Barry Lyndon
Story 10
Bild 5
Ton 6
Extras 1
Gesamt 4
Mit Werken wie
Lolita,
2001 und
Uhrwerk Orange hatte Regisseur
Stanley Kubrick sich 1975 bereits einen Namen im Bereich der
Literaturverfilmungen gemacht. Dennoch nahmen Kritiker seine
Verfilmung des William M. Thackeray Romans „Die Memoiren des
Junkers Barry Lyndon“ damals gespalten auf und meinten Kubrick
erstmals schwächeln zu sehen. Erst im Nachhinein kürte etwa der
renommierte Kritiker Roger Ebert
Barry Lyndon 2009
zu einem „der schönsten Filme aller Zeiten“. Auf Blu-ray muss sich
das malerische Historien-Drama nun erneut beweisen.
Story
Grossansicht
Redmond Barry (R. O’Neal) ist ein junger Ire aus dem bürgerlichen
Mittelstand des 18. Jahrhunderts. Seine Geschichte beginnt, als er
sich in seine Cousine verliebt, die einem britischen Soldaten
versprochen ist. In einem Duell tötet Barry seinen Rivalen, muss
jedoch aus Angst vor Repressalien aus dem mütterlichen Zuhause
flüchten. Ab hier überschlagen sich für Barry die Ereignisse, denn
der naive Jüngling wird kurzerhand ausgeraubt und muss als
mittelloser Flüchtling in die Armee eintreten. Dieses Schicksal
behagt Barry bereits nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr und er
nutzt die erste Gelegenheit, um zu desertieren. Doch damit gerät er
letzten Endes nur vom Regen in die Traufe: Barry entwendet die
Uniform eines hochrangigen Offiziers und kann sich in dessen Rolle
die Prahlerei nicht verkneifen.
Rasch fliegt die Täuschung auf und er muss unter noch müßigeren
Umständen für die Preußen in den Krieg ziehen. Auch hier weiß der
schlaue Ire sich allerdings zu helfen und erlangt durch seinen
Charme und kluge Entscheidungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort
die Gunst seiner Vorgesetzten. Und damit hat Barrys Aufstieg, der
von einem Leben als Adeliger träumt, gerade erst begonnen. Durch
geschickte Betrügereien, lässt er schnell auch die preußische Armee
hinter sich, um als reisender Spieler die Männer um ihr Geld und
die Frauen um ihre Kleider zu erleichtern. Dann trifft er
schließlich Lady Lyndon (M. Berenson) und erkennt seine Chance,
durch sie für immer zu Reichtum und Ehre zu gelangen.
Ursprünglich plante Kubrick gar keine Verfilmung des William M.
Thackeray Romans, sondern eine Biografie Napoléon Bonapartes. Als
er von der Entstehung des Films Waterloo hörte, ließ er diesen Plan
fallen und beschloss seine Recherche für den historisch zeitnah
angesiedelten Barry Lyndon zu nutzen. Dementsprechend
perfektionistisch fällt das Ergebnis des Dramas aus: Kubrick
orientierte sich bei der Inszenierung an zeitgenössischen Gemälden,
was sich in jeder Szene widerspiegelt. Die Landschaftsaufnahmen und
die Szenenkomposition sind atemberaubend. Zusätzlich verzichtete
Kubrick fast komplett auf künstliche Beleuchtung und nutzte damals
hochmoderne Linsen, die sonst nur in der amerikanischen
Raumfahrtbehörde, der NASA, zum Einsatz kommen. Das Ergebnis ist
ein hochästhetischer Filmgenuss, der seinesgleichen sucht. Der
klassische Soundtrack, dessen Aufnahmen von Händels Sarabande und
Schuberts Piano-Trio in E-Moll unabhängig vom Film bei
Klassikfreunden angesehen sind, ist ebenfalls ein Hochgenuss.
Nicht nur Akustik und Optik, sondern auch die Handlung fesselt:
Kubrick interpretiert die literarische Vorlage auf ganz eigene
Weise. Wo Barry Lyndon im Roman prahlerisch aus der Ich-Perspektive
erzählt und dem Leser automatisch seine subjektive Weltsicht
nahelegt, berichtet im Film ein neutraler Erzähler distanziert über
das Leben des Redmond Barry. Dies führt dazu, dass der Zuschauer
hin- und hergerissen ist: Angesichts der zahlreichen, oft
egoistischen Betrügereien Barrys, empfindet man oft Abscheu für den
abgebrühten Iren. Andererseits zeigt Barry in gleichem Maß seine
Menschlichkeit, ja sogar Edelmut: Als Beispiel sei die fulminant
choreographierte Duell-Szene, Höhepunkt des letzten Aktes,
genannt.
Grossansicht
Barry schießt auf den Boden und verschont einen hoffnungslos
unterlegenen Gegner der eigenen Gesundheit zum Trotz. Auch seinem
Sohn gegenüber zeigt Barry aufrichtige Liebe, die er selbst als
vaterloses Kind nie erfahren hat. Kubrick vollbringt hier eine
Meisterleistung, die kaum einem anderen Regisseur gelingen könnte:
Er zeigt seinen Protagonisten voller Fehler und Schwächen, die es
leicht machen, ihn zu verabscheuen. Doch zugleich bringt er uns
Barrys Menschlichkeit nahe. Es wird deutlich, dass Redmond Barry im
Gegensatz zu Alex DeLarge aus Kubricks
Uhrwerk Orange kein schlechter
Mensch ist, sondern vielmehr jemand wie Du und Ich, dessen Fehler
durch äußere Einflüsse die Oberhand über seine Stärken gewinnen.
