Until Dawn
Ein paar Teenie-Freunde, eine gemütliche Hütte, und das inmitten verschneiter Berge. Der perfekte Ort um ohne Eltern schön feiern zu können und sich zu vergnügen – denkste.
Denn mehr braucht es nicht, um ideale Voraussetzungen für einen Teenie-Horrorstreifen zu schaffen. In besagter Hütte haben einige Jugendliche ihren Spaß und machen eben das, was Teens ohne Aufsicht so machen: ihren Spaß haben … und zwar so lange, bis zwei Geschwister in einem Schneesturm spurlos verschwinden.
Josh, dessen Eltern die Hütte gehört, schafft es trotz der Tragödie alle Freunde im Jahr darauf zusammenzutrommeln, um den Vorfall hinter sich zu lassen und für ein würdiges Andenken an die beiden Verschwundenen zu sorgen. Unter den Charakteren befinden sich so ziemlich alle Klischees die man aus diesem Genre kennt. Da hätten wir den Mädchenschwarm, die Oberzicke, die Streberin, den nerdigen Witzbold, … jede Figur passt sehr gut in ihre Rolle. Die Story lässt sich genügend Zeit, um die einzelnen Charaktere einzuführen und ihnen Raum zur Entwicklung zu geben. Nach kurzer Zeit fiebert man deshalb sogar um das Leben der nervigsten Protagonisten.
Sehr viel mehr kann über die Geschichte nicht verraten werden ohne zu spoilern, denn davon lebt dieses Spiel wie selten ein anderes. Und genau darum lassen wir das an dieser Stelle auch. Man darf sich jedenfalls auf ein paar schaurig-schöne Schreckmomente und Wendungen freuen, mit denen man so bestimmt nicht gerechnet hätte. Denn die Entwickler von Supermassive Games schaffen es hervorragend, mit den Erwartungen der Zocker und Teenie-Horror-Film-Kenner zu spielen.
Ganz „schön“ gruselig
Das hier eingesetzte Performance-Capturing macht sich besonders positiv bemerkbar und transportiert jeden noch so feinen Ausdruck der Schauspieler – die teilweise wirklich sehr gut getroffen sind – perfekt ins Spielgeschehen. Jede Stimmung und jede Gefühlsregung lässt sich perfekt von den Gesichtern ablesen, genauso wie die Körpersprache, die für jeden Charakter individuell ist – ein wahrer Augenschmaus. Einzig die Zähne wirken manchmal etwas seltsam, das ist allerdings jammern auf hohem Niveau. Manchmal klingen die deutschen Stimmen nicht ganz optimal, was auch von den unterschiedlichen Umgebungen abhängig ist.
Die Unterhaltung in einer Berggondel klingt zum Beispiel etwas blechern, jeder der bereits in einer solchen selbst gefahren ist kennt das ja, es wurde also scheinbar als Stilmittel eingesetzt. Nichts desto trotz kann man sich daran stören. Um dem etwas entgegen zu wirken, kann aber jederzeit auf den englischen O-Ton umgeschaltet werden (wahlweise lassen sich auch Untertitel einblenden). Einzig das „um die wette kreischen“ mancher Protagonistinnen lässt sich dadurch nicht groß ändern ;-)
Pack die Taschenlampe ein
Atmosphäre wird bei „Until Dawn“ generell ganz groß geschrieben. Die Schauplätze sind alle sehr stimmungsvoll beleuchtet und schön ausmodelliert und kommen mit den teilweise fixen Kameraeinstellungen sehr gut zur Geltung. Wenn unsere Spielfigur dann noch den Lichtkegel der Taschenlampe, des Feuerzeugs oder der Fackel geschmeidig über die Kulissen schwenkt und das Spiel von Licht und Schatten den Schauplatz noch bedrohlicher wirken lässt, dann ist das ein wahres Fest – selten hat man sich so schön gegruselt. Denn das komplette Spiel über sind wir nur Nachts unterwegs.
Spiel oder interaktiver Film?
Das Spiel inszeniert sich wie eine Serie, inklusive einem „Was bisher geschah…“ vor jeder einzelnen Episode. Je nach Abschnitt lenkt man einen der acht Charaktere. Die Spielfigur wird mit dem linken Stick gelenkt, wahlweise kann die Blickrichtung auch mit dem Gyroskop im Gamepad gesteuert werden, was nach etwas Eingewöhnung ganz gut funktioniert. Dreieck, Viereck!, Kreis!!, ARGH!!! Die gelegentlich stattfindenden Reaktionstests, auch „Quick-Time-Events“ genannt, sind relativ kurz gehalten und beschränken sich auf Aktionen wie Klettern, ducken und dergleichen.
