Film: 8/10
Bild: 8/10
Tonqualität: 9/10
Extras: 7/10
Als Regisseurin Hermine Huntgeburth 2011 den amerikanischen
Abenteuerklassiker Tom Sawyer auf die Leinwand brachte, waren viele
zuerst skeptisch. Konnte man diesen uramerikanische Klassiker der
Jugendliteratur überhaupt in Deutschland und mit deutschen
Schauspielern realisieren? Man konnte! Und ein Jahr später legte
Huntgeburth die Fortsetzung nach, wobei sie auf das altbewährte
Team zurückgriff, welches auch schon Tom Sawyer in die
Lichtspielhäuser brachte. Produziert von Boris Schönfelder
(Nordwand) und finanziert durch zahlreiche deutsche Filmstiftungen
sollte die Regisseurin erneut beweisen, dass sich auch das zweite
Mississippi-Abenteuer in Deutschland realisieren lässt. In wieweit
dies gelungen ist, soll dieses Review klären.
Film:
Huck Finn lebt inzwischen bei der Witwe Douglas. Allerdings bekommt
Hucks trinksüchtiger Vater mit, dass sein Sohn inzwischen reich
ist, und es brennt ihm in den Fingern, sich den Reichtum seines
Sohnes unter den Nagel zu reißen.
Um seinem brutalen Vater zu entfliehen täuscht Huck seinen Tod vor
und macht sich mit einem selbstgebauten Floss auf den Weg.
Unterwegs begegnet ihm der Sklave Jim, der ebenfalls auf der Flucht
ist. Gemeinsam planen die beiden, sich bis nach Ohio
durchzuschlagen. Allerdings sind den beiden sowohl Hucks Vater, als
auch Sklavenjäger auf den Fersen, die zwar alles andere als
Intelligent, dafür aber umso entschlossener sind.
Das gesamte Ambiente und die Grundstimmung treffen voll den
Zeitgeist und den Ort der Handlung. Der Mississippi und das
Lebensgefühl werden von wunderbaren Bildern direkt ins Heimkino
transportiert und vermitteln ein wohlig-warmes Gefühl von Freiheit
und Jugend.
Wie schon beim Vorgänger kreierte Drehbuchautor Sascha Arango aus
der bekannten Romanvorlage von Mark Twain eine Geschichte, die nah
genug an der Vorlage ist, um einen hohen Wiedererkennungswert zu
haben, andererseits genügend Änderungen enthält, um die Story in
einen interessanten Film zu verwandeln.
Während Tom Sawyer noch eine klassische Abenteuergeschichte mit
relativ rotem Faden war, ist Huck Finn eine eher episodenhafte
Erzählung, die durch Arangos Änderungen erst richtig an
Zusammenhang gewinnt. Dabei hält er sich eben nicht sklavisch an
die Vorlage, sondern ändert einiges, wodurch der Film reichlich an
Tempo gewinnt.
So gewinnt der Film durch die Verfolgung durch die Sklavenjägern
und Hucks Vater (dessen Leiche in der Romanvorlage recht früh
gefunden wird) enorm an Spannung, und präsentiert nebenbei ein paar
wirklich sehenswerte Charakterköpfe in grandios gespielten
Rollen.
Überhaupt sind die Darsteller wieder hervorragend ausgewählt
worden. Nahezu jede wichtige Rolle wurde mit einem bekannten
Gesicht besetzt.
Neben der Hauptrolle, die erneut von Leon Seidel gespielt wird,
brilliert Jacky Ido als Jim. Der westafrikanische Schauspieler
arbeitete bereits mit Tarantino in Inglourious Basterds zusammen,
und spielt den Sklaven einfach nur grandios.
Auch Peter Lohmeyer als Richter Thatcher und Heike Makatsch als
Tante Polly sind wieder mit an Bord, wenn auch nur kurz. Größer
fällt da schon die Rolle des Berliner Komikers Kurt Krömer aus, der
als Landstreicher und Betrüger „Herzog“ eine Performance liefert,
die erstaunliche Ähnlichkeiten zu seiner Bühnenfigur aufweist,
andererseits aber auch perfekt in die Rolle hineinpasst. Als
Antagonisten fungieren Henry Hübchen, Milan Peschel (Schlussmacher)
und Grimme-Preisträger Andreas Schmidt, die eine wahnsinnige
Performance abliefern, sich dabei perfekt ergänzen und für die
nötige Spannung sorgen. Allerdings stiehlt Oberbösewicht August
Diehl in der Rolle von Hucks Vater allen die Show. Der
Charakterbösewicht, der ebenfalls bei Inglourious Basterds
mitwirkte, spielt alle mit seiner Boshaftigkeit an die Wand.
