Metropolis (1927) Blu-ray
ReviewIn den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts stand die deutsche
Filmindustrie noch gleichberechtigt neben der amerikanischen.
Während sich in Übersee vor allem Slapstickkomödien eines Charlie
Chaplin oder Buster Keaton einer großen Beliebtheit erfreuten,
setzten europäische Filmschaffende eher auf eine künstlerische
Herangehensweise. Dies manifestierte sich in zeitlosen
Meisterwerken wie Einsensteins
Panzerkreuzer
Potemkin (1925) oder Friedrich Wilhelm Murnaus
Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (1922).
Beide Werke gelten bis heute, sowohl inszenatorisch, als auch
inhaltlich, als wegweisende Meilensteine der Filmgeschichte. In
Deutschland orientierte man sich zudem stark an einer
expressionistischen Ästhetik, die den Filmen eine unverwechselbare
visuelle Dimension verliehen. Neben Robert Wienes „Das Cabinet des
Dr. Caligari“ (1919) ist hier vor allem Fritz Langs
Metropolis aus dem Jahr 1927 zu nennen, der zum
ersten Mal auch Motive der Futuristik verarbeitet und die Filmwelt
bis heute entscheidend beeinflusst.
Story:
In der gigantischen Stadt Metropolis haben sich die Gegensätze
zwischen Arm und Reich entscheidend verschärft. Während die große
Mehrheit der Arbeiter im unterirdischen Teil der Stadt vor sich hin
vegetieren und ihren monotonen und nicht zuletzt gefährlichen
10-Stunden Schichten nachgehen, vertreiben sich die Oberen
Zehntausend mit süßem Müßiggang die Zeit. Einer von ihnen ist
Freder Fredersen (G. Fröhlich), der Sohn des Erbauers und
mächtigsten Mann der Stadt. Sein Leben ändert sich allerdings
schlagartig, als er zufällig der jungen Arbeiterin Maria (B. Helm)
begegnet. In der Hoffnung sie wiederzusehen, verschlägt es ihn in
die riesigen Maschinenräume der Unterstadt, wo er Zeuge der
unmenschlichen Arbeitsbedingungen wird. Bei seinem Vater stoßen
seine verzweifelten Klagen allerdings auf taube Ohren. Dieser hegt
ganz andere Pläne. Mit einer ausgefallenen Erfindung des
Wissenschaftlers Rotwang (R. Klein-Rogge) will er die
rebellierenden Arbeiter noch mehr unter seine Herrschaft
zwingen.
Die Geschichte des Films
Metropolis ist nicht
weniger dramatisch, als seine Handlung. Die Nachricht, dass im Juli
2008 in Argentinien eine fast vollständig erhaltene Fassung des
Films entdeckt wurde, ging wie ein Lauffeuer durch die Medien und
war nichts weniger als eine Sensation. Nachdem der Film sofort nach
der Uraufführung 1927 vom Filmverleih extrem gekürzt, und die
entfernten Szenen vernichtet wurden, hatte man die Hoffnung schon
aufgegeben, jemals wieder die vollständige Fassung von
Metropolis rekonstruieren zu können. Denn erst in
seiner ungekürzten Form entfaltet der Film seine volle Wirkung. Die
Teils auf 90 Minuten heruntergestutzten Fassungen legten den
Schwerpunkt, in völliger Verkennung der eigentlichen Intentionen
Fritz Langs, auf die Frankenstein-Thematik um Rotwang und sein
Maschinenwesen.
Rückblickend ist erst dadurch zu erklären, warum
Metropolis hauptsächlich auf seine Science-Fiction
Elemente reduziert wurde. In der nun vorliegenden, vollständigen
Rekonstruktion des Films wird deutlich, dass dieser Aspekt nur
einen geringen Teil der Handlung einnimmt und lediglich als
Katalysator für die eigentlichen, dramatischen Elemente der
Geschichte dient. Diese haben mit Science-Fiction nicht das
Mindeste gemein, sondern behandeln Themen von universeller
Relevanz: Liebe, Trauer, Freundschaft und Moral.
Metropolis ist in erster Linie auch ein
politischer Film, der die soziale Ungleichheit innerhalb der
Gesellschaft thematisiert. Der Kampf zwischen Arbeiterklasse (Hand)
und Kapital (Hirn) ist der Ankerpunkt, um den sich die teils
hochemotionale Handlung dreht und wendet. An dieser Stelle müssen
natürlich auch die aus heutiger Sicht ungewöhnlichen, aber deshalb
umso faszinierenderen schauspielerischen Leistungen erwähnt werden.
Da in einem Stummfilm logischer Weise keine Dialoge die Handlung
vorantreiben, sind die handelnden Personen auf ihre Mimik und
Gestik beschränkt, um ihre Charaktere zu gestalten.