Dieses Wechselbad der Gefühle durchfließt Barrys gesamtes Leben,
der einerseits spektakuläre Dinge mit seinem Charme durchsteht und
andererseits am Ende an seinem Ego unabwendbar scheitern
muss.
Der fast drei Stunden lange Film überforderte Kritiker und Publikum
1975 und galt zunächst als Kubricks erstes Straucheln. Erstmals
fehlten die provokanten Thematiken für deren filmische Inszenierung
Kubrick bekannt war und Barry Lyndon konnte seine Produktionskosten
nicht wieder einspielen. Heute steht
Barry Lyndon
für eine ungeahnte Perle in Kubricks Laufbahn, ein seltenes
Beispiel für einen optisch opulenten Film, der erzählerisch höchste
Ansprüche erfüllt. Was dem Film an kontroverser Thematik fehlt,
macht er durch seinen grandiosen Protagonisten und dessen bewegende
Geschichte in einer detailverliebt dargestellten Gesellschaft des
18. Jahrhunderts mehrfach wieder wett.
Bildqualität
Grossansicht
Technik: Videocodec MPEG-4 AVC, Ansichtsverhältnis 1,78:1,
Auflösung 1080p Zunächst der große Wermutstropfen: Aus
unerfindlichen Gründen hat Warner sich entschieden, das Bildformat
Barry Lyndons von dem Originalformat von 1,66:1
auf 1,78:1 heranzuzoomen. In manchen Szenen wirkt das Bild dadurch
unnötig eng, was einen Perfektionisten wie Stanley Kubrick
sicherlich in Rage versetzt hätte. Abseits dieses Problems ist der
Transfer für einen über 35 Jahre alten Film überraschend gut. Man
muss im Kopf behalten, dass Kubrick bei
Barry
Lyndon absichtlich einen flachen, zweidimensionalen
Bildeindruck erzeugen wollte, da er sich in der Ästhetik an
Malereien orientierte.
Zudem filmte Kubrick fast ausschließlich mit natürlichem Licht, so
dass gerade dunkle Szenen reichlich Filmkorn enthalten. Dazu kommen
leider in einigen Szenen kleinere Kompressionsartefakte, da Warner
den drei Stunden langen Film auf Krampf auf eine BD-25 packen
wollte. Pluspunkte der Blu-ray sind die gegenüber der DVD enorm
gesteigerte Schärfe und die kräftigeren Farben. Auch die
Schwarzwerte geben keinen Anlass zum Meckern. Für einen 35 Jahre
alten Film macht
Barry Lyndon insgesamt eine gute
Figur und hätte, wenn die Beschneidung des Bildes nicht wäre,
durchaus eine bessere Note bekommen können.
Tonqualität
Technik: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (DTS-HD Master Audio
5.1), uvm. Die deutsche Synchronfassung dieses Stanley-Kubrick-Epos
hat einige Jahre auf dem Buckel, was man der aufgeblasenen
Mono-Spur, die mit der DVD-Variante identisch ist, deutlich anhört:
Die Dynamik hält sich in Grenzen und gerade die Stimmen klingen
etwas dumpf und können das Alter der Aufnahmen kaum verhehlen.
Surroundeffekte bleiben in der Regel aus und der Mix ist sehr
frontlastig. Die englische Tonspur in verlustfreiem DTS-HD Master
Audio klingt zwar ebenfalls angestaubt, bietet aber etwas mehr
Dynamik, was sich gerade bei dem hervorragenden Klassik-Soundtrack
positiv bemerkbar macht. So kann die Tonspur mit modernen
Blockbustern natürlich nicht mithalten, ist für das Alter des Films
aber vollkommen in Ordnung.
Ausstattung
Bis auf einen Kinotrailer in Standard-Auflösung enthält die
Blu-ray-Fassung des Films
Barry Lyndon leider
keinerlei Extras.
Fazit
Grossansicht
Bedenkt man das Alter des Films, überzeugt
Barry
Lyndon auf Blu-ray durchaus: Die Bildqualität ist für das
Ausgangsmaterial trotz einiger Kompressionsprobleme erstaunlich
gut. Hätte Warner nicht unverständlicherweise das Bildformat
beschnitten, wäre eine höhere Wertung drin gewesen. Der Ton ist
wiederum zwar nicht spektakulär, aber das ist zum einen den über 35
Jahren geschuldet, die dieses Epos auf dem Buckel hat und zum
anderen Teil des Stils Kubricks. Bedauerlich, dass die Disc bis auf
einen Trailer keine Extras bietet, welche die ereignisreiche
Entstehungsgeschichte dieser Literatur-Verfilmung beleuchten
könnten.
Barry Lyndon an sich ist ein vergessenes
Juwel in Kubricks ohnehin erstklassiger Filmographie und
ausnahmslos jedem Cineasten ans Herz zu legen. Kubrick inszeniert
das Leben und den Fall des zugleich unsympathischen wie auch sehr
menschlichen Redmond Barrys mit dramatischer Perfektion, die nicht
nur handwerklich, sondern auch storytechnisch beeindruckt und
bewegt. (anw)
Kaufempfehlung7 von 10
Die Kaufempfehlung der Barry Lyndon Blu-ray wird anhand der
technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der Story
berechnet.
Testgeräte
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