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elBasto - Heavy Rain Review

Gestartet: 19 Feb 2012 15:26 - 0 Antworten

#1
Geschrieben: 19 Feb 2012 15:26

elBasto

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Das französische Studio Quantic Dream betritt mit "Heavy Rain" nach "Fahrenheit" zum zweiten Mal den vernachlässigten Weg des interaktiven Filmgenres. Diese Review betrachtet, wie erfolgreich die Umsetzung eines Spiels dieser Art auf der heute verfügbaren Hardware gelungen ist und mit welche Mittel zum Spielerlebnis beitrugen.

Story
Wer bin ich? Wo bin ich? Warum überhaupt und wieso interessiert mich das?

Beginnen wir also mit dem Klären der Grundsatzfragen: In Heavy Rain bist du nicht eine, sondern gleich vier Personen. Ethan Mars, Norman Jayden, Madison Paige und Scott Shelby sind die Namen, die du in deinem Ausweis wiederfinden wirst.
Wo du bist, wird innerhalb des Spiels nicht aufgeklärt, aber es handelt sich um eine größere amerikanische Stadt.
Warum du da bist und wieso das interessant ist, sind die eigentlich wichtigen Fragen, denn der Origami-Killer ist zurück und ihm ist bereits ein neues Kind zum Opfer gefallen. Es wurde auf einem verlassenen Stück Land in der Nähe einer Eisenbahnstrecke gefunden. Die Todesursache ist nicht, wie man vielleicht vermuten würde, exzessives Papierfalten, sondern übermäßiger Kontakt mit Wasser. Der Name des Mörders leitet sich aus den Beigaben her, die er für seine Opfer hinterlässt: Eine Orchidee und eine Origami-Figur.

Die multiplen Persönlichkeiten, die man bei der Jagd auf den Killer übernimmt, haben alle ihre eigene Geschichte:
Ethan Mars ist Architekt und Vater des letzten entführten Kindes. Mit den nötigen Schuldgefühlen ausgerüstet, begibt er sich auf die Suche, um unabhängig von der Polizei alles zu tun, um seinen Sohn zu finden.
Norman Jayden, ein FBI-Profiler, stößt frisch zu dem Fall und untersucht in bester Batman-Manier mit Ray Ban und Spezialhandschuh den ersten Tatort. Er sammelt Indizien und interpretiert, um dem Mörder näher zu kommen. Nebenbei führt er eine sehr innige Beziehung mit dem Inhalat Triptocaine, was uns als Spieler vor die ein oder andere Herausforderung stellt.
Für die Frauenquote sorgt die Fotojournalistin Madison Paige. Sie wird eher zufällig in den Fall hineingezogen, als sie versucht ihre Schlaflosigkeit in einem Motel zu bekämpfen, in dem auch Ethan Mars abgestiegen ist. Sie arbeitet mit ihrem Talent und optischen Vorzügen, um ihre eigenen Ermittlungen anzustellen.
Scott Shelby schließt die Riege der spielbaren Charaktere ab. Er ist ein asthmatischer Privatdetektiv und ehemaliger Polizist, der von den Familien der früher Opfer des Origami-Killers engagiert wurde, um eigene Untersuchungen anzustellen.

Diese vier Figuren einzuführen und zu charakterisieren nimmt zu Beginn des Spiels viel Zeit in Anspruch, was die Erzählgeschwindigkeit und Spannung erheblich bremst. Die Hauptfigur ist eindeutig Ethan Mars. Das Tutorial dreht sich nur um seine Familie und es wird so viel Fallhöhe in kurzer Zeit aufgebaut, dass man die nahende Tragödie schon von weitem kommen sieht.

Es wird außerdem früh etabliert, dass die Opfer des Origami-Killers ertranken, sobald genug Regen gefallen war. Es verbleiben demnach drei Tage, um das vermisste Mitglied der Familie Mars zu finden, bevor der kritische Wasserstand erreicht ist.
Damit wird der namensgebende Regen nicht nur melancholisches Stilmittel, sondern zusätzlich eine allgegenwärtige Uhr, die ohne Rücksicht an die dahin fließende Zeit erinnert.