Hier stechen vor allem Brigitte Helm in ihrer Doppelrolle als
„gute“ und „böse“ Maria, und Rudolf Klein-Rogge als irrer Erfinder
Rotwang hervor. Es ist sicher keine Übertreibung zu behaupten, dass
heutige Schauspieler zu solchen Leistungen nicht mehr fähig sind.
Alleine die absolut irrwitzige Mimik und Körpersprache (der Tanz!)
der bösen Maria sind in jeder Hinsicht unglaublich. Rotwang
hingegen steht dem in nichts nach und darf als maßgebliche
Blaupause eines Mad Scientist gelten. Eine Rolle, die in besonderem
Maße von der rekonstruierten Fassung profitiert, ist die des
Schmalen, gespielt von Fritz Rasp. Der Handlanger von Joh Fredersen
strahlt eine nahezu dämonische Bösartigkeit aus, die garantiert bei
dem ein oder anderen für schlaflose Nächte sorgen wird. Die Lösung
des Konflikts zwischen „Hirn“ und „Hand“ mutet aus heutiger Sicht
(übrigens auch schon aus damaliger) als recht naiv an und
konterkariert in gewisser Weise die ansonsten so komplex
strukturierte Handlung des Films. Aber um ehrlich zu sein: wer
wünscht sich nicht auch in unserer heutigen Gesellschaft ein wenig
mehr „Herz“?
Bildqualität:
Technik: Videocodec VC-1, Ansichtsverhältnis 1,33:1, Auflösung
1080p
Natürlich darf man einen 84 Jahre alten Stummfilm nicht an heutigen
Maßstäben messen. Die Kriterien für einen gelungenen Bildtransfer
liegen hier auf einer anderen Ebene. Vor allem, wenn man die
wechselhafte Geschichte des Ausgangsmaterials berücksichtigt, lässt
sich konstatieren, dass hier das Maximum herausgeholt wurde. Das im
Vergleich zu den argentinischen Anteilen noch sehr gut erhaltene
Ausgangsmaterial in 35mm wurde exzellent aufbereitet. Der Bildstand
zeigt sich absolut ruhig und das Bild als solches frei von
Verschmutzungen oder Laufschrammen. Hier kommt die aufwändige
Restauration in 2K also ausgezeichnet zum Tragen. Bei dem durch
fast schon archäologischen Spürsinn wieder entdeckten
argentinischen Material sieht das natürlich anders aus. Hier lag
das Ausgangsmaterial in Form eines fast zerstörten 16mm Films
vor.
Da es sich dabei bereits um mehrfach umkopierte Filmrollen
handelte, inklusive aller bereits auf den vorigen Generationen
enthaltenen Verschmutzungen und Schäden, gestaltete sich die
Aufbereitung extrem schwierig. Daher war es selbst mit
aufwändigster digitaler Überarbeitung nicht möglich, alle Schäden
zu beseitigen. Was man als Filmfan aber nicht negativ bewerten
sollte. Denn einerseits sind die neu entdeckten Szenen damit immer
sofort erkennbar, andererseits beschwert man sich bei der
Entdeckung antiker Gegenstände auch nicht über die schlechte
Qualität, sondern erfreut sich an den in ihnen enthaltenen
Informationen. Unter diesem Gesichtspunkt bietet die vorliegende
Blu-ray von
Metropolis das bildtechnische Maximum,
welches gegenwärtig erreichbar ist.
Tonqualität:
Technik: Musik in DTS-HD Master Audio 5.1 und 2.0
Die Dialoge sind immer klar verständlich. Diesen Satz werden Sie im
folgenden Abschnitt einmal nicht lesen müssen. Aber Spaß beiseite.
In der Stummfilmzeit war es allgemein üblich, zum jeweiligen Film
eine musikalische Begleitung zu erstellen. So geschehen auch im
Fall von
Metropolis. Hier gestaltete sich die
Rekonstruktion der ursprünglichen Musik von Gottfried Huppertz als
nicht ganz so schwierig, wie die Filmrekonstruktion, da die
handschriftliche Orchesterpartitur vorlag. Die Wichtigkeit der
Musik tritt in der allgemeinen Euphorie über die wiederentdeckten
Szenen allerdings zu Unrecht etwas in den Hintergrund. Denn erst an
Hand der Original Partitur war es überhaupt möglich, die neu
entdeckten Filmteile in das Gesamtwerk einzupassen.
