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Metropolis

Gestartet: 06 Nov 2011 15:04 - 17 Antworten


Veröffentlichung:
28.10.2011
Laufzeit:
150 Minuten
Schauspieler:
Regisseur:
Produktion:
Kategorie:
Altersfreigabe:
#1
Geschrieben: 06 Nov 2011 15:04

Kuro77

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Metropolis (1927) Blu-ray Review


In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts stand die deutsche Filmindustrie noch gleichberechtigt neben der amerikanischen. Während sich in Übersee vor allem Slapstickkomödien eines Charlie Chaplin oder Buster Keaton einer großen Beliebtheit erfreuten, setzten europäische Filmschaffende eher auf eine künstlerische Herangehensweise. Dies manifestierte sich in zeitlosen Meisterwerken wie Einsensteins Panzerkreuzer Potemkin (1925) oder Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (1922). Beide Werke gelten bis heute, sowohl inszenatorisch, als auch inhaltlich, als wegweisende Meilensteine der Filmgeschichte. In Deutschland orientierte man sich zudem stark an einer expressionistischen Ästhetik, die den Filmen eine unverwechselbare visuelle Dimension verliehen. Neben Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1919) ist hier vor allem Fritz Langs Metropolis aus dem Jahr 1927 zu nennen, der zum ersten Mal auch Motive der Futuristik verarbeitet und die Filmwelt bis heute entscheidend beeinflusst.


Story:

In der gigantischen Stadt Metropolis haben sich die Gegensätze zwischen Arm und Reich entscheidend verschärft. Während die große Mehrheit der Arbeiter im unterirdischen Teil der Stadt vor sich hin vegetieren und ihren monotonen und nicht zuletzt gefährlichen 10-Stunden Schichten nachgehen, vertreiben sich die Oberen Zehntausend mit süßem Müßiggang die Zeit. Einer von ihnen ist Freder Fredersen (G. Fröhlich), der Sohn des Erbauers und mächtigsten Mann der Stadt. Sein Leben ändert sich allerdings schlagartig, als er zufällig der jungen Arbeiterin Maria (B. Helm) begegnet. In der Hoffnung sie wiederzusehen, verschlägt es ihn in die riesigen Maschinenräume der Unterstadt, wo er Zeuge der unmenschlichen Arbeitsbedingungen wird. Bei seinem Vater stoßen seine verzweifelten Klagen allerdings auf taube Ohren. Dieser hegt ganz andere Pläne. Mit einer ausgefallenen Erfindung des Wissenschaftlers Rotwang (R. Klein-Rogge) will er die rebellierenden Arbeiter noch mehr unter seine Herrschaft zwingen.

Die Geschichte des Films Metropolis ist nicht weniger dramatisch, als seine Handlung. Die Nachricht, dass im Juli 2008 in Argentinien eine fast vollständig erhaltene Fassung des Films entdeckt wurde, ging wie ein Lauffeuer durch die Medien und war nichts weniger als eine Sensation. Nachdem der Film sofort nach der Uraufführung 1927 vom Filmverleih extrem gekürzt, und die entfernten Szenen vernichtet wurden, hatte man die Hoffnung schon aufgegeben, jemals wieder die vollständige Fassung von Metropolis rekonstruieren zu können. Denn erst in seiner ungekürzten Form entfaltet der Film seine volle Wirkung. Die Teils auf 90 Minuten heruntergestutzten Fassungen legten den Schwerpunkt, in völliger Verkennung der eigentlichen Intentionen Fritz Langs, auf die Frankenstein-Thematik um Rotwang und sein Maschinenwesen.