Die Geschichte verläuft linear, jedoch dürfen wir als Spieler gelegentlich mit mehr Tat als Rat zur Seite stehen und dabei bleibt uns überlassen, wie konstruktiv oder destruktiv die Unterstützung ausfällt. Die Auswirkungen mancher Entscheidungen sind teilweise nicht sofort erkennbar, doch gegen Ende laufen alle Fäden zusammen und die Konsequenzen werden deutlich.
Jeder Protagonist geht einen anderen Weg, um auf die Spur des Mörders zu kommen und es kommt gelegentlich zu Überschneidungen.
Besonders der Weg von Ethan Mars wird den meisten Spielern wahrscheinlich in Erinnerung bleiben. Man hat hier allerdings häufig das Gefühl, dass die Autoren ausgiebig bei den “Saw”-Filmen abgeschrieben haben. Die Kernfrage, die das Spiel und der Entführer immer wieder stellen, ist eindeutig: “Wie weit bist du bereit zu gehen, um jemanden zu retten, den du liebst?”
Auch die anderen drei Figuren erleben Dinge, die ihnen das Leben kosten können und das wäre in Heavy Rain eine endgültige Sache. Die Story ist allerdings so konzipiert, dass ein positiver Abschluss der Geschichte möglich ist, obwohl nicht alle vier das Ende erreichen.

Für den sehr behäbigen Anfang der Geschichte wird man spätestens ab der Hälfte des Spiels entschädigt. Ab da nimmt die Story deutlich an Fahrt auf und Action auf und es wird nur schwer den Controller für längere Zeit aus der Hand zu legen.
Alles in allem handelt es sich um eine spannende und gut erzählte Geschichte. Die verschiedenen Entscheidungen führen zu über einem Dutzend verschiedener Endsequenzen, was einen zweiten oder dritten Durchgang umso interessanter macht. Wirft man zusätzlich noch einen kurzen Blick auf die Trophy-Liste, dürften sich wohl einige noch einen zweiten Tag krank melden, um Platin zu erreichen.

Gameplay
Wie gut kennen Sie Ihren Controller? Zögern Sie auch gelegentlich, wenn ein Spiel Sie unvorbereitet mit Quick-Time-Events überrascht? Zweifeln Sie gelegentlich, ob Sie einen Button schnell wiederholt betätigen oder ihn doch gedrückt halten müssen? Haben Sie schon einmal ausprobiert, wie viele Tasten Sie am Six-Axis Controller gleichzeitig festhalten können?

