Film: 9/10
Bild: 7/10
Tonqualität: 8/10
Extras: 5/10
Regisseur und Autor Steven Moffat hat für die BBC schon einiges
geleistet. Als da wären die Sitcom Coupling, einer Art Vorläufer
von How I Met Your Mother, und die Wiederbelebung der seit 1989
brachliegenden Science-Fiction-Kultserie Doctor Who, für die er
seit 2010 auch als Showrunner verantwortlich ist. Und die Miniserie
Jekyll, welche die klassische Romanvorlage Jekyll und Hyde ins Hier
und Heute verlegt. Eine Art Fingerübung, wenn man so will, für den
ganz großen Clou: Sherlock! In Sherlock verlegt Moffat die
Abenteuer des berühmtesten Detektivs der Welt in das London von
Heute, während er der literarischen Vorlage weitestgehend treu
blieb. Als Hauptdarsteller agieren Benedict Cumberbatch, der
spätestens seit seiner genialen Darstellung des Schurken Kahn in
Star Trek: Into Darkness einem breiten Publikum bekannt sein
dürfte, und Martin Freemann als Doctor Watson, der momentan als Der
Hobbit durch die Länder Mittelerdes streift.
Film:
Dr. John Watson (M. Freemann) ist soeben aus dem Afghanistankrieg
zurückgekehrt und sucht eine erschwingliche Unterkunft in London.
Ein alter Studienkollege bringt ihn mit Sherlock Holmes (B.
Cumberbatch) zusammen, einem sehr exzentrischen Zeitgenossen,
welcher der Polizei als beratender Detektiv zur Seite steht. Mit
Sherlocks Hilfe gelingt es der Polizei, verzwickte Verbrechen
aufzuklären, die der Ermittler alleine mit Hilfe seiner deduktiven
Fähigkeiten zu lösen vermag. Allerdings werden die beiden dadurch
auch zum Spielball eines Verbrechergenies: dem ebenso genialen wie
bösartigen James Moriarty.
Die Geschichten wurden in das heutige London verlegt. Statt mit
Lexika und Telegrammen arbeitet Sherlock mit einem Smartphone, das
er fast so schnell und gezielt einzusetzen weiß wie seinen
Verstand. Statt exzessivem Tabakkonsum klebt er Unmengen von
Nikotinpflastern auf seine Arme und die berühmte Deerstalker-Mütze
zieht er nur auf, um sich vor der Presse zu verhüllen. Ansonsten
wurde alles beim Alten belassen, ohne dabei auch nur ansatzweise
altbacken zu wirken. Die genialen Rückschlüsse, die der Meister der
Deduktion aus seinen Beobachtungen zieht, werden dem Zuschauer
anhand kurzer Texteinblendungen näher gebracht. Dazu gibt es
haufenweise schwarzen Humor und spitze Dialoge, die der Serie
zusätzlich Würze verleihen und gelungen auflockern. Eine absolut
geniale Umsetzung des Stoffes, die von Anfang bis Ende packt und
mitreißt.
Die Staffel besteht aus drei Folgen in Spielfilmlänge. Der erste
Fall, Ein Fall von Pink, führt den Zuschauer an die Figuren heran,
wobei er sich fast akribisch an den ersten Sherlock-Holmes-Roman
„Eine Studie in Scharlachrot“ hält. Die Vorstellung der beiden
Protagonisten und ihr Kennenlernen sind dabei gar Wort für Wort
übernommen worden. Um den Holmsianern, welche die Vorlage auswendig
kennen dennoch etwas neue zu bieten, wurde die Geschichte und der
auflösende Clou verändert und modernisiert. Die zweite Folge widmet
sich einem eher unbedeutenden Fall, bietet aber den Auftakt für den
dritten und spannendsten Fall, in dem auch endlich der legendäre
und diabolische Gegenspieler persönlich auf den Plan tritt. Dazu
wurden mehrere Fälle miteinander verwoben, um die Genialität von
Sherlocks Nemesis zu portraitieren. Dieser wurde in der
Neuinterpretation zu einem „Beratenden Verbrecher“, der den kleinen
Fischen bei der Durchführung ihrer Taten unter die Arme greift.
Eine Art Anti-Holmes sozusagen. War Moriarty in den Geschichten von
Arthur Conan Doyle bestenfalls eine – wenn auch wichtige und
gefährliche – Randfigur, die eigentlich nur in zwei Geschichten
persönlich auftaucht, wurde diese Figur im Laufe der Jahre mit den
zahlreichen Verfilmungen und Pastiches zu einer Art Ikone
hochstilisiert. Auch Moffat geht in seiner Serie so vor, wobei er
Moriartys Persönlichkeit besonders ausleuchtet und auch für die
Zukunft sicher noch die eine oder andere Wendung im Ärmel hat,
welche der Zuschauer im Moment vermutlich nicht einmal ahnt.
