Win Win (CineProject) - ReviewNicht nur auf musikalischer Ebene bürgen Independent-Produktionen
häufig für inspirierenden Input, auch auf dem cineastischen Sektor
hinterlassen jedes Jahr zuvor weitestgehend unbekannte Filme einen
nachhaltigen Eindruck. Das ist für 2011 u.a.
Midnight in Paris,
The Tree of Life,
Der Biber und
Melancholia gelungen. Sie alle haben
bekannte Pfade verlassen und sind stattdessen dem Ideenreichtum
kreativer Drehbuchautoren und Regisseuren gefolgt. In diese Liga
reiht sich nahtlos Win Win ein. Geschrieben von Joe Tiboni und
Thomas McCarthy, der zugleich auch Regie führt, konnte Win Win
bereits den NBR Award in der Kategorie Top Ten Independent Films
2011 verbuchen. Bleibt nur noch die Frage, wie es der Tragikkomödie
gelungen ist, die Gunst der Zuschauer und Kritiker für sich zu
gewinnen.
Story
Für Anwalt Mike Flaherty (P. Giamatti) könnte es besser laufen. Die
Auftragslage ist schlecht, seine Sorgen um die Existenz der Familie
werden immer präsenter und auch sein Nebenjob als Wrestling-Coach
an einer High School ist nur von wenig Erfolg gekürt. Doch eines
Tages sieht er Licht am Ende des Tunnels, als er die Rolle des
Vormunds für Leo Poplar (B. Young), einem älteren Mandanten
übernimmt, der an Demenz erkrankt ist. Für dessen häusliche Pflege
erhält Mike damit zusätzliche $1.500, die er dringend braucht, um
das Loch in der Haushaltskasse zu stopfen.
Da der Tag jedoch nur 24h lang ist, geht er kurzerhand dazu über
Leo in ein Luxusheim abzuschieben. Vorübergehend erspart sich Mike
auf diese Weise unangenehme Finanzgespräche mit seiner Frau Jackie
(A. Ryan), doch als kurz darauf Leos 16-jähriger Enkel Kyle (A.
Shaffer) unerwartet auf der Bildfläche erscheint, spitzt sich die
Lage zu. Zwar verfügt Kyle über ungeahnte Wrestling-Erfahrung, um
damit die High School Mannschaft zu retten, andererseits droht
Mikes windiges Geschäft aufzufliegen…
Mike läuft als sportlichen Ausgleich eine Trainingsrunde auf einem
Waldweg. Mit großem Vorsprung gegenüber seinen Mitläufern
absolviert er Meter für Meter der Strecke. Schließlich lässt seine
Ausdauer nach, die Kamera nährt sich von hinten und kurz darauf
überholen ihn zwei Verfolger am linken und rechten Bildrand. Der
Abstand vergrößert sich, Mike kommt zum Stehen – die Kamera jetzt
dicht hinter ihm. Schließlich blickt er schnaufend auf den
gegenüberliegenden See – dem Zuschauer offenbart sich sein
schwermütiger Gesichtsausdruck. Treffender hätte man Win Win nicht
einleiten können. Ohne einen Schnitt nehmen die ersten 60 Sekunden
den Ausdruck “Lauf des Lebens” wortwörtlich und verdeutlichen
eindrucksvoll, wie es um Mikes Leben bestellt ist. Bislang hat sein
guter Job ihm und seiner Familie ein komfortables Leben ermöglicht,
doch infolge schlechter Auftragslage und anhaltenden Misserfolgen
bei der Wrestling-Mannschaft, muss er derzeit um jeden Dollar
kämpfen.
Der Zweck heiligt die Mittel. Es fällt als Zuschauer leicht für
Mike Mitgefühl zu entwickeln, zumal es Paul Giamatti hervorragend
gelingt, die Vaterfigur zu verkörpern. Bei den unzähligen künstlich
inszenierten Familienidyllen, die Hollywood zu gerne präsentiert,
ist das authentisch lebensnahe Schauspiel von Giamatti und Ryan
(u.a. The Wire) geradezu eine Wohltat. Win Win lebt von
facettenreichen Charakteren, bei denen Lebensfreude, Hoffnung, aber
auch Sorge und Schmerz dicht beieinander liegen. Bezeichnend für
den American Way of Life gilt bei allen Herausforderungen des
Lebens allerdings die Devise: Gebe niemals auf – mach’ eine Pause,
aber lauf weiter! Als Träger der Botschaft bemüht Regisseur Thomas
McCarthy nicht die üblichen Klischees einer reißerischen
Underdog-Story, sondern inszeniert das Zusammenleben zwischen Kyle
und den Flahertys auf so natürliche und glaubwürdige Weise, dass
man sich wie in einem Roman ideal in die Personen hineinversetzen
kann. Teamgeist spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle, welche
die ruhig erzählte Story auf eindrückliche Weise vermittelt. Obwohl
Mike & Jackie als Eltern von zwei Kindern bereits alle Hände
voll zu tun haben, scheuen sie sich nicht davor, Kyle vorerst bei
sich einzuquartieren, um ihm wieder sozialen Halt zu geben. Indem
Kyle seine Wrestling-Talente wiederbelebt und Mikes High School
Mannschaft zu neuer Stärke verhilft, entsteht die titelgebende Win
Win Situation.
