Wie Robert Zemeckis digitale Revolution
scheiterteDie Zukunft ist digital. Das dachte sich Robert Zemeckis zur
Jahrtausendwende und setzte fortan auf aufwendige Motion
Capture-Filme. Doch Milo & Mars, der aktuelle, von ihm
produzierte Film, ist zugleich der Grabstein dieser Träume.
Milo und
Mars © Disney
Welcher geistig gesunde Mensch würde einen Film, der weltweit 300
Millionen Dollar eingespielt hat, als Flop bezeichnen? Wer sich
nicht mit den Zahlen und Fakten rund um
Eine Weihnachtsgeschichte
auskennt, würde dieses Ergebnis wahrscheinlich als Erfolg deuten.
Doch der Motion Capture-Film von
Robert Zemeckis war der
Todesstoß für dessen digitales Filmstudio ImageMovers Digital.
Diese Woche kommt gewissermaßen der Grabstein des Großprojektes in
die Kinos.
Milo und Mars heißt der. Als
Disney im März letzten Jahres
bekannt gab, dass
ImageMovers Digital vor dem Aus steht, war Milo und Mars gerade in
Produktion. Jetzt dürfte er als ein legendärer Flop in die
Filmgeschichte eingehen.
Ein Jahrzehnt der Flops
Eine Weihnachtsgeschichte war ungeachtet seines beachtlichen
Einspielergebnis ein Misserfolg, weil allein die Produktionskosten
auf 200 Millionen Dollar geschätzt werden. Marketing und ähnliches
ist in dieser Zahl nicht inbegriffen. Seit der Gründung 1997 hat
keiner der aufwendigen Performance Capture-Filme aus dem Hause
ImageMovers an der US-Box Office zumindest seine Produktionsosten
einspielen können. Dazu gehören
Der Polarexpress,
Monster House,
Die Legende von Beowulf,
Eine Weihnachtsgeschichte und ganz aktuell Milo und Mars. Nach dem
Ladenschluss von ImageMovers relativ lieblos auf den Markt
geworfen, hat dieser in den USA trotz 3D-Zuschlag sage und schreibe
21 Millionen Dollar eingespielt und das bei Kosten von 150
Millionen.
Die gigantische Geldverbrennungsmaschine, die hinter diesen Filmen
steckt,, wurde ursprünglich aus einer Vision heraus geboren. Um die
Jahrtausendwende herum, als Hollywood in Gestalt von
George Lucas und seinen Star
Wars-Prequeln auf den digitalen Zug aufsprang, träumte Robert
Zemeckis von den Möglichkeiten der digitalen Effekte. Wenn visuell
alles möglich ist, würden sich die Filmemacher dann nicht
automatisch der Story
zuwenden? Diese und andere Fragen stellte er damals 2001 im
“Robert Zemeckis Center for Digital Arts”. Aus heutiger Sicht
wirken sie wie eine traurig-ironische Pointe seiner folgenden
Filme. Fantastische Ideen konnte er im Polarexpress, Beowulf und
anderen umsetzen, aber zwei Dinge haben immer gefehlt: das Leben
und die Meisterschaft im Geschichtenerzählen.
Ich sehe tote Menschen
Dass Robert Zemeckis’ Filme nie das
Uncanny Valley überwanden,
sondern mit ihren bemüht realistischen, aber leblosen Wachsfiguren
eher gruselten, denn faszinierten, wurde zum fatalen Stolperstein
eines
Visionärs. An den
kommerziellen Misserfolgen am laufenden Band konnte auch die
Tatsache nichts ändern, dass Zemeckis’ Filme auf bekannten Büchern
oder Sagen basierten und damit schon Markennamen innehatten.
Demgegenüber schuf
James Cameron im technisch
wirklich revolutionären
Avatar – Aufbruch nach
Pandora tatsächlich eine neue Welt, ohne das die Zuschauer
vorher jemals von Na’vi gehört hätten. James Cameron hielt das, was
er visuell versprach, selbst wenn die Story nicht über einen
stereotypen Der mit dem Wolf tanzt-Abklatsch samt ideologischem
Ballast hinauskommt.
Bedauerlich am Aufstieg und Niedergang von ImageMovers Digital ist
zum einen, dass wir zehn Jahre ohne einen guten Film von Robert
Zemeckis auskommen mussten. Andererseits ist da jemand gescheitert,
der das Kino tatsächlich weiterbewegen wollte; der mit Beowulf
immerhin ein animiertes Abenteuer für Erwachsene gedreht hat,
anstatt sich so wie viele Kollegen den 14 bis 25-jährigen
anzubiedern. Doch wer 200 Millionen Dollar für einen Film ausgibt,
dessen verdammt teuren Star wir nie wirklich zu sehen bekommen, der
hat das Potenzial der digitalen Technik vielleicht von vornherein
falsch verstanden. Robert Zemeckis ist schlichtweg an der Realität
gescheitert.
Quelle:moviepilot.de