Rückblickend ist erst dadurch zu erklären, warum Metropolis hauptsächlich auf seine Science-Fiction Elemente reduziert wurde. In der nun vorliegenden, vollständigen Rekonstruktion des Films wird deutlich, dass dieser Aspekt nur einen geringen Teil der Handlung einnimmt und lediglich als Katalysator für die eigentlichen, dramatischen Elemente der Geschichte dient. Diese haben mit Science-Fiction nicht das Mindeste gemein, sondern behandeln Themen von universeller Relevanz: Liebe, Trauer, Freundschaft und Moral. Metropolis ist in erster Linie auch ein politischer Film, der die soziale Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft thematisiert. Der Kampf zwischen Arbeiterklasse (Hand) und Kapital (Hirn) ist der Ankerpunkt, um den sich die teils hochemotionale Handlung dreht und wendet. An dieser Stelle müssen natürlich auch die aus heutiger Sicht ungewöhnlichen, aber deshalb umso faszinierenderen schauspielerischen Leistungen erwähnt werden. Da in einem Stummfilm logischer Weise keine Dialoge die Handlung vorantreiben, sind die handelnden Personen auf ihre Mimik und Gestik beschränkt, um ihre Charaktere zu gestalten.

Hier stechen vor allem Brigitte Helm in ihrer Doppelrolle als „gute“ und „böse“ Maria, und Rudolf Klein-Rogge als irrer Erfinder Rotwang hervor. Es ist sicher keine Übertreibung zu behaupten, dass heutige Schauspieler zu solchen Leistungen nicht mehr fähig sind. Alleine die absolut irrwitzige Mimik und Körpersprache (der Tanz!) der bösen Maria sind in jeder Hinsicht unglaublich. Rotwang hingegen steht dem in nichts nach und darf als maßgebliche Blaupause eines Mad Scientist gelten. Eine Rolle, die in besonderem Maße von der rekonstruierten Fassung profitiert, ist die des Schmalen, gespielt von Fritz Rasp. Der Handlanger von Joh Fredersen strahlt eine nahezu dämonische Bösartigkeit aus, die garantiert bei dem ein oder anderen für schlaflose Nächte sorgen wird. Die Lösung des Konflikts zwischen „Hirn“ und „Hand“ mutet aus heutiger Sicht (übrigens auch schon aus damaliger) als recht naiv an und konterkariert in gewisser Weise die ansonsten so komplex strukturierte Handlung des Films. Aber um ehrlich zu sein: wer wünscht sich nicht auch in unserer heutigen Gesellschaft ein wenig mehr „Herz“?


Bildqualität:

Technik: Videocodec VC-1, Ansichtsverhältnis 1,33:1, Auflösung 1080p

Natürlich darf man einen 84 Jahre alten Stummfilm nicht an heutigen Maßstäben messen. Die Kriterien für einen gelungenen Bildtransfer liegen hier auf einer anderen Ebene. Vor allem, wenn man die wechselhafte Geschichte des Ausgangsmaterials berücksichtigt, lässt sich konstatieren, dass hier das Maximum herausgeholt wurde. Das im Vergleich zu den argentinischen Anteilen noch sehr gut erhaltene Ausgangsmaterial in 35mm wurde exzellent aufbereitet. Der Bildstand zeigt sich absolut ruhig und das Bild als solches frei von Verschmutzungen oder Laufschrammen. Hier kommt die aufwändige Restauration in 2K also ausgezeichnet zum Tragen. Bei dem durch fast schon archäologischen Spürsinn wieder entdeckten argentinischen Material sieht das natürlich anders aus. Hier lag das Ausgangsmaterial in Form eines fast zerstörten 16mm Films vor.

Da es sich dabei bereits um mehrfach umkopierte Filmrollen handelte, inklusive aller bereits auf den vorigen Generationen enthaltenen Verschmutzungen und Schäden, gestaltete sich die Aufbereitung extrem schwierig. Daher war es selbst mit aufwändigster digitaler Überarbeitung nicht möglich, alle Schäden zu beseitigen. Was man als Filmfan aber nicht negativ bewerten sollte. Denn einerseits sind die neu entdeckten Szenen damit immer sofort erkennbar, andererseits beschwert man sich bei der Entdeckung antiker Gegenstände auch nicht über die schlechte Qualität, sondern erfreut sich an den in ihnen enthaltenen Informationen. Unter diesem Gesichtspunkt bietet die vorliegende Blu-ray von Metropolis das bildtechnische Maximum, welches gegenwärtig erreichbar ist.


