergreifen, nur weil sein Neffe John Wick ans Bein
gepinkelt hat, dann ist das nicht mehr plakativ, sondern innerhalb
der dargestellten Welt schon wieder logisch.
Der Film lebt von seinen zahlreichen Anspielungen und Verweisen auf
Religion, das Action-Genre und Gewalt an sich: Zum Beispiel beginnt
der Film mit einer Reminiszenz an Buster Keaton's
Der
General, welcher als Ursprung des Action-Genre angesehen
werden kann. Auch hält sich der Antagonist oft in einem Museum auf,
in der sehr viele Bilder hängen, die an Hieronymus Bosch erinnern.
Dadurch wird das nachfolgende Massensterben bereits angedeutet und
erhält seinen biblischen Charakter. Diese religiösen Anspielungen
und Überhöhungen sind jetzt noch allgegenwärtiger vorhanden und
unterstreichen den nicht ernst zunehmenden Charakter der Reihe.
John Wick wird fast schon als eine biblische Plage charakterisiert,
ständig bezeichnet man ihn als Teufel oder schwarzen Mann. Diese
Mystifizierung passt super zu dem Ton und der inneren Logik der
Reihe, der Soundtrack mit seinen Engelschor-artigen Gesang
unterstreicht dabei die Allegorien auf Götter und Dämonen. Mit der
letzten Einstellung wird John Wick endgültig zu einem Märtyrer
erhoben.
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(die Aufnahme wechselt den Fokus von ihm auf
eine überlebensgroßes Denkmal, bi schließlich der Abspann
einsetzt)
Auch findet ein Shoot-Out im Kolosseum in Rom statt (bzw. in den
Katakomben darunter), wo früher einst die Gladiatoren zur
Belustigung des Volkes kämpften. Hier wird bewusst eine Parallele
zum Action-Genre gezogen.
John Wick kann als eine moderne
Form von "Brot & Spiele" verstanden werden, Gewalt wird hier
als Unterhaltungsform ästhetisiert und einem Massenpublikum
serviert.
Die Action ist auch wieder toll choreographiert und ist sowas wie
eine westliche Variante von "Heroic Bloodshed", die amerikanische
Antwort auf das John Woo Kino der 80er und 90er.
Chapter 2
ist noch konsequenter übertrieben und weist noch deutlicher jeden
Realismus-Anspruch von sich. Zu viele Filme können (oder wollen)
sich nicht entscheiden, ob sie nun knallharten Realismus oder
comicartige Überzeichnung sein wollen,
John Wick zeigt
hier schnell Entschlossenheit. Wer hier noch denkt "Das ist doch
alles übertriebener Quatsch", hat nicht verstanden was die da
überhaupt machen. Die Action wird stets dynamisch, aber immer ruhig
und übersichtlich eingefangen, sodass sich manche Szene tatsächlich
mit einem
Hard Boiled und
The Killer messen kann.
Sie nutzen auch ihr offensichtlich gestiegenes Budget für kleinere
Plansequenzen, mehr Abwechslung beim Setdesign und besseres
CGI-Blut (was noch ein Störfaktor beim Vorgänger war). Vielleicht
hätten sie ein wenig mehr Varianz bei den Shoot-Outs liefern können
und noch weitere Elemente zu Auto und Bleistift hinzufügen können,
aber ansonsten gibt es hier nicht wirklich was zu beanstanden. Der
absurd hohe Bodycount ist DER Running-Gag der Reihe. Das haben sie
erkannt und weiter ausgebaut.
Allgemein könnte man sagen, dass sie mit Teil 2 den Ton deutlich
besser hinbekommen haben und das Franchise jetzt genauer definiert
haben. Der Mix mit comicartiger Überzeichnung, biblischen
Verweisen, Untergrund-Mikrokosmos mit eigenen Gesetzen und guter
Action-Choreo haben sie hier deutlicher herausgearbeitet.
John
Wick ist jetzt eine Marke mit ganz eigenen Markenzeichen, so
stilsicher ist zur Zeit kein anderes Blockbuster-Franchise.
...und trotz dieser zahlreichen guten Ideen und Ansätze muss ich
gestehen, dass ich mit dem Film nicht warm wurde. Ich mochte schon
den ersten Teil nicht sonderlich und trotz deutlicher Steigerung
wollte der Funke wieder nicht überspringen. Es ist halt alles ganz
nett und teilweise auch sehr smart, aber ich war nie im Film
"involviert" noch wurde ich mitgerissen. Und das obwohl mir die
Zutaten alle zusagen müssten. Ich erkenne den Ideenreichtum und die
konsequente Herangehensweise an (was den meisten anderen
Actionfilmen übrigens fehlt), aber ich hätte gerne mehr Spaß mit
ihm gehabt. Auf dem Blatt Papier ist
John Wick ein
wirklich herausragender Genre-Beitrag, aber ich wurde aus mir
unerklärlichen Gründen nie mehr als passabel unterhalten.
(6/10)