Jodorowsky Collection Blu-ray
ReviewAlejandro Jodorowsky ist ein Name, mit dem der heutige Kinogänger
und Filmfan womöglich eher weniger anfangen kann. Dafür sind seine
Werke, zum Teil auch Dank der deutschen Zensurbehörden, zu lange in
Vergessenheit geraten. Doch Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre
mischte der in Chile aufgewachsene Sohn jüdischer Immigranten aus
der Ukraine die Filmwelt gehörig auf und verursachte mit seinen
Werken regelmäßig Skandale und Empörung unter seinem
unvorbereiteten Publikum. Selbst heute, über 40 Jahre nach ihrer
Premiere, sind Jodorowskys Filme noch genauso provokant,
schockierend, aber auch zugleich faszinierend wie damals. Dank der
nun vorliegenden Jodorowsky-Collection kann sich der wagemutige
Cineast davon jetzt selbst überzeugen.
StoryFando und Lis
Das junge Paar Fando und Lis begibt sich auf die Suche nach der
paradiesischen Stadt Tar, um dort sein Glück zu finden. Auf dem Weg
dorthin schiebt Fando seine gelähmte Freundin Lis mitsamt Grammofon
und einer Trommel auf einem Karren durch eine namenlose Einöde.
Dabei begegnen sie den seltsamsten Menschen und Begebenheiten. Doch
auch untereinander beginnt es, im Verlauf ihrer Reise zu kriseln.
Fando verhält sich gegenüber Lis immer brutaler und
rücksichtsloser. Werden die beiden das Gelobte Land trotzdem
erreichen?
El Topo
Der Revolverheld El Topo reitet ziellos durch die Weiten des Wilden
Westens. Begleitet wird er dabei anfangs von seinem kleinen Sohn,
den er nach dem ersten bestandenen Abenteuer allerdings in einer
Mission zurück lässt. Auf seiner weiteren Reise stellt er sich vier
Meistern, die er im Duell besiegen muss. Eine grundlegende Wendung
nimmt sein Leben, als er von seinen Begleiterinnen niedergeschossen
und von Ausgestoßenen in einer Höhle gesund gepflegt wird.
Daraufhin verschreibt er sich der Befreiung seiner Retter.
Der heilige Berg
Ein Alchimist versammelt um sich neun einflussreiche Menschen aus
Wirtschaft, Politik und Kultur, und verspricht ihnen die
Unsterblichkeit. Dafür müssen diese allerdings alles Weltliche
hinter sich lassen. Sie begeben sich auf die Reise zu einem
sagenumwobenen heiligen Berg, auf dem sie von nun an für immer
leben wollen. Der Weg dorthin ist jedoch von erheblichen
Entbehrungen geprägt.
Um es gleich vorweg zu nehmen: 99 Prozent aller Besitzer eines
Blu-ray Players werden mit den Filmen von Alejandro Jodorowsky
nichts anfangen können. Was sich wie eine provokante These anhört,
sollte als gut gemeinte Warnung verstanden werden, um etwaigen
Enttäuschungen vorzubeugen, die unweigerlich eintreten werden, wenn
man sich den in dieser Box enthaltenen Filmen unvorbereitet nähert.
Der einfache Grund liegt auf der Hand: Jodorowsky produziert keine
Filme, sondern Kunst. „Normale“ Regisseure, die ihre Filme noch
dazu im Auftrag eines Filmstudios realisieren, folgen den Regeln
der Filmindustrie. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass
Filmstudios ausschließlich daran interessiert sind, Geld zu
verdienen. Dem muss sich jeder künstlerische Anspruch unterordnen.
