Dustin Hoffman: "Ich genieße jedes Jahr, das mir geschenkt wird"
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Dustin Hoffman: "Ich genieße jedes Jahr, das mir geschenkt wird"
Dustin Hoffman kann es einfach nicht lassen. Seit Jahren schwört er sich immer wieder, das Leben als glücklicher Opa ohne Hollywood-Rollen genießen zu wollen. Ab und zu gelingt es ihm, dann lockt aber doch wieder ein Studio mit einer "leckeren Rolle", wie der mittlerweile 77-jährige Oscar-Gewinner beim Gespräch mit bluray-disc.de in Los Angeles gesteht.
Der Fim "Liebe auf den zweiten Blick" war so ein Projekt, das den sympathischen Hollywood-Star noch einmal "hinter dem Ofen hervorgelockt hat", wie er selbst sagt. In dem Film spielt er den New Yorker Werbekomponisten Harvey Shine. Seine Karriere schlingert, als er einen Anruf aus London von seiner Tochter erhält. Diese will dort heiraten. Shine steigt wider Willen in den Flieger und trifft dort Kate (gespielt von Emma Thompson). Schnell entwickelt sich eine Romanze zwischen den Beiden. Shine und Kate realisieren, dass auch im zunehmenden Alter Romantik und Spaß nicht zu kurz kommen müssen...
Mr. Hoffman, Sie haben in der Vergangenheit immer mal wieder angedeutet, dass Ihre Zeit vor der Kamera so langsam zuende geht und Sie sich nach und nach in die Rente verabschieden wollen. Hat sich ihre Meinung geändert?
Was? Rente? Ich? – Hab ich nie gesagt (lacht). Nein, es stimmt schon. Ich bin kein junger Hüpfer mehr, und ich nehme auch nur noch Projekte an, die mir wirklich Spaß machen. Dieser Film war ein solches Projekt, weil er mich sehr an "Kramer gegen Kramer" erinnert hat.
Wie bitte, in diesem Film geht es doch um ein ganz anderes Thema, es geht um eine zweite Chance in der Liebe?
Na ja, in Kramer ging es ja auch um zweite Chancen. Aber was ich meine ist, dass ich in diesem Film – genau wie bei Kramer – mich selbst spielen durfte. Bei den Dreharbeiten zu Kramer in 1979 habe ich gerade auch privat eine Scheidung durchgemacht, der Film war also fast ein Abziehbild meines wirklichen Lebens zu dem damaligen Zeitpunkt. Und in "Liebe auf den zweiten Blick" spiele ich einen Mann in meinem Alter, der das Leben nach einer Scheidung reflektiert. Und erneut hatte ich das Gefühl, dass es eine sehr persönliche Geschichte für mich ist. Das ist es, was mich an diesem Projekt so gereizt hat.
Ist es leichter, in die Haut eines Fremden zu schlüpfen, oder ist es leichter sich selbst zu spielen vor der Kamera?
Es ist immer eine größere Herausforderung, sich selbst zu spielen. Der Grund liegt auf der Hand: Du bist näher dran. Hast also nicht den künstlerischen Abstand. Du offenbarst mehr von dir. Das ist nicht leicht, wenn du eine Kamera im Gesicht hast.
Sie haben schon so viele ikonische Charaktere gespielt. "Tootsie" und natürlich "Kramer" schießen sofort durch den Kopf. Als Mike Nichols sie für "Die Reifeprüfung" gecastet hat, da waren sie gerade einmal 30 Jahre alt. Haben Sie eigentlich immer daran geglaubt, mal ein großer Star zu werden in Hollywood?
Nein, nie! – Meine Kumpels Robert Duvall und Gene Hackman und ich haben uns mit Nebenjobs über Wasser halten müssen. Kellner, Postangestellte, aber wir waren happy. Wir wollten einfach nur als Schauspieler arbeiten. Ans Geld oder an den Ruhm haben wir niemals gedacht. Vielleicht waren das damals einfach bessere Zeiten.
Was meinen Sie damit?
Nun, heute denken viele junge Schauspieler doch zuerst an den Ruhm und die Kohle, und erst danach an eine gute Ausbildung und den Spaß, tolle Rollen auszufüllen.
"Liebe auf den zweiten Blick" wurde in London gefilmt. Wie hat es Ihnen dort gefallen?
London ist eine meiner Lieblingsstädte. Ich kehre seit meinen ersten Flitterwochen mit meiner ersten Frau immer wieder gerne in diese Stadt zurück. Ich liebe das East End. Und ich bin schon so alt, dass ich mich noch an Zeiten erinnern kann, da ein Theater-Ticket gerade einmal zwei Dollar gekostet hat. Heute hat London Preise wie auf dem Broadway in New York.
Über Geld müssen Sie sich doch nun wahrlich keine Gedanken mehr machen, oder? – Immerhin sind Sie schon länger als 50 Jahre im Showgeschäft?
Ich bin ein Mench, der ein langes Stehvermögen hat (lacht). Die Schauspielerei war immer mehr als nur mein Job, es war eine Berufung.
