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Die Abenteuer des Huck Finn

Gestartet: 06 Aug 2013 17:06 - 0 Antworten

#1
Geschrieben: 06 Aug 2013 17:06

Michael Speier

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Film: 8/10
Bild: 8/10
Tonqualität: 9/10
Extras: 7/10

Als Regisseurin Hermine Huntgeburth 2011 den amerikanischen Abenteuerklassiker Tom Sawyer auf die Leinwand brachte, waren viele zuerst skeptisch. Konnte man diesen uramerikanische Klassiker der Jugendliteratur überhaupt in Deutschland und mit deutschen Schauspielern realisieren? Man konnte! Und ein Jahr später legte Huntgeburth die Fortsetzung nach, wobei sie auf das altbewährte Team zurückgriff, welches auch schon Tom Sawyer in die Lichtspielhäuser brachte. Produziert von Boris Schönfelder (Nordwand) und finanziert durch zahlreiche deutsche Filmstiftungen sollte die Regisseurin erneut beweisen, dass sich auch das zweite Mississippi-Abenteuer in Deutschland realisieren lässt. In wieweit dies gelungen ist, soll dieses Review klären.


Film:

Huck Finn lebt inzwischen bei der Witwe Douglas. Allerdings bekommt Hucks trinksüchtiger Vater mit, dass sein Sohn inzwischen reich ist, und es brennt ihm in den Fingern, sich den Reichtum seines Sohnes unter den Nagel zu reißen.
Um seinem brutalen Vater zu entfliehen täuscht Huck seinen Tod vor und macht sich mit einem selbstgebauten Floss auf den Weg. Unterwegs begegnet ihm der Sklave Jim, der ebenfalls auf der Flucht ist. Gemeinsam planen die beiden, sich bis nach Ohio durchzuschlagen. Allerdings sind den beiden sowohl Hucks Vater, als auch Sklavenjäger auf den Fersen, die zwar alles andere als Intelligent, dafür aber umso entschlossener sind.

Das gesamte Ambiente und die Grundstimmung treffen voll den Zeitgeist und den Ort der Handlung. Der Mississippi und das Lebensgefühl werden von wunderbaren Bildern direkt ins Heimkino transportiert und vermitteln ein wohlig-warmes Gefühl von Freiheit und Jugend.
Wie schon beim Vorgänger kreierte Drehbuchautor Sascha Arango aus der bekannten Romanvorlage von Mark Twain eine Geschichte, die nah genug an der Vorlage ist, um einen hohen Wiedererkennungswert zu haben, andererseits genügend Änderungen enthält, um die Story in einen interessanten Film zu verwandeln.
Während Tom Sawyer noch eine klassische Abenteuergeschichte mit relativ rotem Faden war, ist Huck Finn eine eher episodenhafte Erzählung, die durch Arangos Änderungen erst richtig an Zusammenhang gewinnt. Dabei hält er sich eben nicht sklavisch an die Vorlage, sondern ändert einiges, wodurch der Film reichlich an Tempo gewinnt.
So gewinnt der Film durch die Verfolgung durch die Sklavenjägern und Hucks Vater (dessen Leiche in der Romanvorlage recht früh gefunden wird) enorm an Spannung, und präsentiert nebenbei ein paar wirklich sehenswerte Charakterköpfe in grandios gespielten Rollen.
Überhaupt sind die Darsteller wieder hervorragend ausgewählt worden. Nahezu jede wichtige Rolle wurde mit einem bekannten Gesicht besetzt.
Neben der Hauptrolle, die erneut von Leon Seidel gespielt wird, brilliert Jacky Ido als Jim. Der westafrikanische Schauspieler arbeitete bereits mit Tarantino in Inglourious Basterds zusammen, und spielt den Sklaven einfach nur grandios.
Auch Peter Lohmeyer als Richter Thatcher und Heike Makatsch als Tante Polly sind wieder mit an Bord, wenn auch nur kurz. Größer fällt da schon die Rolle des Berliner Komikers Kurt Krömer aus, der als Landstreicher und Betrüger „Herzog“ eine Performance liefert, die erstaunliche Ähnlichkeiten zu seiner Bühnenfigur aufweist, andererseits aber auch perfekt in die Rolle hineinpasst. Als Antagonisten fungieren Henry Hübchen, Milan Peschel (Schlussmacher) und Grimme-Preisträger Andreas Schmidt, die eine wahnsinnige Performance abliefern, sich dabei perfekt ergänzen und für die nötige Spannung sorgen. Allerdings stiehlt Oberbösewicht August Diehl in der Rolle von Hucks Vater allen die Show. Der Charakterbösewicht, der ebenfalls bei Inglourious Basterds mitwirkte, spielt alle mit seiner Boshaftigkeit an die Wand.
Spannung und Abenteuer, Humor und Drama, all das vereint Regisseurin Huntgeburth in diesem Film. Leider verliert sie dabei ein wenig Tiefgründigkeit der Geschichte, die sich um Toleranz und Rassismus vor dem Hintergrund der Sklavenhaltung abspielt, aus den Augen. Das wäre dann aber auch schon der einzige Kritikpunkt.
Dennoch ist der Film ein Appell an die Menschlichkeit, gegen Rassismus und gleichzeitig kurzweilig und unterhaltsam, dabei kindgerecht umgesetzt und hat nur wenige Längen. Unterm Strich kann man sagen: Gut gemacht, Frau Huntgeburth!