Tonqualität:

Technik: Musik in DTS-HD Master Audio 5.1 und 2.0

Die Dialoge sind immer klar verständlich. Diesen Satz werden Sie im folgenden Abschnitt einmal nicht lesen müssen. Aber Spaß beiseite. In der Stummfilmzeit war es allgemein üblich, zum jeweiligen Film eine musikalische Begleitung zu erstellen. So geschehen auch im Fall von Metropolis. Hier gestaltete sich die Rekonstruktion der ursprünglichen Musik von Gottfried Huppertz als nicht ganz so schwierig, wie die Filmrekonstruktion, da die handschriftliche Orchesterpartitur vorlag. Die Wichtigkeit der Musik tritt in der allgemeinen Euphorie über die wiederentdeckten Szenen allerdings zu Unrecht etwas in den Hintergrund. Denn erst an Hand der Original Partitur war es überhaupt möglich, die neu entdeckten Filmteile in das Gesamtwerk einzupassen.

Mit Hilfe der von Huppertz vermerkten 1028 Synchronpunkte konnte die Szenenabfolge exakt ermittelt werden. Die Musik trägt darüber hinaus entscheidend zur Charakterentwicklung und emotionalen Aufwertung des Films bei. „Stampfende Kolben“, „Explosion“ oder „Maria nimmt Kind“, jede Szene wird immer mit der passenden Musik unterlegt, so dass der gesamte Film eine stimmige audiovisuelle Einheit bildet. Die Musik wurde für diese Veröffentlichung vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Frank Strobel neu eingespielt. Strobel war als musikalischer Leiter von Beginn an in das Projekt eingebunden und leitete das Orchester auch bei der Uraufführung im Jahr 2010, die live auf Arte ausgestrahlt wurde. Der HD-Ton lässt dann auch keine Wünsche offen und transportiert die Musik voluminös und transparent über die Frontkanäle. Die Surroundkanäle werden allerdings nicht mit eingebunden, was kein Kritikpunkt ist, da man ein Orchester im Konzertsaal auch hauptsächlich von vorne hört.


Ausstattung:

Wer tiefer in die turbulente und aufregende Wiederentdeckung der vollständigen Fassung des Klassikers von Fritz Lang eintauchen möchte, sollte unbedingt einen Blick in die Sonderausstattung der 3-Disc Special Edition werfen. In mehreren Dokumentationen wird die Geschichte des Films seit seiner Uraufführung im Jahr 1927 anschaulich dargestellt. Die auf Disc 2 enthaltenen drei Dokumentationen sind in diesem Zusammenhang besonders interessant. „Metropolis – Die Restaurierung eines Filmklassikers“ (ca. 28 Minuten) beschreibt die aufwändige und mühsame Aufbereitung des wiederentdeckten Filmmaterials.

„Metropolis Refound“ (ca. 47 Minuten) ist eine argentinische Dokumentation zum Thema und lässt die dortigen Entdecker ausführlich zu Wort kommen. „Die Reise nach Metropolis“ (ca. 53 Minuten) umfasst dann den Gesamtkomplex und zeichnet den Weg des lange verschollenen Bildmaterials nach. Alle drei Dokumentationen sind sehr interessant und vermitteln eine Vielzahl substanzieller Informationen. Disc drei taucht unter anderem noch einmal tiefer in die Aufbereitung des Bildmaterials ein und zeigt anhand einiger Arbeitsbeispiele die qualitative Evolution des Films. Die „Mini-Features Tricktechnik“ sind ein BD-Rom Inhalt. Alle Extras liegen in High Definition vor.


Fazit:

Die vorliegende Blu-ray präsentiert Metropolis in der gegenwärtig bestmöglichen technischen Umsetzung. Das Bild wurde unter dem Einsatz aller denkbaren Möglichkeiten restauriert und liegt in überwiegend herausragender Qualität vor. Das neu eingefügte argentinische Material fällt gegenüber dem Rest deutlich ab, was allerdings kein Kritikpunkt sein kann und darf. Die Musik wurde nach der Originalpartitur neu eingespielt und findet ihren Weg in zeitgemäßem HD-Ton auf die Blu-ray. Die Extras vermitteln alles, was man über die Wiederentdeckung von Fritz Langs Klassiker wissen muss.

