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Welt am Draht

Gestartet: 22 Juli 2013 11:25 - 3 Antworten


Veröffentlichung:
18.07.2013
Laufzeit:
212 Minuten
Schauspieler:
Regisseur:
Produktion:
Kategorie:
Altersfreigabe:
#1
Geschrieben: 22 Juli 2013 11:25

Kuro77

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Welt am Draht Blu-ray Review


Die 1960er und 70er Jahre waren nicht nur eine Zeit der gesellschaftlichen Umwälzungen. Diese Jahre des Umbruchs wurden auch von der Filmindustrie aufgegriffen und reflektiert. In den USA zog sich das New Hollywood durch nahezu alle Genres, in Frankreich widmete sich die Nouvelle Vague schon einige Jahre dem neuen Zeitgeist. Auch das deutsche Kino blieb von dieser Entwicklung nicht unbeeinflusst. Durch junge Regisseure wie Volker Schlöndorff, Wim Wenders, Werner Herzog oder Rainer Werner Fassbinder wurde der Film in der damaligen Bundesrepublik zunehmend sozialkritisch und politisch. Der Neue Deutsche Film grenzte sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal-inszenatorisch in jeder Hinsicht vom althergebrachten ab. Aus heutiger Sicht reibt man sich als Filmfan erstaunt die Augen, welche kreativen Höhenflüge vor rund 40 Jahren im deutschen Film möglich waren. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist etwa Fassbinders Welt am Draht aus dem Jahr 1973, der viele Motive späterer Science-Fiction-Filme wie Matrix oder Total Recall vorweg nimmt.


Story:

Seltsame Dinge geschehen am Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung. Die staatliche Einrichtung widmet sich der Forschung an und mit dem Supercomputer Simulakron, der eine voll funktionsfähige virtuelle Realität simuliert, inklusive knapp 10.000 so genannter „Identitätseinheiten“, also digital generierter „Menschen“. Der Leiter des Projekts Henry Vollmer (A. Hoven) verhält sich jedoch seit einiger Zeit zunehmend manisch-depressiv und kommt wenig später bei einem Unfall ums Leben. Sein Nachfolger ist der noch relativ junge Wissenschaftler Fred Stiller (K. Löwitsch), dem der mysteriöse Tod seines Vorgängers zunehmend seltsam erscheint. Potentielle Zeugen lösen sich von jetzt auf gleich sprichwörtlich in Luft auf, Beweise verschwinden, Kollegen können sich auf einmal an nichts mehr erinnern. Die Spurensuche entwickelt sich für Stiller zu einem kafkaesken Alptraum. Die Anzeichen verdichten sich, dass Vollmer kurz vor seinem Tod einer unglaublichen Enthüllung auf der Spur war. Und Stiller lässt in seinem Bestreben die Wahrheit zu enthüllen nicht locker.

Es ist schon erstaunlich welche Perlen der Filmgeschichte im Zuge einer Veröffentlichung auf Blu-ray wieder das Licht der Welt erblicken. Welt am Draht gehört ohne Zweifel dazu. Jahrelang war der Film nicht verfügbar, bis er im Jahr 2010 restauriert und zuerst auf DVD Wiederveröffentlicht wurde. Verblüffend ist auch die visionäre Geschichte des Films aus den frühen Siebzigern. Das Spiel mit virtuellen Realitäten und ihrer Verflechtung mit der Wirklichkeit wurde einer breiteren Öffentlichkeit eigentlich erst im Jahr 1999 zu Bewusstsein gebracht, als die Wachowski-Brüder das Schicksal der Menschheit in der „Matrix“ ausfechten ließen. Der Film wurde als Revolution und Meilenstein gefeiert. Im Nachhinein muss man die anfängliche Euphorie freilich ein wenig relativieren. Was die visuellen Effekte anging, war Matrix ohne Zweifel bahnbrechend, die Story um eine virtuelle Parallelwelt war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits ein alter Hut. So arbeitete sich schon William Gibson ab 1984 in seiner „Neuromancer“ Romantrilogie am Thema ab. Und abermals elf Jahre davor widmet sich Welt am Draht von Rainer Werner Fassbinder genau dieser Thematik.

Dabei legt der als Zweiteiler konzipierte Fernsehfilm seinen Schwerpunkt freilich nicht auf spektakuläre Actionszenen, sondern widmet sich hauptsächlich den erkenntnisphilosophischen Untiefen einer im Computer erzeugten, künstlichen Wirklichkeit. Der Begriff „Virtuelle Realität“ existierte damals noch nicht und kommt folglich im Film nicht einmal vor. Eingebettet wird der sich langsam erschließende Clou des Films in Motiven des klassischen Thrillers und Kriminalfilms. Klaus Löwitsch liefert eine brillante Leistung als typischer Film-Noir-Held ab, der sich immer mehr in Bedrängnis sieht, je näher er der Lösung des Geheimnisses kommt. Fassbinder bedient sich extrem kühler und stilisierter Bilder, die die typisch sterile Ästhetik der Siebziger dermaßen auf die Spitze treibt, dass man den Film zeitlich tatsächlich in einer nahen Zukunft verortet, ähnlich etwa Kubricks Uhrwerk Orange.

Veredelt wird die Inszenierung von Kameramann Michael Ballhaus, der die Geschichte mit exotischen Perspektiven und Kamerafahrten bereichert. Kostüme und schillernde Randfiguren vermitteln einen zusätzlichen surrealen Touch. Wenn man dieses Meisterwerk des deutschen Films nun mit aktuellen Fernsehproduktionen vergleicht, kommen dem anspruchsvollen Filmfan zwangsläufig die Tränen. In der heutigen, degenerierten deutschen Fernsehlandschaft wäre eine anspruchsvolle Produktion wie Welt am Draht schlicht und einfach undenkbar.