Diese Fragen sollte man sich zu Beginn des Spiels stellen, denn Heavy Rain beantwortet sie alle. Bei der Steuerung geht es um Geschwindigkeit und ein gutes Verhältnis zum haptischen Teil der Playstation 3. Damit man etwas Zeit hat sich an alles zu gewöhnen, dient der Prolog gleichzeitig als Tutorial für die vielen verschiedenen Interaktionen.
Es gibt jedoch einige Eigenarten, an die man sich zu Beginn gewöhnen muss. Möchte man beispielsweise verhindern, dass die Spielfigur nur irritiert in die Gegend starrt und sich beinahe den Nacken auskugelt, wenn man den linken Analog-Stick rotieren lässt, sollte man sich merken, R2 gedrückt zu halten, damit die gewünschte Dynamik nicht zum Dehnen der Halswirbelsäule, sondern zum Laufen eingesetzt wird. Dies geht jedoch relativ schnell in das muskuläre Gedächtnis über, wenn man sich oft genug ungewollt in einem Raum umgesehen hat.
Darüber hinaus entwickelt sich in kürzester Zeit ein sehr intimes Verhältnis zum rechten Analog-Stick. Obwohl er bei diesem Spiel seinen sonst festen Job der Kamerasteuerung nicht bekommen hat, fand er eine andere wichtige Beschäftigung: Er steuert alle Charakter-Interaktionen mit der Umwelt (z.B. Türen öffnen, rasieren, aufstehen und hinsetzen). Dabei ist er so häufig in Betrieb, dass man ein wenig an der eigenständigen Überlebensfähigkeit der Protagonisten zweifelt, wenn man selbst als Analog-Stick-Zivi gerade nicht vor Ort ist. Nachdem man die 20. Tür mit derselben Bewegung geöffnet hat, fragt gelegentlich eine kleine Stimme im Hinterkopf, ob sich nicht mittlerweile die Spielfigur für das eigenständige Türenöffnen qualifiziert hat.
Da der Job die Kamera zu steuern immer noch offen war, wurden für die Vergabe anscheinend Streichhölzer gezogen. L1 entschied diesen Wettbewerb für sich und erledigt die Aufgabe mit gewohntem, digitalen Feingefühl und entsprechender Dynamik. Das ist allerdings ein geringeres Problem, als es sich zunächst anhört, da das Durchschalten von festgelegten Kamerawinkeln nicht das Feingefühl eines Neurochirurgen erfordert.
Bevor sich die anderen Knöpfe und Hebel vernachlässigt vorkommen, möchte ich klarstellen: Für alle ist genug zu tun. L2 öffnet beispielsweise den Zugang zu den tiefsten Gedanken des derzeitigen Charakters und das sind häufig so viele, dass man zum Auswählen auf die Hilfe der Buttons aus der geometrischen Familie angewiesen ist.
Ähnlich verhält es sich auch mit den Dialogen. Auch hier übernehmen Kreis, Rechteck, Kreuz und Dreieck die Auswahl der entsprechenden Themen oder Antworten. Sowohl beim Mono- als auch beim Dialog ist die Darstellung der Auswahlmöglichkeiten teilweise etwas hektisch und unübersichtlich. Das wäre kein Problem, wenn es nicht Situationen gäbe, die eine zeitnahe Entscheidung erfordern und es ungewollte Konsequenzen haben kann, wenn man Buttons nicht findet oder die richtige Reaktion oder Antwort zu lange auf dem Bildschirm suchen muss.

Im weiteren Spielverlauf werden noch einige andere Kombinationen aus Button drücken und halten verwendet, deren Komplexitätsgrad sich jedoch nach der Schwierigkeit der auszuführenden Tätigkeit richtet.
Man kann den Entwicklern von Heavy Rain eines wirklich nicht vorwerfen und das ist fehlende Kreativität bei den spieltreibenden Quick-Time-Events (Entschuldigung, Physical Action/Reaction, kurz PAR).
Die PARs orientieren sich grob an der zu verrichtenden Aufgabe und bestehen aus verschiedenen Elementen, die durch unterschiedliche Umrandungen der entsprechenden Buttons symbolisiert werden.
Heavy Rain unterscheidet: Einfaches Drücken, wiederholtes Drücken, Drücken und Festhalten inklusive Hinzufügen weiterer Tasten zu einer Sequenz, sowie langsames und schnelles Bewegen der Analog-Sticks. Auch die Neigungssensoren des Six-Axis Controllers werden beschäftigt. Die Vielfalt der “Reactions” ist teilweise sehr beeindruckend und mehr Variationen kann man wohl aus dem derzeitigen Controller nicht herausholen.

Für die Spieler, die gerne etwas gezielter an einer Sehnenscheidenentzündung arbeiten möchten, bietet Heavy Rain mittlerweile außerdem vollständigen Move-Support. Die deutlich aerodynamischere Form der Move-Controller unterstützt jedoch nachhaltig die Möglichkeit von Folgeschäden, besonders bei Frust-Momenten, die sich allerdings erst verstärkt beim Sammeln der Trophies einstellen. Ich empfehle deshalb unbedingt das Anschnallen der Fuchtel-Fernbedienungen am Handgelenk, um bleibende Schäden an Fernseher, Familie und Freunden zu verhindern.

