Death Trance
26. Juli 20112005
Japan
Yuji Shimomura
=> DVD Single Disc Anolis
„Totale Vernichtung? Das wird bestimmt amüsant!“
Der eher unbekannte Death Trance aus dem Jahr 2005 vom japanischen Film- und Videospiele-Action-Regisseur Yuji Shimomura haut schon wieder einen bunten Genre-Mix gegen die Stirn jedes Zuschauers, der geglaubt hat, er sei gefeit vor allen Dingen, die da in den Köpfen japanischer Regisseure noch so lauern mögen. Im mit Fantasy- und Martial Arts- Einlagen überladenen Actionstreifen stiehlt ein namenloser Grabräuber einen großen Sarg aus einem japanischen Shinto-Tempel, der dem Besitzer an den richtigen Ort gebracht angeblich jeden Wunsch erfüllen soll. Natürlich ist er nicht der einzige Fiesling, der hinter diesem machtvollen Objekt her ist, und einer der Tempel-Novizen wird geschickt, den Sarg wieder zu beschaffen. Später stellt sich heraus, dass sich die von den Göttern verbannte Göttin der Zerstörung in diesem Sarg befindet, der natürlich – wie sollte es auch anders sein – trotzdem freigelassen wird, und nur der Träger des heiligen Schwertes kann sie besiegen. Oh mein Gott, wird es schwer fallen, alles, was mir beim Ansehen durch den Kopf gegangen ist, aufzuschreiben… der Film ist starker Tobak, auch wenn er quasi keine Handlung hat und im Grunde von Kuriositäten nur so überschwappt. Dann mal los!
„Es ist kein Genuss, einen nicht Ebenbürtigen zu töten.“
Death Trance ist und bleibt, trotz der Tatsache, dass es sich hier um einen Möchtegern-Genre-Revoluzzer-Mixtum handelt, eine Martial Arts-Wurst. Die Kämpfe wirken hin und wieder absurd-komisch, so manches Mal aber auch gar nicht übel, keine zu hohen Geschwindigkeiten der Schnitte, die mal um mal Augenkrebs verursachen – ebenso sieht man, lässt man mal unter den Tisch fallen, dass der ganze Film kostengünstigsterweise im Wald und am Strand spielt, dass Regisseur Yuji Shimomura sich ein paar Special Effects dann doch etwas hat kosten lassen; ganz zu schweigen von den überzeichneten Manga-Outfits der Charaktere, den tausend Tattoos, dem ganzen Gel für die abgefahrenen Frisuren (ich lag übrigens am Boden vor Lachen, als einer unserer Pseudo-Bösewichter morgens erst einmal seine perfekt sitzende Irokesen-Frisur zurechtmachen musste), den Kostümen, die irgendwie lässig und cool, dann aber doch nur wieder sehr gewollt ANIMEalisch wirken oder der ganzen Kosmetik. Wer sich schon alleine das Frontcover der DVD ansieht, wird merken, dass viele der Figuren im Film scheinbar ein Fable für Gothic-Klamotten haben und vor allem die männlichen Schauspieler sehr viel Schminke tragen. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, wer hier dank des ausgesprochen überdrehten, aber trotz alledem für die Machart und den chaotischen Touch des Films super passenden Soundtrack verantwortlich ist: gewiss wird ein Großteil des Publikums des Films von dem Sound der japanischen Band Dir En Grey angezogen; was hauptsächlich –und verzeiht mir mein „Über-einen-Kamm-scheren“ - eben genau diese J-Music- und Manga-/Anime-Szene sein wird. Überhaupt stelle ich mir jetzt nach diesem Film die Frage, ob der Regisseur nicht ein großer Fan der Final Fantasy-Reihe ist: Riesen-Schwerter? Motorräder-Anachronismen? Plagende Erinnerungen? Böse Hauptfiguren mit langen Haaren, die süffisant daherreden, dass sie ihre großen Träume verwirklichen wollen? Hmm… das alles erinnert doch, wenn wir mal ehrlich sind, sehr an den siebten Teil der bekannten Videospielreihe.