Metropolis ist nicht nur ein Meilenstein der Filmgeschichte, sondern gleichzeitig auch ein deutsches Kulturgut, welches als erster Film in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen wurde. Erst in seiner nun vorliegenden, fast vollständigen Form (ca. acht Minuten fehlen noch immer) entfaltet der Film seine ganze komplexe Bandbreite an inhaltlicher und schauspielerischer Brillanz. Es zeigt sich, dass Fritz Langs Meisterwerk weit mehr ist, als der erste Science-Fiction Film, nimmt dieser Aspekt doch nur einen marginalen Teil der Handlung ein. Trotzdem hat er Filme, die heute selbst als Klassiker gelten, wie Ridley Scotts „Blade Runner“ oder George Lucas „THX 1138“, natürlich maßgeblich beeinflusst. Niemand, der sich selbst als Filmfan bezeichnet, sollte sich Metropolis entgehen lassen.


Kurzbewertungen:

Story: 10/10
Bild: 9/10
Ton: 8/10
Extras: 9/10
Gesamt*: 9/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die Story nicht berücksichtigt.


Kaufempfehlung: 9/10
Die Kaufempfehlung der Metropolis Blu-ray wird anhand der technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der Story berechnet.


Testgeräte:

TV: Pioneer PDP-LX5090 (50“) (kalibriert)
BDP: Pioneer BDP-LX71
AVR: Pioneer SC-LX81
Lautsprecher: B&W 803S (Main), Teufel M-500 (Surround)
#2
Geschrieben: 06 Nov 2011 15:34

Schoormann

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Schöne Review, Toll geschrieben :thumb:
#3
Geschrieben: 06 Nov 2011 15:48

Olorin

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Tolles Review! Wird mal wieder Zeit, das ich mir den Film anschaue und immer wieder ein Genuss und schöne Abwechslung zu heutigen Machwerken :)
Club der Steeljunkies

 
blaue Grüße Dirk

 
#4
Geschrieben: 07 Nov 2011 11:44

Breiti

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Klasse, kenntnisreiche Review des Klassikers. Der wird definitiv in meine Sammlung wandern
"America is the only country that went from barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar Wilde

#5
Geschrieben: 07 Nov 2011 11:57

Rick

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Klasse Review, der dem Film und seiner tollen Restauration gerecht wird.
Absolut zu empfehlen.


... dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft
#6
Geschrieben: 07 Nov 2011 14:12

Gandalf123

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Absolut toller Review. Ich schwanke ehrlichweise immer noch, ob ich mir den Film kauf/leihe oder es lasse, denn einen Stummfilm im Regal stehen zu haben, ich weiss nicht so recht?!

#7
Geschrieben: 07 Nov 2011 20:42

Tsungam

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Ich muss mal fragen - hattest du schon die korrigierte Fassung oder ist dir das Problem mit der anscheinend fehlerhaften Bildrate/Bildfolge (ruckelndes Bild) nicht aufgefallen?



"Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche."
(F. W. Bernstein)

#8
Geschrieben: 07 Nov 2011 21:42

Kuro77

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Mir fiel ein Ruckeln nur bei der vertikalen Laufschrift zu Beginn auf. Im Film selbst trat kein störendes Ruckeln auf (jedenfalls konnte ich keins wahrnehmen). Deshalb bin ich im Review auch nicht näher darauf eingegangen.
#9
Geschrieben: 07 Nov 2011 22:30

gelöscht

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So langsam würde ich ja auch gerne - mal schauen, aber keine Blu-ray in Sicht. Flächenmarkt und der große Online-Shop warten auf die korrigierte Fassung. Ich bin einfach fasziniert von diesen Film und habe mich über dein positives Review sehr gefreut.

Vielen Dank! :thumb:

Presseheft:

Geschrieben: 08 Nov 2011 03:01

dancingpuma

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Hol dir doch die UK blu-ray, hab ich schon seit Monaten. Kein unterschied zur deutschen.


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