Mr. Hoffman, wie gehen Sie damit um, dass Sie älter werden?
Ich bin jetzt 77 Jahre alt. Und ich kann Ihnen sagen, dass ich das Leben nicht mehr in Jahren zähle. Ich sehe es eher als Akt. Wie beim Theater. Die letzte Szene im dritten Akt ist dann gleichzusetzen mit dem Verfall des Körpers, mit der Veränderung unseres geistigen Zustandes.
In Hollywood ist Alter fast schon ein Todesurteil. Ihnen scheint das nichts auszumachen, stimmt der Eindruck?
Ich beobachte alte Leute auf der Straße und sage dann zu meiner Frau: Schau mal, was mit uns passieren wird, wenn wir Glück haben. Ich liebe diese Stories über Menschen, die 100 Jahre und älter werden. Jedes Jahr im Leben ist ein geschenktes Jahr für mich.
Repräsentiert das so ein bisschen Ihre Lebensphilosophie von heute?
Die Wahrheit ist doch, dass wir alle Schauspieler sind. Wir wachen am Morgen auf und fangen gleich an zu lügen. An einem guten Tag ist das Leben hart, aber wir geben niemals wirklich preis, wie wir uns tatsächlich fühlen.
Haben Sie ein Geheimrezept für ein glückliches Leben?
Ich verschwende heute kaum noch Zeit. Ich genieße jeden Moment in meinem Leben. Ich bin jetzt 34 Jahre verheiratet, und meine Frau hat eine wunderschöne Seele. Ich bin der glücklichste Ehemann auf der Welt.
Sie haben sechs Kinder und diverse Enkelkinder. Wie ist Dustin Hoffman so als Opa?
Es ist wunderbar. Als Elternteil kannst Du die Privilegien, die mit Kindern kommen, nicht wirklich genießen, weil Du zu viel Verantwortung mit Dir herumträgst. Aber als Großeltern können wir die Kleinen jetzt total genießen. Es macht einfach riesigen Spaß.
Was vermissen Sie heute in Ihrem Leben?
Wenn wir auf die Welt kommen, dann umgibt uns eine gewisse Reinheit - die wird uns mit den Jahren immer mehr genommen. Menschen lachen Dich aus, weil Du anders bist. Uns wird über die Jahre immer mehr beigebracht, dass wir uns anpassen müssen. Diese Reinheit meiner Kindheit vermisse ich manchmal.
Aber Sie haben doch Ihre Karriere darauf aufgebaut, dass Sie immer ein bisschen anders waren als Ihre Kollegen.
Ich habe immer versucht, mich unzensiert auszudrücken. Aber ganz im Ernst: Ich glaube, dass es meine Nase ist, die mir eine Karriere in Hollywood ermöglicht hat (lacht). Schauen Sie sich den Zinken doch einmal an.
Sie wirken mit Ihren 77 Jahren oftmals noch immer wie ein Kind, das voller Energie nach dem Leben greift. Täuscht dieser Eindruck?
Nein, der täuscht nicht. Geist und Energie zählen im Leben. Ich mag Menschen nicht, die sich wie Erwachsene benehmen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß um die Verantwortung in der Erwachsenen-Welt, aber ich bin ein großer Anhänger der Freigeistler. Sie können Dir das Gehirn rausoperieren, aber Deine Seele kann Dir keiner nehmen.
Haben Sie ein Motto im Leben?
Das ist eine schwierige Frage. Unlängst habe ich ein Zitat gelesen, das meinem Motto sehr nahe kommt. Es stammt von Picasso. Er soll gesagt haben: "Sie können mir meine Farbe nehmen, dann male ich mit Buntstiften. Sie können mich nackt ausziehen und in eine Zelle werfen, dann spucke ich in meine Hand und male an den Wänden." Das drückt es ganz gut aus, finden Sie nicht? (fs)
Mr. Hoffman ist einer der letzten "großen" Schauspieler Hollywoods - heutzutage so etwas wie ein Hollywood-Urgestein. Der Grund für Hoffmans Präsenz liegt dabei auf der Hand - Hoffmans brilliantes darstellerisches Können sowie dessen Bodenständigkeit.
Beides Gründe, weshalb ich Hoffman so schätze. Und dieser positive Gesamteindruck wird nun durch dieses neuerliche dankenswerte Interview bestätigt.
eine 'Dustin-Hoffmann-Collection' in einer schönen box, das wäre mal was für mich. die o.g. liste ist ja schon ganz gut. allerdings fehlt mir da 'Little Big Man' in der auflistung.
Tolles Interview, besonders der Theater-Vergleich und die Passage mit der Reinheit fand ich besonders bemerkenswert.
Und vor allem, der Mann wirkt überhaupt nicht wie ein 77 Jähriger, Wahnsinn :)
Ein wirklich aufschlussreiches Interview mit einem sehr sympatischen Schauspieler wie Dustin Hoffmann!
Echte Schauspiel-Größen wie er einer ist, gibt es nicht mehr all zu viele.