Anders als oftmals bei deutschen DVD-Releases einiger eher unbekannter Asia-Titel ist die Bildqualität gegenüber mancher aus der Hölle stammender düster-unscharfer Grünstich-Präsentation bei Death Trance wirklich okay, darf man aber bei Anolis-DVDs nicht immer einfach so unbekümmert zugreifen. Was mich überraschte, war der Sound, der bei diesem Action-Feuerwerk, vollgespickt mit tausenden Kampfszenen und übernatürlichen Effekten, wirklich 1A für jede Surround-Anlage rüberkommt – mal ganz abgesehen von der mal wieder überaus dumpfen, deutschen Synchronisation, die zwar nicht so seelenlos wie bei manch anderen Filmen erscheint, dennoch solch denkwürdige wie blöde Passagen unter den Charakteren offenbart, als hätte der Übersetzer ein Wörterbuch für Kinder benutzt. Wie so oft empfehle ich hier mal wieder den japanischen O-Ton, der eben derbste japanische Vulgärsprache beinhaltet, während wir im Deutschen mal wieder nur ein „Heda!“ oder „Du Dummkopf“ hören – nebenbei geht auch ein wenig Verständnis der Handlung verloren, weil einige Erklärungen, die eben mit der Mythologie des Shinto und des Buddhismus zu tun haben, eben doch komplexer sind und in der deutschen Fassung untergehen.
Genau deswegen fühlt man sich auch so sehr überrumpelt von den Handlungsweisen und Motiven der Charaktere, die dem Zuschauer bei Death Trance teilweise vollkommen unklar sind und – leider Gottes – auch bleiben. Denn während das Zauberschwert für den Auserwählten und der geheimnisumwobene Sarg ständig die Besitzer wechseln, sowie Identität und Motive der Fronten ums Verrecken nicht klar werden wollen, bringt uns Regisseur Shimomura dann als Krönung doch wieder zum Schlucken, Räuspern oder In Tränen ausbrechen: Wenn einer der Bösewichter beispielsweise innerhalb von Sekunden aus den Armschienen verkloppter Typen eine Bazooka zusammenbastelt und dann (mit was für einem Geschoss und mit welcher Zündung auch immer) einen geflohenen Feind zerhäxelt, diese dann plötzlich bei einem anderen Charakter am Ende des Films wieder hergezaubert wird, der Hauptbösewicht immer fortwährend unter Magenknurren leidet, er, nachdem er festgestellt hat, dass er zu unfähig ist, den bösen Vampirtypen entgegenzuklettern, ihnen eiskalt befiehlt, sie sollen gefälligst herunterkommen, oder während einer Prügelei im Wald aus dem Nichts einer der überschminkten Ninja-Krieger plötzlich auf einem riesigen Chopper-Motorrad heranbraust. Auch zum Schießen: der ach so unbezwingbare Sargdieb rutscht hin und wieder mal beim Kämpfen aus und verliert das Gleichgewicht, ihn schmerzen seine eigenen Kopfnüsse und er schlägt öfter ins Leere, als es so manch ein Laie in einer echten Schlägerei tun würde. Selbstironie? Oder fehlgedeuteter, pionierhafter Versuch eines Genrebruchs? Ich weiß es einfach nicht.
Hin und wieder gibt es aber auch echte, stilistische Lichtblicke – wenn zum Beispiel unser Graverobber nachts seine eigenartigen Visionen bekommt, kommt sogar echte mysteriöse, intensive Stimmung auf und die Effekte werden schlagartig um ein Tausendfaches besser oder wirken zumindest so. Der Federregen, die Optik der Engel, die Endschlacht, die großen, weiten Landschaftseinstellungen und das grelle Licht – während zwischenzeitlich der Film durchaus an der genau selben Stelle an einer Waldlichtung spielen könnte, lassen diese Szenen dann doch wieder ein echtes Fantasy-Action-Feeling aufkommen, das sich sehen lassen kann. Schauspielerisch gesehen haben wir es nicht mit großartigen Ikonen japanischen Kinos zu tun, aber viel zu bemängeln gibt es da auch nicht und man kann durchaus vor dem Hintergrund diverser Dialogschwächen von einer soliden Leistung sprechen.