Mit Hilfe der von Huppertz vermerkten 1028 Synchronpunkte konnte
die Szenenabfolge exakt ermittelt werden. Die Musik trägt darüber
hinaus entscheidend zur Charakterentwicklung und emotionalen
Aufwertung des Films bei. „Stampfende Kolben“, „Explosion“ oder
„Maria nimmt Kind“, jede Szene wird immer mit der passenden Musik
unterlegt, so dass der gesamte Film eine stimmige audiovisuelle
Einheit bildet. Die Musik wurde für diese Veröffentlichung vom
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Frank
Strobel neu eingespielt. Strobel war als musikalischer Leiter von
Beginn an in das Projekt eingebunden und leitete das Orchester auch
bei der Uraufführung im Jahr 2010, die live auf Arte ausgestrahlt
wurde. Der HD-Ton lässt dann auch keine Wünsche offen und
transportiert die Musik voluminös und transparent über die
Frontkanäle. Die Surroundkanäle werden allerdings nicht mit
eingebunden, was kein Kritikpunkt ist, da man ein Orchester im
Konzertsaal auch hauptsächlich von vorne hört.
Ausstattung:
Wer tiefer in die turbulente und aufregende Wiederentdeckung der
vollständigen Fassung des Klassikers von Fritz Lang eintauchen
möchte, sollte unbedingt einen Blick in die Sonderausstattung der
3-Disc Special Edition werfen. In mehreren Dokumentationen wird die
Geschichte des Films seit seiner Uraufführung im Jahr 1927
anschaulich dargestellt. Die auf Disc 2 enthaltenen drei
Dokumentationen sind in diesem Zusammenhang besonders interessant.
„Metropolis – Die Restaurierung eines Filmklassikers“ (ca. 28
Minuten) beschreibt die aufwändige und mühsame Aufbereitung des
wiederentdeckten Filmmaterials.
„Metropolis Refound“ (ca. 47 Minuten) ist eine argentinische
Dokumentation zum Thema und lässt die dortigen Entdecker
ausführlich zu Wort kommen. „Die Reise nach Metropolis“ (ca. 53
Minuten) umfasst dann den Gesamtkomplex und zeichnet den Weg des
lange verschollenen Bildmaterials nach. Alle drei Dokumentationen
sind sehr interessant und vermitteln eine Vielzahl substanzieller
Informationen. Disc drei taucht unter anderem noch einmal tiefer in
die Aufbereitung des Bildmaterials ein und zeigt anhand einiger
Arbeitsbeispiele die qualitative Evolution des Films. Die
„Mini-Features Tricktechnik“ sind ein BD-Rom Inhalt. Alle Extras
liegen in High Definition vor.
Fazit:
Die vorliegende Blu-ray präsentiert
Metropolis in
der gegenwärtig bestmöglichen technischen Umsetzung. Das Bild wurde
unter dem Einsatz aller denkbaren Möglichkeiten restauriert und
liegt in überwiegend herausragender Qualität vor. Das neu
eingefügte argentinische Material fällt gegenüber dem Rest deutlich
ab, was allerdings kein Kritikpunkt sein kann und darf. Die Musik
wurde nach der Originalpartitur neu eingespielt und findet ihren
Weg in zeitgemäßem HD-Ton auf die Blu-ray. Die Extras vermitteln
alles, was man über die Wiederentdeckung von Fritz Langs Klassiker
wissen muss.
Metropolis ist nicht nur ein Meilenstein der
Filmgeschichte, sondern gleichzeitig auch ein deutsches Kulturgut,
welches als erster Film in das Weltdokumentenerbe der UNESCO
aufgenommen wurde. Erst in seiner nun vorliegenden, fast
vollständigen Form (ca. acht Minuten fehlen noch immer) entfaltet
der Film seine ganze komplexe Bandbreite an inhaltlicher und
schauspielerischer Brillanz. Es zeigt sich, dass Fritz Langs
Meisterwerk weit mehr ist, als der erste Science-Fiction Film,
nimmt dieser Aspekt doch nur einen marginalen Teil der Handlung
ein. Trotzdem hat er Filme, die heute selbst als Klassiker gelten,
wie Ridley Scotts „Blade Runner“ oder George Lucas „THX 1138“,
natürlich maßgeblich beeinflusst. Niemand, der sich selbst als
Filmfan bezeichnet, sollte sich
Metropolis
entgehen lassen.
Kurzbewertungen:
Story: 10/10
Bild: 9/10
Ton: 8/10
Extras: 9/10
Gesamt*: 9/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die
Story nicht berücksichtigt.Kaufempfehlung: 9/10
Die Kaufempfehlung der Metropolis
Blu-ray wird anhand der technischen Bewertung und unter
Berücksichtigung der Story berechnet.Testgeräte:
TV: Pioneer PDP-LX5090 (50“) (kalibriert)
BDP: Pioneer BDP-LX71
AVR: Pioneer SC-LX81
Lautsprecher: B&W 803S (Main), Teufel M-500 (Surround)