Die Darsteller sind durch die Bank grandios. Benedikt Cumberbatch
(Star Trek: Into Darkness) spielt den exzentrischen und von sich
überzeugten Meisterdetektiv mit einer Arroganz und Überheblichkeit,
dass er der Vorlage mehr als gerecht wird. Auch Martin Freemann
(Der Hobbit) erfüllt seine Rolle als Doktor Watson mit Leben. Wurde
Watson in der klassischen Serie aus den 1940ern von Darsteller
Nigel Bruce noch als einfältiger Trottel dargestellt – eine
Darstellung, die sich über die Jahre hinweg fortsetzte – wird er
hier der Vorlage absolut gerecht. Fairerweise muss man sagen, dass
auch Guy Richies Interpretation in seinen beiden Sherlock Holmes
Filmen der Vorlage absolut gerecht wird, aber Freemann schafft es
in der Serie einen Deut besser, die Überraschung seiner Figur, wenn
er wieder einmal mit den genialen Schachzügen seines Freundes
konfrontiert wird, darzustellen.
Auf der Gegenseite agiert Andrew Scott als Moriarty. Das gelingt
ihm derart diabolisch und verschlagen, dass dem Zuschauer das Blut
in den Adern gefriert. Auch Sherlocks Bruder Mycroft, der zwar kein
wirklicher Gegenspieler ist, aber dennoch deutlich tiefsinniger und
verschlagener rüberkommt als in der literarischen Vorlage (in der
er lediglich als fauler aber einflussreicher Mensch beschrieben
wird, dessen analytische Fähigkeiten die seines Bruders teilweise
übertreffen), wird von Mark Gatiss nicht nur vortrefflich und noch
arroganter gespielt als Sherlock – darüber hinaus war Gatiss
maßgeblich an der Entwicklung der Serie beteiligt und ist für zwei
der Drehbücher verantwortlich.
Nein, die Serie ist nicht gut. Sie ist ausgezeichnet. Die
Geschichten in die heutige Zeit zu verlegen, und dabei der Vorlage
trotzdem absolut gerecht zu werden, ist ein Spagat, eine
Meisterleistung, die absolut und in jeder Hinsicht gelungen
ist.
Bildqualität
Das Bild ist ausgesprochen ernüchternd und kann seine
Fernsehherkunft leider nicht verbergen. Die blasse, kalte
Farbgebung sollte an dieser Stelle nicht einmal so stark kritisiert
werden, da es zum Stil der Serie gehört. Die teilweise mangelnde
Schärfe und vor allem zahlreiche Kompressionsfehler, die sich immer
wieder – besonders in dunklen Szenen –bemerkbar machen, lassen
diese geniale Serie nicht gerade im besten Licht erscheinen.
Andererseits passt alles zur recht ernsten, düsteren Atmosphäre der
Serie, und vermittelt einen Eindruck von einem neblig-schmuddeligen
London aus viktorianischer Zeit. Und auch wenn die Schärfe durchaus
besser sein könnte, offenbart sie einiges an Details und zaubert –
besonders im Nahbereich – auch richtiges HD-Feeling ins
Heimkino.
Tonqualität:
Wo das Bild schwächelt, überzeugt zumindest der Ton. Zwar ist die
Serie erwartungsgemäß sehr dialog- und daher frontlastig, verfügt
aber dennoch über das eine oder andere Highlight und überzeugt mit
einer angemessenen Signalortung in den richtigen Augenblicken. Die
Dialoge klingen natürlich und sind jederzeit klar verständlich – im
Englischen sogar noch ein wenig besser.
Bonus:
Neben den Audiokommentaren zu der ersten und der letzten Episode
gibt es noch ein 32minütiges Making-Of und die 55minütige
Pilotfolge „Ein Fall von Pink“, welches im Grunde genommen nichts
weiter als eine alternative Vorab-Version der ursprünglichen
Pilotfolge ist. Schade ist, dass auf deutsche Untertitel komplett
verzichtet wurde.
Ferner wurde der Box ein 16-seitiges-Booklet mit
Hintergrundinformationen beigelegt.
Fazit:
Bildtechnisch ist die erste Staffel der genialen Serie durchaus
verbesserungswürdig. Blasse Farben und mittelmäßige Schärfe, dazu
leider einige Kompressionsfehler – das ist einer aktuellen
Produktion einfach nicht angemessen. Immerhin ist der Ton ganz
ordentlich abgemischt, verfügt über eine gute Signalortung und
teilweise über ganz nette Soundeffekte. Allerdings bleibt die Serie
überwiegend frontlastig. Auch das Bonusmaterial könnte ruhig etwas
üppiger ausfallen. Das völlige Fehlen von deutschen Untertiteln
hinterlässt zusätzlich einen gemischten Eindruck.
Inhaltlich bietet die 2-Disc-box dreimal Hochspannung par
Excellence. Die berühmten Fälle des Meisterdetektivs und seines
Freundes und Begleiters wurden in die Neuzeit transportiert,
geringfügige verändert, und exquisit in Szene gesetzt. Besser kann
Krimi-Unterhaltung eigentlich überhaupt nicht aussehen, und die
Erwartungen, die an die bald anlaufende dritte Staffel gestellt
werden, sind enorm hoch. Kombiniere: Ein Pflichtkauf! (ms)