Grafik
Ja, Heavy Rain ist eines dieser Spiele, das sehr viel Zeit mit Schminken verbracht hat und sieht demnach hervorragend aus. Die Wasser- bzw. Regen-Effekte sind sehr überzeugend und die Animation und Mimik der Figuren beeindrucken. Wie so häufig hat dies jedoch seinen Preis. Zum einen bedarf es einer Bluray, um die grafische Qualität auf die Playstation 3 zu bewegen und zum anderen wird dem Erfinder der fixierten Kamera Tribut gezollt. Besonders in den spielerisch langsameren Szenen, in denen man meistens damit beschäftigt ist durch die Gegend zu laufen und die Story wiederzufinden, stört der restriktive Blickwinkel gelegentlich. Die Möglichkeit die Kamera zu wechseln, schafft häufig Abhilfe, ist aber letztlich kein Ersatz für die absolute perspektivische Freiheit anderer Spiele.
Es gibt, meiner Meinung nach, zwei Gründe für die Wahl der fixierten Kamerapositionen: Erstens spart es Texturen, wenn man genau weiß, aus welcher Position der Spieler einen Raum sehen kann. Schließlich ist mein Zimmer auch aufgeräumt, solange ich mich nicht umdrehe. Zweitens wäre die Anleitung für die Spieler zu lang geworden, wenn man ihnen zunächst erklären muss, wie sie einen dritten Analog-Stick in den Controller einlöten, der die Steuerung der Kamera übernehmen könnte.

Die Cutszenen und vorgerenderten Action-Sequenzen, die das Spiel gelegentlich zur Auflockerung und zum offiziellen Sony-Reaktionstest bereithält, überzeugen ebenfalls durch sehr hohe grafische Qualität. Das darf man allerdings auch von einem Spiel erwarten, das sich als interaktiver Film verkaufen möchte.

Sound
Die musikalische Untermalung des gesamten Spiels ist sehr gelungen. Die meist gedrückte Stimmung wird tonal sehr gut wiedergegeben und der gesamte Soundtrack lässt keine Wünsche offen. Er wirkt nie aufdringlich und die restlichen Sound-Effekte tragen ihren Teil dazu bei eine lebendige und abwechslungsreiche Welt zu schaffen.
Ähnlich verhält es sich mit der Arbeit der englischen Sprecher. Die Stimmen passen alle sehr gut zu ihren Figuren, was wohl auch daran liegt, dass die meisten beim Modellieren ihre Synchronsprecher als Vorbild hatten. Stimmungen und Gefühle werden sehr glaubwürdig und eingängig vermittelt und ermöglichen ein einfaches Eintauchen in die Welt von Heavy Rain.

Fazit
Lohnt es sich dafür Geld auszugeben?

Ja, denn Quantic Dream ist ein durchaus interessantes Spiel gelungen. Die Story ist spannend und es fällt einem wirklich schwer aufzuhören, bevor nicht auch das letzte Rätsel gelöst ist. Es gibt jedoch einige Kleinigkeiten, die mich persönlich gestört haben:
  • Trotz des anpassbaren Schwierigkeitsgrades stellt das Spiel für ungeübte oder unter haptischer Legasthenie leidende Spieler vielleicht eine zu große Herausforderung dar. Man muss also damit rechnen, dass man von diesen den Controller zugeworfen bekommt, sobald es im Spiel etwas hektischer wird.

  • Die fixierten Kamerapositionen sind kein wirkliches Hindernis im Spiel, es wäre aber schön gewesen, hier etwas mehr Freiheit zu bekommen.

  • Die Move-Steuerung funktioniert grundsätzlich gut, hat aber gelegentlich den ein oder anderen Aussetzer, was gerade in kritischen Momenten zu einem frustbedingt gesteigerten Druck auf die Move-Controller führt, wenn man versucht seine Beherrschung wieder einzusammeln.



Dabei handelt es sich eigentlich eher um Kleinigkeiten, die das Spielvergnügen nicht trüben. Wenn ich meine Meinung numerisch ausdrücken sollte, käme Heavy Rain auf die folgenden Werte:

Story: 9/10
Grafik: 8/10
Steuerung: 7/10
Sound: 10/10
Gesamt: 9/10

Diese Review entstand speziell für diesen Wettbewerb und als mögliche Bewerbung für die Verstärkung des PS3-Teams.
Ich hoffe, ihr hattet genauso viel Spaß bei der Lektüre wie ich beim Verfassen. Feedback ist natürlich gerne willkommen.
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana.


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