Bild
Twentieth Century Fox Home Entertainment stattet den Blu-ray
Transfer mit einem MPEG-4/AVC kodierten Bild bei einer Auflösung
von 1080p/24p und einem Seitenverhältnis von 1.85:1 aus. Von der
ersten Minute an setzt Win Win hohe Qualitätsstandards bei der
visuellen Präsentation. Erstklassige Durchzeichnung liefert ein
sehr fein aufgelöstes Bild, das keine Details unterschlägt, sondern
in voller Brillanz alle Vorzüge von 1080p ausschöpft.
Passend zur Handlung sind die Farben natürlich gehalten und
variieren je nach Umgebung zwischen wärmerer und kälterer Betonung.
Kräftige Kontraste sorgen für ausreichend Tiefe und unterstützen
ideal das Spiel mit der Tiefenschärfe. In dunklen Innenräumen und
bei Nacht punktet der Transfer mit einem exzellenten Schwarzwert
sowie differenzierten Grauabstufungen. Vollendet wird der Kino-Look
mit dezentem Filmkorn, das erfreulicherweise nicht von
Rauschfiltern unterdrückt wird. Ebenso wurde auf nachträgliche
Kantenschärfung verzichtet, so dass keine Gefahr von Doppelkonturen
und anderen Abbildungsfehlern besteht.
Ton
Der englische Originalton liegt in DTS-HD 5.1 vor, während die
deutsche Synchronisation auf DTS 5.1 beschränkt ist. Dennoch
braucht sich diese nicht zu verstecken, denn getreu dem O-Ton
Vorbild sind die Studioaufnahmen leise abgemischt und vermeiden
damit Audiokommentar-Flair. Während Stimmen häufig mittig ertönen,
baut der gelungene Soundtrack von Lyle Workman eine räumliche Bühne
auf, die einen vollständig umschließt. Leises Vogelgezwitscher und
vorbeifahrende Autos in der Ferne sind präzise zu orten, wie auch
subtile Bässe, die punktuell für Tiefen sorgen. Aufgrund der eher
leicht verständlichen Dialoge, fungiert Win Win zudem als
Top-Empfehlung für O-Ton Zuschauer.
Ausstattung
• Deleted Scenes (1:36 min, 1080p)
• Tom McCarthy and Joe Tiboni discuss Win Win (6:29 min,
1080p)
• David Thompson at Sundance 2011 (2:27 min, 1080p)
• In conversation with Tom McCarthy and Paul Giamatti at Sundance
2011 (2:25 min, 1080p)
• Family (2:23 min, 1080p)
• "Think You Can Wait" music video by The National (4:33 min,
1080p)
• Theatrical Trailer (2:20 min, 1080p)
• Wendecover
Aufgeteilt in kurzen Clips, verfügt Win Win insgesamt über ca. 25
min Bonusmaterial. Neben einigen lustigen Anekdoten beinhaltet
insbesondere das Gespräch mit Tom McCarthy und Joe Tiboni
zahlreiche aufschlussreiche Hintergrundinformationen. Unter anderem
erfährt man, dass Alex Shaffer auch im wahren Leben ein sehr guter
Wrestler ist, da die Sportart als Schauspiel unrealistisch
erscheinen würde.
Fazit
Auf technischer Seite befriedigt die Blu-ray zu Win Win selbst hohe
Qualitätsansprüche. Feine Detailzeichnung, ein ausgewogenes
Kontrastverhältnis und natürliche Farben zeichnen den hochwertigen
HD-Transfer aus. Dem steht der Ton in nichts nach, denn
insbesondere die klare Sprachwiedergabe und der räumliche
Soundtrack punkten. Auch wenn die Ausstattung etwas umfangreicher
ausfallen könnte, bieten die Interviews mit Regisseur und
Drehbuchautor wissenswerte Zusatzinformationen.
Selten ist es geworden, dass es einem Film gelingt, sich
ausschließlich auf seine bewegende Handlung zu beschränken und
gleichzeitig auf übertriebene Dramatik, Stereotypen und
konstruierte Dialoge zu verzichten. Win Win ist dafür ein
leuchtendes Beispiel. Angefangen beim Casting bis hin zum Schnitt
überzeugt der Film auf ganzer Linie und sichert sich somit einen
festen Platz in der Independent-Landschaft. (cj)
Story: 8/10
Bildqualität: 8/10
Tonqualität: 8/10
Ausstattung: 7/10
Gesamt: 8/10
Kaufempfehlung: 8/10
Testgeräte
Projektor: Mitsubishi HC-6000
BD-Player: PlayStation 3
AV: Denon AVR-4308
LS: B&W 704
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