Son of Saul (2015, László Nemes)
Hatte eigentlich nicht mehr wirklich Interesse an weiteren
Holocaust-Dramen, aber bei dem war ich doch irgendwie neugierig.
Die wahre Grausamkeit wird hier nicht primär durch die Darstellung
von bekannten Nazi-Praktiken verdeutlicht, sondern vielmehr durch
die Systematik, die dahinter steckt. Die systematische Hinrichtung
von tausenden von Juden wird hier wie ein perfekt organisierter
Arbeitsablauf gezeigt, ähnlich einer Fließbandproduktion in einer
Fabrikhalle, nur mit dem Unterschied, dass hier Mord das Produkt
ist (sozusagen eine Logistik des Todes). Durch das ständige
Wiederholen dieser Vorgänge wird uns Zuschauer erst das Ausmaß
bewusst: es ist kein einmaliges Vorgehen sondern ein tagtäglich
wiederkehrender Prozess.
Die dazu gezwungenen Mithelfer gehen ihre "Arbeit" immer
emotionsloser nach, die Verdrängung irgendwelcher Anteilnahme
scheint die einzig nachvollziehbare Reaktion zu sein um diesen
Alptraum erträglich zu machen. Die Kamera-Arbeit greift diese
Prämisse auf, indem sie eng der Hauptfigur im 4:3-Format folgt und
nahezu das gesamte Drum-Herum unscharf darstellt. Zum Einen soll
damit veranschaulicht werden, dass die Figur versuche so viel wie
möglich von dem Horror auszublenden. Zum Anderen reicht die
Andeutung von Grausamkeiten vollkommen aus, da der Rest sich
ohnehin im Kopf des Zuschauers entspinnt. Durch die langen
Plansequenzen erhält der Film einen fast schon dokumentarischen
Look, als wenn man tatsächlich dabei gewesen wäre.
Dass es keine besonderen Handlungsverlauf gibt, unterstreicht nur
die Prämisse: Für die Gefangenen ist es ein nicht endend wollender
Limbus, täglich wiederkehrende Gräueltaten ohne Ausweg oder Ende in
Sicht.
Es gibt viele Filme, welche versucht haben das Schrecken der KZs
darzustellen, aber selten ist das so effektiv und schonungslos
gelungen wie hier.
(8/10)