Gegen Ende des Films bleibt der Zuschauer recht „puzzled“ zurück, wie es so schön in manchen englischsprachigen Rezensionen heißt. Man findet sich im Laufe des Films damit ab, dass der einzige, richtige Hauptheld ein Angsthase ist und im Grunde nichts reißt, außer -mit seinem Ringstab als einziger bewandert in der schwierigen Mythologie der Shintoisten- zu versuchen, die Handlung in Worte zu fassen, von dem Grabdieb-Haupt-Antihelden aber mitten in der hoffnungsvollen Phase für den Zuschauer, endlich einmal ein paar Fragen beantwortet zu bekommen, einfach einen Schlag ins Gesicht erhält. Das nenn ich konsequentes Handlungsaufdröseln, liebe Drehbuchautoren. Sowas würde es in keinem Hollywoodfilm geben, danke dafür schon mal! Hehe. Ein paar Fragen stelle ich mir auch jetzt noch… was sollten diese Gothic-Lolita-Zwillinge? Warum ist er eigentlich der Auserwählte, will er doch eigentlich vorher nur einen ihm ebenbürtigen Gegner finden? Warum musste der Sarg unbedingt an den kargen Sandstrand gebracht werden, um die Göttin zu erwecken, hieß es ja zuvor, der Sarg müsse in den ominösen, verbotenen Wald gebracht werden? Wie lauten eigentlich die Namen der ganzen Leute? Was sollte das kleine, nervige Kind eigentlich? Die lachenden, creepy Püppchen in der Vision des Sargdiebs? Waren das alles aufbauschende Dinge zur finalen Erklärung am Ende des Films? Das lasse ich mal ganz ungeniert offen. Und dann fühlt man sich mitten im Film wie der Novize am Boden kniend wieder, mit der Frage gen Himmel, was das nun eigentlich alles sollte. Wobei das Ende echt Lust auf einen weitaus epischeren zweiten Teil macht und völlig überraschend daherkommt.
„Hast du den Dieb vielleicht gesehen? Er ist groß, böse, barbarisch und grausam. Er sieht aus wie ein Monster.“
Fazit: Death Trance bietet alles, was ein leicht trashiger Fantasy-Action-Klopperei-Film benötigt: harte Musik, wirre Kostüme, Vampire, Zombies, Särge, lachende, angsteinflößende Kinder, Götter, Weltuntergänge, Ninjas, schwere Artillerie, reichlich Zerstörung und Motorradschlachten. Wie das alles in eine altjapanische, mit Mythen und Legenden gefüllte Waldkulisse passt, darf sich der Zuschauer selbst mit seinem Gewissen und seinem Verstand vereinbaren – ich möchte nur so viel sagen: gute Unterhaltung und den ein oder anderen Lacher bietet Death Trance allemal, und einen Manga- und Anime-Fan wird Shimomuras Werk sowieso das Herz höher schlagen lassen. Aber Death Trance veräppelt teilweise so unsere Vorstellungen von allen enthaltenen Genres und zieht uns derart ein Gummihuhn über die Rübe, dass es manchmal Weh tut und man dann doch wieder nicht sicher ist, ob der Film nun absoluter Trash ist und das ganze selbst über sich weiß – oder ob er tatsächlich ein Klassiker der Fantasy- und Martial Arts-Filmwelt sein will, aber auf der untersten Stufe stolpert und ein paar Stockwerke weit in den Keller fällt – das weiß man nicht so recht. Und darüber geben dann die selbstverliebten Interviews mit unserem Hauptdarsteller-Bösewicht-Helden-Django (denn von keinem anderen Film ist diese Sargschlepperei geklaut) Tak Sakaguchi auch keinen Aufschluss. Aber der Film ist eindeutig einer der besseren in der Welt der japanischen Kostümfilme mit Anime-Allüren – gleicherzeit darf man aber auch nicht zu streng sein, was Handlungsklarheit und naja… überhaupt die Motive der Charaktere im Film angeht. Ich glaube ja, dass sie das teilweise selbst nicht wissen – jedenfalls kommt der Sargdieb-Protagonist teils sehr gelangweilt und desinteressiert rüber, als wäre ihm das im Grunde alles egal. Ich finde ja, Death Trance ist ein Fest für Genre-Fans und ich spreche auch eine Empfehlung an alle Trash-Verliebten aus, auch wenn der Film bei weitem nicht so müllig ist, wie er nach meiner Rezension vielleicht rüberkommt. Schlagt mich, ich hatte trotz unfassbarer Schwächen großen Spaß und vergebe
6/10 Punkten.
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