Das Wochenende Blu-ray ReviewWenn es in Deutschland darum geht, die eigene Geschichte
aufzuarbeiten, dann stehen meistens die Jahre 1933 bis 1945 oder
die Wiedervereinigung im Mittelpunkt. Doch dabei übersieht man
leicht die anderen, „kleineren“ Verwerfungen unserer
Zeitgeschichte, die vielleicht nicht diesen historischen Impact
aufweisen, die Bundesrepublik aber trotzdem nachhaltig beeinflusst
und geprägt haben. Dazu gehört zum Beispiel der so genannte
„Deutsche Herbst“ des Jahres 1977, in dem der Terror der
linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF) das Land in Atem
hielt. Die Entführung und Ermordung des damaligen
Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, die Entführung der
Lufthansa-Maschine Landshut und die Selbstmorde der bereits
inhaftierten RAF-Mitglieder Baader, Ensslin und Raspe hielten
wochenlang nicht nur die deutsche Bevölkerung in Atem. Man sollte
zumindest im Groben mit diesen Ereignissen vertraut sein, um die
Hintergründe des Ensemble-Dramas Das Wochenende von Regisseurin
Nina Grosse vollständig zu verstehen.
Story:
Nach 18 Jahren wird der ehemalige RAF-Terrorist Jens Kessler (S.
Koch) aus der Haft entlassen. Grund genug für seine Schwester Tina
(B. Auer), in einem abgelegenen Landhaus ein Willkommensessen zu
veranstalten. Zu diesem Zweck lädt sie alte Freunde und
Weggefährten zu einem Abendessen ein. Als Inga Lansky (K. Riemann)
die Nachricht von der Freilassung erreicht, verspürt sie zuerst nur
wenig Lust an dieser Feier teilzunehmen. Denn Inga verbindet mit
Jens mehr als alte Ideale. Doch letztlich willigt auch sie ein und
reist mit ihrem Mann Ulrich (T. Moretti) in die brandenburgische
Provinz. Von Anfang an lastet die gemeinsame, für fast alle längst
vergessene, Vergangenheit schwer auf dem Wiedersehen. Während Jens
noch in den alten Dogmen verhaftet ist, haben sich seine Freunde
längst gutbürgerliche Existenzen aufgebaut. Und Jens quält noch
immer die Frage, wer ihn damals an die Polizei verraten hat.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Wochenende ist nur ansatzweise
ein politischer Film. Die fehlgeleiteten Ideale der damaligen
Untergrundkämpfer stehen nicht im Mittelpunkt der Handlung. Eine
konkrete Aufarbeitung jener Zeit findet ebenfalls nicht statt. Es
wird lediglich angedeutet, dass Jens für die Beteiligung an einem
Mord verurteilt wurde. Ob er selbst den Abzug gedrückt hat, bleibt
offen. Das ist für die eigentliche Intention des Films auch gar
nicht wichtig. Die Konfrontation mit Jens und seinen Ansichten
dient lediglich als Katalysator für seinen Freundeskreis, das
eigene Leben zu reflektieren und in gewisser Weise zu bewerten. Es
ist eine Konfrontation von unterschiedlichen Lebensentwürfen, die
hier zum einen im Mittelpunkt steht. Jens, der im Gefängnis nie die
Möglichkeit hatte, sich von eingefahrenen Gedankenmustern zu lösen,
ist nach wie vor der ideologische Hardliner. Seine Freunde von
früher haben jedoch die Zeit in Freiheit genutzt und sich schlicht
und einfach weiterentwickelt, haben die Verachtung gegenüber der
bürgerlichen Gesellschaft hinter sich gelassen und ihr Wertesystem
neu ausgerichtet. Auf Jens wirkten die Jahre im Gefängnis hingegen
wie eine Zeitkapsel, die ihn und seine politischen und
gesellschaftlichen Ansichten konserviert haben. Dass nun aus diesen
weltanschaulichen Gegensätzen Konflikte entstehen, versteht sich
von selbst. Als wäre das nicht Reibung genug, kommen noch
zahlreiche emotionale Befindlichkeiten hinzu. Jens und Inga hatten
damals eine Beziehung, die nicht folgenlos geblieben ist. Es wird
nicht nur schnell überdeutlich, dass Inga noch immer Gefühle für
ihren ehemaligen Freund hegt. Jens wird an diesem schicksalhaften
Wochenende auch noch mit seinem mittlerweile erwachsenen Sohn
konfrontiert, den er nie wirklich anerkannt hat. Dieser ist
folgerichtig nicht eben gut auf seinen Vater zu sprechen. Letztlich
sind es die persönlichen und emotionalen Verwicklungen, die den
größten Teil dieses Wochenendes einnehmen. Das alles ist freilich
ein hochexplosives Gemisch, aus dem man gut und gerne einen
spannenden Thriller hätte machen können. Oder eine mit scharfem
Dialogwitz überquellende schwarze Komödie, wie es „Der Gott des
Gemetzels“ so herrlich leichtfüßig vorgemacht hat.
