Mich hat
The Neon Demon enttäuscht, auch wenn das Meckern
auf höherem Niveau ist. Der Film kränkelt an Problemen, mit denen
Only God Forgives schon zu kämpfen hatte. Refn entwickelt
sich in eine Richtung, mit der ich nicht uneingeschränkt mitgehen
will. Er bezeichnet sich ja mittlerweile selber als Fetisch-Filmer,
d.h. er dreht nur noch das, was er selber sehen möchte. Dabei suhlt
er sich zu sehr in plumper Bildsprache und seiner, zugegeben wieder
tollen, Optik. Optik und Atmosphäre halten leider nicht durchgehend
das Niveau, sodass manche Szenen inhaltliche Schwächen offenbaren.
Gerade in der zweiten Hälfte, nachdem man sich etwas an seinem Stil
sattgesehen hat, hätte ich mir gewünscht dass er etwas Neues oder
Tiefgründigeres zu erzählen hätte.
Stattdessen bekommt man auf sehr stumpfe Art und Weise Themen gegen
den Kopf geschmettert, die man schon kennt oder so schon gesehen
hat: Ja, die Modebranche ist oberflächig und ist mehr Schein als
Sein. Aber die Idee, einen genauso oberflächigen, kalten,
distanzierten, schwer nahbaren Film zu machen um daraus eine
Meta-Ebene zum Dargestellten zu ziehen, funktioniert als Film nur
bedingt. Wie ein Charakter im Film sagt „Beauty is not everything,
it is the only thing“, nimmt Refn das zu wörtlich und überträgt es
auf das gesamte Konzept des Films: Style over Substance wird hier
zur wichtigsten Tugend.
Also sind die schauspielerischen Darstellungen sehr leb- und
emotionslos, weil es eben der Oberflächigkeit der Modelbranche
entsprechen soll. Das Einzige wofür sich die Hauptfiguren
interessieren ist Schönheit und die damit verbundene Anerkennung.
Damit wird keiner Figur irgendeine Tiefe zugesprochen. Auch Jesse
ist nicht mehr als das unschuldige Ding, die sich von der Branche
blenden lässt und zunehmend ihre Menschlichkeit verliert und somit
nur noch zu einem Symbol für oberflächige Schönheit verkommt. Die
erste Filmhälfte besteht eigentlich nur daraus dass ihr ständig
unter die Augen gerieben wird, wie vollkommen und makellos sie doch
sei. Daraus entwickelt sie erstmals in ihrem Leben ein Selbstwert-
und ein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Menschen,
SPOILER! Inhalt
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bis schlussendlich der Fall kommen musste.
Mehr hat die Geschichte nicht zu bieten.
Refn kann sich auch nicht verkneifen, den vorherrschenden
Kannibalismus der Branche als Metapher einzubauen. Wenn das
Verfallsdatum der Models schon bei 21 Jahren einsetzt und die
Karriere somit extrem kurzlebig ist, wird das Konkurrenzdenken aufs
maximalste gesteigert und findet in einem Zitat an Patrick Süskind
seinen Höhepunkt.
Manche Models kommen mit diesem Wettbewerb klar und „some girls
crack under the pressure“. Das Finale versinnbildlicht also das,
was wir schon zu Beginn erfahren haben. Und ja, auch hier wurde
wieder der zitierte „Crack“ sehr bildlich dargestellt (als
selbstzugeführter Riss im Bauch) um darauf zu verweisen, dass die
Verlierer der Branche meist ein sehr verhängnisvolles Schicksal
ereilt. Diejenigen hingegen, die vor nichts zurückschrecken, setzen
sich durch. Diese Form der Schwarzmalerei ist nicht wirklich neu,
noch besonders tragisch präsentiert.
Auch vor Nekrophilie wird kein Halt gemacht, mehr als stumpfe
Provokation und weiteres Symbol für den leblosen Inhalt von
artifiziellen Bildern hat die Szene aber nicht zu bieten. In Cannes
wurde diese Szene übrigens ausgebuht.
Ähnlich drastische, aber grobschlächtige Sinnbilder hatte schon
Only God Forgives zu bieten: Als Ryan Gosling in den
Eingeweiden seiner Mutter wühlt um zu demonstrieren, dass er sich
wieder zurück in den Bauch seiner Mutter sehnt, als Metapher für
das Streben nach Geborgenheit sozusagen. So spielt Refn
mittlerweile vermehrt mit Provokationen, die bei mir aber weder
Ekel noch Schock oder Abstoß erreichen, weil er seine Geschichte
keine sonstige Form von Tiefe und Emotionalität zugesteht. Das
Konzept, einen distanzierten, oberflächigen Film über eine
gleichartige Branche zu machen, geht daher für mich nicht
auf.
Das kann man natürlich auch abfeiern, war mir persönlich aber zu
stumpf und direkt. Viele Szenen haben nämlich keinen inhaltlichen,
noch dramaturgischen Sinn für die Geschichte, sondern sind
lediglich eine weitere (offensichtliche) Metapher oder Symbol um
den charakterlichen Verfall eines jungen Mädchens zu demonstrieren.
Anfangs flüchtet sie noch vor dem Raubtier aus ihren Apartment,
später will sie selber als Gefahr wahrgenommen werden („I’m
dangerous“). Allgegenwärtig kommen auch Spiegel, als Umschreibung
für die differierende innere und äußere Wahrnehmung, zum Einsatz.
Refn reibt uns solche Ideen zu offensichtlich unter die Nase,
verlässt sich dabei zu oft auf seine Optik, sodass man als
Zuschauer weder Zugang, Empathie noch Emotionen zum Film findet.
Und nochmal: Das ist zwar die Intention des Films, doch leider
verkommt der Film im späteren Verlauf nur noch zu einer Verkettung
von Analogien auf die Modelwelt, ohne jedoch zu fesseln.
Hab mir den Film zweimal innerhalb von 48 Stunden angesehen um mir
sicher zu sein: Die neongetränkten Bilder in Verbindung mit dem
treibenden Soundtrack (mal wieder von seinem Hauskomponisten Clint
Mansell) erfreuen einen anfangs noch und lösen eine gewisse
Sogwirkung aus. Ab einem gewissen Moment setzt aber der
Abnutzungseffekt ein und man merkt, dass der dürftige Inhalt nicht
vollständig kaschiert werden konnte.
(6/10)