Spannung und Abenteuer, Humor und Drama, all das vereint
Regisseurin Huntgeburth in diesem Film. Leider verliert sie dabei
ein wenig Tiefgründigkeit der Geschichte, die sich um Toleranz und
Rassismus vor dem Hintergrund der Sklavenhaltung abspielt, aus den
Augen. Das wäre dann aber auch schon der einzige Kritikpunkt.
Dennoch ist der Film ein Appell an die Menschlichkeit, gegen
Rassismus und gleichzeitig kurzweilig und unterhaltsam, dabei
kindgerecht umgesetzt und hat nur wenige Längen. Unterm Strich kann
man sagen: Gut gemacht, Frau Huntgeburth!
Bildqualität
- Bildformat: 2,35:1 (16:9 Letterbox) in 1920x1080p Auflösung
- Überwiegend hohe Schärfe
- Satte Farben
Die Außenaufnahmen des Films bestechen durch eine gute Schärfe und
phantastische Farben. Innenaufnahmen wirken hingegen leicht weich
und neigen dazu, an den Kanten ein wenig zu verschwimmen. Ansonsten
kann man hier von einem ganz anständigen Bild reden, das
haufenweise Highlights bietet, aber leider nicht ganz die
Qualitäten aufweist, die andere Produktionen aufweisen. Leichtes,
fast nicht wahrnehmbares Filmkorn macht sich insbesondere in den
dunklen Szenen bemerkbar, fällt aber nicht weiter negativ
auf.
Tonqualität:
- Deutsch DTS HD-Master Audio 5.1
Die Tonspur bereitet richtig Freude. Die Dialoge gliedern sich
dynamisch in das Geschehen ein und bleiben stets klar verständlich,
was bei deutschen Filmen häufig nicht ganz der Fall ist. Die
Soundpalette ist einfach grandios. Satte Bässe und sauber
platzierte Subwoofereinsätze, hervorragende Signalortung und fast
permanente Umgebungsgeräusche runden das Audioerlebnis ab. Und der
wunderschön-leichte Soundtrack gefällt ohnehin.
Bonus:
- Beste Freunde
- Alte Bekannte
- Hinter den Kulissen
- Premiere Filmfest Hamburg
- Making-of Visuelle Effekte
- Leon Seidel zu Gast im Tigerenten Club
- Outtakes
- Interviews
- Nicht verwendete Szenen
- Original Kinoteaser und Trailer
- Fotogalerie
- BD-ROM mit Vision Kino-Filmheft mit Unterrichtsmaterialien
Der Bonussektor besteht größtenteils aus belanglosem Werbematerial,
gefällt aber dennoch. In knapp 73 Minuten kann man einen Blick
hinter die Kulissen werfen oder sich an netten Kleinigkeiten
erfreuen.
Fazit:
Das Bild der deutschen Abenteuergeschichte ist durchweg gut,
erreicht aber nicht ganz die Qualität anderer Produktionen.
Grundsätzlich zu beanstanden gibt es zwar nichts, aber letztendlich
sind es die Kleinigkeiten, die eine höhere Wertung
verhindern.
Der Ton ist hingegen phantastisch und kratzt ganz knapp an der
Referenz.
Auch der Bonussektor ist reichlich gefüllt und wartet mit allerlei
Hintergrundinformationen und netten Schmankerl auf, die zwar
größtenteils unnütz sind, aber dennoch Spaß machen.
Der Film bietet perfekte Unterhaltung für die ganze Familie. Er ist
lustig, dramatisch, spannend und nicht eine Minute langweilig. Das
liegt sowohl an dem flotten Drehbuch, als auch an den grandiosen
Schauspielern, die allesamt hervorragend in ihre Rollen passen und
dementsprechend darin aufgehen. Zugleich ist der Film eine Hommage
an die Jugend und Abenteuerlust, aber auch ein Appell gegen den
Rassismus. Ein unbedingtes Muss für alle, die sich mal wieder so
richtig wohl fühlen möchten.