Bildqualität:
  • Videocodec MPEG-4 AVC, Ansichtsverhältnis 1,33:1, Auflösung 1080p

  • geringe Grundschärfe

  • weiche Kontraste

  • blasse Farben

  • mal mehr, mal weniger präsentes Rauschen

  • guter Schwarzwert

  • gute Detailzeichnung in Nahaufnahmen

  • Verwendung von digitalen Filtern oder Scharfzeichnern nicht erkennbar

Der Film wurde im Jahr 2010 im Auftrag der Rainer Werner Fassbinder Foundation einer vollständigen Restaurierung unterzogen. Diese wurde von Kameramann Michael Ballhaus überwacht und abgesegnet. Dabei wurde bewusst Wert darauf gelegt, das Filmmaterial grundsätzlich so zu belassen wie es vom Regisseur beabsichtigt war. Aktuelle Sehgewohnheiten werden demnach nur bedingt bedient. Das sollte man bedenken, wenn man sich dem Werk nähert. So wurden zum Beispiel Fussel, die sich auf das Filmmaterial verirrt haben, bewusst nicht retuschiert. Demnach will der Transfer sein Alter gar nicht verleugnen. Dennoch ist das Ergebnis für einen 40 Jahre alten Film als gelungen zu betrachten.


Tonqualität:
  • Deutsch DTS-HD Master Audio 2.0

  • Dialoge jederzeit klar verständlich

  • frontlastig

  • teilweise leichtes Rauschen

  • keine Surroundeffekte

  • kein Subwoofereinsatz

Was für den Bildtransfer gilt, gilt auch für die Restaurierung der deutschen Tonspur. Der dialogorientierte Film wird über die Frontkanäle sauber abgebildet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Ausstattung:
  • Rainer Werner Fassbinder 1977 – Interview (ca. 29 Min.)

  • Das kleine Chaos – Kurzfilm (ca. 9 Min.)

  • Der Stadtstreicher – Kurzfilm (ca. 11 Min.)

  • Fassbinders „Welt am Draht“ – Blick voraus ins Heute (HD, ca. 48 Min.)

  • Fotogalerie

Das Interview mit Fassbinder wurde während der Dreharbeiten zu „Despair – Eine Reise ins Licht“ geführt. Es vermittelt einige allgemeine Ansichten des viel zu früh verstorbenen Regisseurs. Überaus interessant ist das 2010 produzierte retrospektive Making Of, in dem zum Beispiel Michael Ballhaus oder Schauspieler Karl-Heinz Vosgerau zu Wort kommen. Die Extras liegen teilweise in HD vor.


Fazit:

Der HD-verwöhnte Filmfan muss sich darüber im Klaren sein, dass er es bei Welt am Draht mit einer 40 Jahre alten Fernsehproduktion zu tun hat. In diesem Geiste wurde auch die von Kameramann Michael Ballhaus begleitete Restaurierung von Bild und Ton durchgeführt. Referenzmaterial sollte man also nicht erwarten. Vor allem das Interview mit dem Regisseur und das im Zuge der Wiederveröffentlichung produzierte Making-Of sollten sich Interessierte nicht entgehen lassen.

Ohne allzu hochzugreifen ist festzustellen, dass es sich bei Welt am Draht im Rückblick um einen kleinen Meilenstein, nicht nur der deutschen Filmgeschichte, handelt. Ein Film, der im Jahr 1973 virtuelle Realitäten thematisiert, ist nichts weniger als seiner Zeit weit voraus. An heutigen Sehgewohnheiten gemessen nimmt sich der Film natürlich extrem viel Zeit, um seine Geschichte zu erzählen. Eine Spielzeit von insgesamt dreieinhalb Stunden dürfte für viele eine Herausforderung darstellen. Doch es lohnt sich. Schließlich ist der deutsche Film mit anspruchsvoller Science-Fiction nicht gerade im Übermaß gesegnet.


Kurzbewertungen:

Story: 9/10
Bild: 6/10
Ton: 5/10
Extras: 6/10
Gesamt*: 6/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die Story nicht berücksichtigt.


Kaufempfehlung: 7/10
Die Kaufempfehlung der Welt am Draht Blu-ray wird anhand der technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der Story berechnet.


Testgeräte:

TV: Panasonic TX-P55VT50E (55“) (kalibriert)
BDP: Panasonic DMR-BST720
Ton: Pioneer SC-LX56, 2x Trigon Dwarf II
Lautsprecher: B&W 803S (Main), Boston A26 (Front-Wide, Surround), Teufel M-500 (Back-Surround)
#2
Geschrieben: 22 Juli 2013 13:27

Nighteyes

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Für Importeure und Besitzer von Multiregion-Playern kurz noch der Hinweis, dass dieser Film auch im Rahmen der Criterion Collection erhältlich ist.

http://www.blu-ray.com/movies/World-on-a-Wire-Blu-ray/33682/#Review
#3
Geschrieben: 22 Juli 2013 19:51

Michael Speier

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Zitat:
Zitat von Nighteyes
Für Importeure und Besitzer von Multiregion-Playern kurz noch der Hinweis, dass dieser Film auch im Rahmen der Criterion Collection erhältlich ist.

http://www.blu-ray.com/movies/World-on-a-Wire-Blu-ray/33682/#Review

Hat der Import denn auch eine deutsche Tonspur ;):rofl:
#4
Geschrieben: 23 Juli 2013 05:42

Nighteyes

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Zitat:
Zitat von Michael.Speier
Hat der Import denn auch eine deutsche Tonspur ;):rofl:

Scherzkeks. :D


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