Besonders talentierten Regisseuren gelingt es unter diesen
Bedingungen trotzdem, einigermaßen ansehnliche Werke abzuliefern,
die den Intellekt des Zuschauers nicht vollends beleidigen. Doch
hauptsächlich sollen Filme unterhalten und dabei so viele Menschen
wie möglich ansprechen. Nur so stimmen am Ende auch die Bilanzen
der Studios. Jodorowsky begreift das Medium Film jedoch als
Möglichkeit, sich künstlerisch auszudrücken. Der Film ist für ihn
das, was für einen Maler die Leinwand oder für einen Bildhauer
Stein, Holz oder Ton ist: Eben lediglich ein Medium, eine
Möglichkeit, Kunst in die Welt zu setzen. Wer diese Prämisse
verinnerlicht, wird schnell verstehen, wie Jodorowsky an seine
Filme herangeht. Kunst ist nicht dazu da, ein Publikum zu
unterhalten, Kunst transferiert das Innenleben des Künstlers nach
außen, macht es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Echte Kunst schert sich nicht um eine vorherrschende Meinung, sie
ordnet sich auch nicht monetären Zwängen unter, sie existiert, um
ihrer selbst willen. Kunst wohnt keine „Handlung“ inne, Kunst ist
nicht dazu da, einen „Spannungsbogen“ aufzubauen oder eine
stringente „Story“ zu erzählen. Das sind Kategorien, die der Kunst
fremd sind. Der Künstler erschafft ein Werk, das vielleicht nicht
einmal ihm selbst „gefällt“, aber trotzdem in genau diesem Moment
seines Lebens in genau dieser Form entstehen musste. Die Gründe -
warum gerade jetzt, warum gerade in dieser Gestalt – sind nicht von
Belang. Daher ist es auch müßig, ein Kunstwerk interpretieren zu
wollen, es in Kategorien oder Schubladen einzuordnen, oder mit
einem Siegel „Gut“ oder „Schlecht“ zu versehen. Allgemeingültige
Interpretationen sind von vorne herein zum Scheitern verurteilt.
Gerade so abstrakte Kunst wie die Filme eines Alejandro Jodorowsky
muss jeder für sich selbst entdecken. Fando und Lis ist kein
verdrehter Roadmovie, obwohl man den Film durchaus als solchen
bezeichnen könnte, El Topo ist kein Western, obwohl er sich dessen
Motiven bedient. Am ehesten ist Der heilige Berg noch als eine Art
Selbstfindungsdrama zu sehen, wobei gerade das Ende des Films
jegliche Ambitionen in dieser Hinsicht ad absurdum führt. In allen
Werken visualisiert Jodorowsky Schönheit, Hässlichkeit, Gewalt, Sex
und das immer währende Streben des Menschen nach Glück und
Erlösung. Wenn man einen gemeinsamen Nenner der drei Filme finden
möchte, dann ist es vielleicht diese immerwährende Suche nach Glück
und Frieden, die die „Helden“ antreibt und sie alle Heimtücken des
Schicksals ertragen lässt. Vielleicht sehen Sie das aber auch
völlig anders?
Bildqualität
Der im Jahr 1968 entstandene Beitrag Fando und Lis liegt lediglich
auf DVD vor. Somit sind hier auf technischer Seite keine Wunder zu
erwarten. Für einen weit über 40 Jahre alten Schwarz-Weiß-Film ist
die Qualität aber annehmbar. Das Bildformat ist 1,66:1, wurde aber
nicht anamorph transferiert. Dem TV-eigenen Zoom kann man nicht
nutzen, da sonst die deutschen Untertitel nicht mehr vollständig
sichtbar sind. Um ein verzerrungsfreies Bild zu erhalten, sollte
man den Fernseher auf 4:3 einstellen. Dagegen ist die Bildqualität
von El Topo und Der heilige Berg absolut herausragend! Beide Filme
wurden extrem gut restauriert, negative Eigenschaften muss man mit
der Lupe suchen. Das Bild verfügt über eine hohe Detailschärfe,
ohne dass der filmische Look durch digitale Hilfsmittel
beeinträchtigt wird. Die Kontraste sind ausgewogen und die Farben
kräftig, ohne zu überstrahlen. Filmkorn bleibt zu jeder Zeit
sichtbar. Der Schwarzwert wird nicht gefordert. Altersbedingte
Verschmutzungen oder Beschädigungen sind nur selten auszumachen.
Für das Alter nahezu perfekt!