Bildqualität

- Bildformat: 2,35:1 (16:9 Letterbox) in 1920x1080p Auflösung
- Überwiegend hohe Schärfe
- Satte Farben

Die Außenaufnahmen des Films bestechen durch eine gute Schärfe und phantastische Farben. Innenaufnahmen wirken hingegen leicht weich und neigen dazu, an den Kanten ein wenig zu verschwimmen. Ansonsten kann man hier von einem ganz anständigen Bild reden, das haufenweise Highlights bietet, aber leider nicht ganz die Qualitäten aufweist, die andere Produktionen aufweisen. Leichtes, fast nicht wahrnehmbares Filmkorn macht sich insbesondere in den dunklen Szenen bemerkbar, fällt aber nicht weiter negativ auf.


Tonqualität:

- Deutsch DTS HD-Master Audio 5.1

Die Tonspur bereitet richtig Freude. Die Dialoge gliedern sich dynamisch in das Geschehen ein und bleiben stets klar verständlich, was bei deutschen Filmen häufig nicht ganz der Fall ist. Die Soundpalette ist einfach grandios. Satte Bässe und sauber platzierte Subwoofereinsätze, hervorragende Signalortung und fast permanente Umgebungsgeräusche runden das Audioerlebnis ab. Und der wunderschön-leichte Soundtrack gefällt ohnehin.


Bonus:

- Beste Freunde
- Alte Bekannte
- Hinter den Kulissen
- Premiere Filmfest Hamburg
- Making-of Visuelle Effekte
- Leon Seidel zu Gast im Tigerenten Club
- Outtakes
- Interviews
- Nicht verwendete Szenen
- Original Kinoteaser und Trailer
- Fotogalerie
- BD-ROM mit Vision Kino-Filmheft mit Unterrichtsmaterialien

Der Bonussektor besteht größtenteils aus belanglosem Werbematerial, gefällt aber dennoch. In knapp 73 Minuten kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen oder sich an netten Kleinigkeiten erfreuen.


Fazit:

Das Bild der deutschen Abenteuergeschichte ist durchweg gut, erreicht aber nicht ganz die Qualität anderer Produktionen. Grundsätzlich zu beanstanden gibt es zwar nichts, aber letztendlich sind es die Kleinigkeiten, die eine höhere Wertung verhindern.
Der Ton ist hingegen phantastisch und kratzt ganz knapp an der Referenz.
Auch der Bonussektor ist reichlich gefüllt und wartet mit allerlei Hintergrundinformationen und netten Schmankerl auf, die zwar größtenteils unnütz sind, aber dennoch Spaß machen.
Der Film bietet perfekte Unterhaltung für die ganze Familie. Er ist lustig, dramatisch, spannend und nicht eine Minute langweilig. Das liegt sowohl an dem flotten Drehbuch, als auch an den grandiosen Schauspielern, die allesamt hervorragend in ihre Rollen passen und dementsprechend darin aufgehen. Zugleich ist der Film eine Hommage an die Jugend und Abenteuerlust, aber auch ein Appell gegen den Rassismus. Ein unbedingtes Muss für alle, die sich mal wieder so richtig wohl fühlen möchten.


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