Aber – natürlich gibt es an dieser Stelle ein Aber – handelt es
sich hier um einen typisch deutschen Film. Und Sie ahnen es
bereits, wenn an dieser Stelle „typisch deutsche Tugenden“
beschworen werden, ist damit nicht die Spielweise der Nationalelf
gemeint. Denn im Filmbereich ist diese Eigenschaft aus langjähriger
Erfahrung eher negativ belegt. Ja, die Schauspieler, nahezu alle
gut bekannt aus Funk und Fernsehen, verstehen durch die Bank ihr
Fach. Doch leider werden sie, mal wieder, in keiner Weise auch nur
ansatzweise gefordert. Überaus routiniert spulen sie ihr Programm
ab. Dass es zu mehr nicht reicht liegt einmal mehr an der überaus
schwermütigen und uninspirierten Inszenierung, die so vielen
einheimischen Produktionen gemein ist. Wo ist der Esprit? Wo ist
der spannende Twist? Wo ist der Humor? Warum müssen solche Filme
aus deutscher Produktion immer so bierernst sein? Wieso tun sich
deutsche Drehbuchautoren und Regisseure so schwer damit, Anspruch
und Entertainment zu verbinden? Gibt es hierzulande tatsächlich nur
die Entscheidung zwischen dem „Entweder“ der banalen
Til-Schweiger-Komödie und diesem „Oder“ des bleischweren Dramas?
Natürlich ist „Das Wochenende“ kein schlechter Film. Handwerklich
offenbart sich auf jeder Produktionsebene gehobenes Niveau. Und
wenn man sich auf die Geschichte und die Personen einlässt, nimmt
man auch sicherlich einige Erkenntnisse mit. Ob der reichlich
aufgesetzte Vater-Sohn-Konflikt nun wirklich auch noch sein musste,
sei mal dahin gestellt. Das Wochenende bleibt aber darüber hinaus
zu jeder Zeit in den Denkmustern des „typisch deutschen“
Anspruchskinos verhaftet. Wer sich sowas freiwillig anschaut?
Wahrscheinlich nur Vertreter des gesetzten mittelständischen
Bildungsbürgertums. Man sollte schon einen gewissen Punkt in seinem
Leben erreicht haben, und damit auch ein gewisses Alter, um die
Motivationen der handelnden Personen überhaupt nachvollziehen zu
können. Der durchschnittliche 20-Jährige wird mit den hier
gewälzten Problemen kaum etwas anfangen können. Ältere Semester
(mit Verlaub), die selbst schon den einen oder anderen Twist des
Schicksals miterlebt haben, werden sich in den Beweggründen und
Gedanken der Protagonisten sicher eher wiederfinden.
Bildqualität:
•sehr gute Schärfe und Detailzeichnung
•warme Herbstfarben überwiegen. Das Farbspektrum ist leicht ins
bräunliche verschoben
•kein Filmkorn erkennbar
•leicht erhöhte Kontraste
•Schwarzwert verschluckt keine Details, wird aber auch nur selten
gefordert
•insgesamt sehr „glatter“ und sauberer Transfer
Beim Bildtransfer gibt es nichts zu beanstanden. Das Bild ist sehr
sauber und klar. Die warmen Farben passen gut zur ruhigen Stimmung
des Films.
Tonqualität:
•Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1
•Dialoge meist gut verständlich
•sehr frontlastige Abmischung
•gelegentlich verirren sich einige atmosphärische Surroundeffekte
auf die entsprechenden Lautsprecher
•kein Tiefbass
•Soundtrack trägt zur ruhigen (schwermütigen?) Atmosphäre bei
Dass hier kein Effektspektakel zu erwarten ist, dürfte klar sein.
Darüber hinaus zeigt sich der Ton sauber abgemischt und
zweckmäßig.
Ausstattung:
•Audiokommentar von Regisseurin Nina Grosse
•Interviews (ca. 30 Min.)
•Trailer
Der Audiokommentar und die Interviews vermitteln einige
Informationen zur Produktion und Intention des Films. Mehr braucht
es auch eigentlich nicht.
Fazit:
Technisch bewegt sich die vorliegende Blu-ray auf ansehnlichem
Niveau. Der Bildtransfer erlaubt sich so gut wie keine Schwächen.
Da es sich hier um keinen Actionfilm handelt, darf man vom Ton
keine Karussellfahrt erwarten. Eine saubere Abmischung gibt es
allemal zu hören. Die Extras sind übersichtlich aber in diesem Fall
sicher ausreichend.
Modernes, anspruchsvolles Unterhaltungskino, das auch ernste Themen
mit Esprit verpackt und für kurzweilige 100 Minuten sorgt – ist Das
Wochenende leider nicht. Vielmehr greift hier einmal mehr das
Klischee vom „typisch deutschen“ Film, der, wenn er denn einen
gewissen Anspruch vermitteln möchte, in bleierne Schwermut und
überzogene Ernsthaftigkeit abgleitet. In der Altersgruppe der 40
bis 60-Jährigen werden sich ohne Zweifel einige finden, die sowohl
der Thematik als auch der gediegenen Inszenierung etwas abgewinnen
können. Allen anderen kann man dieses Selbstfindungsdrama der
Manufactum-Generation nur bedingt empfehlen.
Kurzbewertungen:
Story: 6/10
Bild: 9/10
Ton: 6/10
Extras: 4/10
Gesamt*: 6/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die Story nicht
berücksichtigt.
Kaufempfehlung: 6/10
Die Kaufempfehlung der Das Wochenende Blu-ray wird anhand der
technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der Story
berechnet.
Testgeräte:
TV: Panasonic TX-P55VT50E (55“) (kalibriert)
BDP: Panasonic DMR-BST720
AVR: Pioneer SC-LX56
Boxen: B&W 803S (Main), Boston A26 (Front-Wide, Surround),
Teufel M-500 (Back-Surround)