Wer auf ein aktiongeladenes Gameplay hofft, wird jedoch enttäuscht. Das Spiel orientiert sich klar an Spielen wie „Heavy Rain“ oder „Beyond: Two Souls“ und legt, was das Spieltempo selbst angeht, einen gemütlicheren Gang ein. Dafür kommt es in bestimmten Situationen durch gut eingesetzte Kamerafahrten, den räumlich gut abgemischten Soundeffekten und dem stimmungsvollen Score immer wieder zu Gänsehaut-Momenten.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Kommen wir zum eigentlichen Herzstück von Until Dawn: Den vielen Entscheidungen.
Oft hat man die Qual der Wahl. Sei es, ob man eine Abkürzung nutzen möchte, oder doch lieber die sichere Variante bevorzugt – jede Entscheidung zieht ihre Konsequenz nach sich und beeinflusst zu großen Teilen den weiteren Spielverlauf durch den sogenannten Schmetterlingseffekt. Dieser muss aber nicht unmittelbar eintreten, sondern kann sich auch in einer späteren Episode niederschlagen.
Laut dem Entwickler soll es so möglich sein, das Spiel auf hunderte verschiedene Arten erleben zu können und zu beenden. Ständig könnte eine der Figuren durch eine Entscheidung das zeitliche segnen oder im weiteren Verlauf den Tod eines anderen vereiteln.
Alles eintüten
Sammelgegenstände wie etwa Briefe, Bilder oder sonstiges, beinhalten interessante Informationen. Sobald wir in der Handlung voranschreiten, aktualisieren sich die Beschreibungen einiger Gegenstände automatisch und tragen so auch zur Geschichte bei. Neben den normalen Gegenständen können auch Totems gefunden werden, diese enthalten – mal mehr mal weniger – nützliche Informationen, die uns bei einigen Entscheidungen unterstützen könnten.
Camera-Feature
S ofern man eine PlayStation Camera sein eigen nennt, lässt sich im Menü eine Option aktivieren, mit der man die Reaktionen auf die immer wieder eingestreuten „Jump-Scares“ automatisch aufzeichnen kann. Besonders wenn einem jemand beim Zocken zusieht (aufgrund des Seriencharakters kann das Geschehen auch von „Nichtzockern“ gespannt mitverfolgt werden), ist es herrlich zu sehen, wie die Leute neben einem reagieren.
Fazit
Das exklusiv für Sonys PlayStation4 erschienene „Until Dawn“ wirkt dank seinem gelungenen Spannungsbogen zu keinem Zeitpunkt künstlich in die Länge gezogen. Je nach Spielstil beendet man das Spiel nach etwa 9 bis 10 Stunden. Spätestens wenn der Abspann über den Bildschirm flimmert, beginnt man sich zu allerdings zu fragen: „Was wäre passiert wenn ich nicht die Abkürzung genommen hätte? ... was wäre, wenn dieses eine Quick-Time-Event erfolgreich verlaufen wäre? Hätte ich die Figur retten können wenn ich dieses oder jenes anders entschieden hätte?“ Der dadurch resultierende Wiederspielwert ist durchaus hoch. Unterstützt wird dies dadurch, dass nach dem Durchspielen die einzelnen Episoden zum erneuten Spielen ausgewählt werden können.
Wer mit Spielen, die sich mehr an einem interaktiven Film orientieren, nichts anfangen kann, dem sei an dieser Stelle von einem Kauf eher abgeraten.
Freunden von Horrorfilmen, die gerne selbst in das Verhalten der Charaktere eingreifen möchten, kann dieses Spiel jedoch uneingeschränkt empfohlen werden.
Pro:
+ Schmetterlingseffekt
+ glaubhaftes Mienenspiel
+ Schockmomente
+ Wiederspielwert
Contra:
- Schmetterlingseffekt manchmal nicht schlüssig
- Stimmen klingen nicht immer optimal
- Schockmomente sitzen nur beim ersten Mal
- Gameplayelemente beschränken sich aufs nötigste
bewertet am 05.09.15 um 16:19