Tonqualität
Auch beim Ton nimmt Fando und Lis eine Sonderstellung ein. Der Film
liegt im spanischen Original mit zuschaltbaren deutschen
Untertiteln vor. Wer es nicht gewohnt ist, einen Film mit
Untertiteln zu schauen, kann an dieser Stelle beruhigt werden.
Allzu viel wird nicht geredet, außerdem gewöhnt man sich an die
Untertitel recht schnell. Insgesamt ist der Ton sicher der
Schwachpunkt dieser Veröffentlichung, wenngleich die Tonspuren
keine unangenehmen altersbedingten Schäden aufweisen. Ein
akustisches Spektakel sollte man aber natürlich nicht erwarten.
Fando und Lis liegt in Dolby Digital 2.0 vor, die beiden anderen
Beiträge in LPCM 2.0 Mono. Die Dialoge sind immer verständlich,
ansonsten greifen hier die Attribute „frontlastig“ und
„zweckmäßig“. Einige wenige, vormals geschnittene Szenen, für die
kein deutscher Ton mehr vorhanden ist, wurden untertitelt.
Ausstattung
-
Audiokommentare zu allen Filmen von Alejandro
Jodorowski
-
Kurzfilm „Die Krawatte“ (auf „Fando und Lis“)
-
Dokumentation „Die Konstellation Jodorowsky“ (ca. 90 Min., auf
„Fando und Lis“)
-
Soundtrack CDs zu „El Topo“ und „Der heilige Berg“
-
Booklet „El Topo“ (24 Seiten): sehr ausführliches Interview mit
dem Regisseur aus dem Jahr 1970
-
Booklet „Der heilige Berg“ (12 Seiten): Abhandlung über die
Filme von Filmhistoriker Claus Löser
Nahezu alles, was man über Jodorowsky und seine Filme wissen muss,
findet sich in der einen oder anderen Form im Bonusmaterial dieser
Box. Abgerundet wird das Ganze von den beiden Soundtrack CDs.
Vorbildlich!
Fazit
Vor allem bildtechnisch können sich El Topo und Der heilige Berg
sehen lassen. Hier wurde von den Restaurateuren ganze Arbeit
geleistet. Da Fando und Lis lediglich auf DVD vorliegt, fällt die
Qualität im Vergleich deutlich ab. Der Ton wurde bei allen Filmen
ebenfalls sorgfältig bearbeitet, wird die heimische Surroundanalge
allerdings vor keine unlösbaren Aufgaben stellen. Das Bonusmaterial
der Box dürfte Interessierte voll und ganz zufrieden stellen.
Alejandro Jodorowskys Filme sind surreal, radikal, teilweise brutal
und abstoßend und scheuen auch vor der Nacktheit des menschlichen
Körpers aller Altersklassen nicht zurück. Teilweise wähnt sich der
Zuschauer in einem wirren LSD-Trip gefangen, was mit der
Entstehungszeit der Filme gut erklärbar ist. Grundsätzlich sollte
man sich Jodorowskys Werk nur nähern, wenn man bereit ist, auf
gängige Erzählstrukturen zu verzichten. Der Regisseur nutzt den
Film als künstlerisches Medium und nicht dazu, die Erwartungen des
Publikums zu erfüllen. Wer sich darauf einlässt, wird einige
erstaunliche Stunden verbringen, soviel ist sicher.
Kurzbewertungen:
Story: 9/10
Bild: 7/10
Ton: 5/10
Extras: 9/10
Gesamt*: 7/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die
Story nicht berücksichtigt.Kaufempfehlung: 8/10
Die Kaufempfehlung der Jodorowsky
Collection Blu-ray wird anhand der technischen Bewertung und unter
Berücksichtigung der Story berechnet.Testgeräte:
TV: Panasonic TX-P55VT50E (55“) (kalibriert)
BDP: Panasonic DMR-BST735
Ton: Pioneer SC-LX56
Lautsprecher: B&W 803S (Main), Boston A26 (Front-Wide,
Surround), Teufel M-500 (Back-Surround)