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Das Wiegenlied vom Totschlag

Gestartet: 15 Juli 2011 10:34 - 4 Antworten


Veröffentlichung:
23.06.2011
Laufzeit:
115 Minuten
Schauspieler:
Regisseur:
Produktion:
Kategorie:
Altersfreigabe:
#1
Geschrieben: 15 Juli 2011 10:34

Kuro77

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Das Wiegenlied vom Totschlag Blu-ray Review


Die jungen und ambitionierten Regisseure des New Hollywood, die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in die Filmstudios drängten, erschlossen der Traumfabrik einen völlig neuen Horizont. Filmemacher wie Robert Altman (M*A*S*H, 1970), George A. Romero (Night of the Living Dead, 1969) oder auch ein George Lucas (THX 1138, 1971) verarbeiteten in ihren Werken mal mehr, mal weniger offensichtlich, deutliche Kritik an den bestehenden Verhältnissen der Gegenwart, was in dieser Konsequenz einer kleinen Revolution gleichkam. Auch das Westerngenre wurde von diesem neuen Ansatz erfasst. Die in den Folgejahren produzierten Spätwestern kannten keine klar gezogene Grenze zwischen Held und Schurke mehr. Heldenhafte Cowboys, die die Farm einer einsamen Witwe gegen einen bösen Viehbaron verteidigen, wurden durch Antihelden ersetzt, die ebenso skrupellos wie der vermeintliche Gauner nach ihrem Vorteil streben. Sam Peckinpahs The Wild Bunch (1969) oder Arthur Penns Little Big Man (1970) legen davon ein beeindruckendes Zeugnis ab. Im Jahr 1970 erschien auch Ralph Nelsons Western Das Wiegenlied vom Totschlag, der seine Botschaft weniger subtil, als vielmehr mit dem Holzhammer vermittelt.


Story:

Ein Jahr nach der katastrophalen Niederlage General Custers gegen rebellische Indianerstämme am Little Big Horn, zieht ein Geldtransport der Armee durch die menschenleere Wildnis. Doch ganz so menschenleer, wie es den Soldaten lieb wäre, ist das Gebiet nicht. Ihre Route führt sie geradewegs durch das Territorium feindlicher Ureinwohner. Gegenseitige Beschwichtigungen erweisen sich dann auch prompt als haltlos. Unvermittelt greifen die Cheyenne an und machen keine Gefangenen. Der komplette Zug wird fast völlig vernichtet. Nur der junge Soldat Honus Gent (P. Strauss) und die gerade nach zwei Jahren aus Indianergefangenschaft geflohene Kathy Lee (C. Bergen) entkommen mit knapper Not dem blutigen Gemetzel. Gemeinsam versucht das ungleiche Paar, ihren Weg zurück in die vermeintliche Zivilisation zu finden. Am Ende ihres Marsches müssen sie allerdings erkennen, dass die wahren Monster keinen Federschmuck tragen.

Die Tatsache, dass Soldier Blue (Originaltitel) die Zeiten bis heute überdauert hat, liegt einzig und allein an der drastischen Brutalität, mit der der Film dem Publikum vor Augen führt, dass auch die Geschichte Amerikas, das so viel auf seine Freiheitsrechte hält, zu wesentlichen Teilen mit Blut geschrieben ist. Denn Soldier Blue basiert frei auf wahren Ereignissen, die sich im Jahr 1864 im heutigen Bundesstaat Colorado ereigneten. Dort wurde von der Armee im sogenannten Sand­-Creek-­Massaker ein Dorf voller wehrloser Indianer kaltblütig abgeschlachtet. Auch vor Frauen und Kindern machten die Soldaten nicht Halt. Zusätzliche Brisanz erhielt der Film aber auch durch aktuelle Ereignisse, die die Bevölkerung der USA im Jahr 1970 in Atem hielten. Genau in diese Zeit fällt die Aufarbeitung des Massakers von My Lai, das abermals amerikanische Soldaten im Jahr 1968 in Vietnam verübten und dem in einer schrecklichen Wiederholung der Geschichte über 500 Zivilisten zum Opfer fielen. Diesen Gräueltaten wird Soldier Blue durch eine explizite Gewaltdarstellung gerecht, die es so in einem Western noch nicht zu sehen gab. Morde, Verstümmelungen und Vergewaltigungen werden hier in aller Deutlichkeit gezeigt. Trotzdem ist der Film weit davon entfernt, ein Klassiker des Genres zu sein. Das liegt zum großen Teil an der Rahmenhandlung. Im krassen Gegensatz zum dramatischen Finale, entpuppt sich die Flucht der beiden Protagonisten als in jeder Hinsicht missglückte Komödie.

Während Candice Bergen ihre Rolle überzeugend mit Leben füllt, ist Peter Strauss mit seiner ersten Filmrolle hoffnungslos überfordert, bisweilen agiert er sogar ausgesprochen nervig. Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern stimmt von Beginn an nicht. Die inszenatorischen Schwächen entfalten sich dann auch vor allem in der unvermeidlichen, holprigen Lovestory, die zu keiner Zeit zündet und pure Langeweile hervor ruft. Der im gleichen Jahr entstandene Klassiker „Ein Fressen für die Geier“ mit Clint Eastwood und Shirley MacLaine zeigt, wie es richtig geht. So lässt ein innerlich zerrissener Film, der sich nicht zwischen Komödie und Drama entscheidet, den Betrachter zwar schockiert aber gleichzeitig auch ratlos und enttäuscht zurück.


Bildqualität:

- Videocodec MPEG­4 AVC, Ansichtsverhältnis 2,35:1, Auflösung 1080p
- zum großen Teil sehr gute Durchzeichnung und Schärfe in Nahaufnahmen
- tolle Panoramaaufnahmen der Landschaft mit hervorragender Tiefenschärfe
- natürliche Farben
- kaum feines Filmkorn, was auf die dezente Verwendung von Rauschfiltern hindeutet
- diese Rauschfilter beeinflussen das Bild zu keiner Zeit negativ
- geringe Plastizität
- unruhiger Bildstand während des Vorspanns
- in wenigen Szenen teilweise drastisch verschwommene Bildbereiche
- Schwarzwert wird kaum gefordert

Soldier Blue kommt in den Genuss eines insgesamt hervorragenden Bildtransfers, der sich nur vereinzelte, kleine Schwächen leistet.


Tonqualität:

- Deutsch DTS­HD Master Audio 2.0
- Tonspur verbirgt ihr Alter zu keiner Zeit
- Dialoge blechern und schrill, aber verständlich
- keine Dynamik
- kein Volumen
- kein Stereopanorama
- bedingt durch die Stereocodierung keine Surroundeffekte und kein Subwoofereinsatz

Im Gegensatz zum Bildtransfer versagt die Tonspur auf der ganzen Linie. Die HD­-Codierung ist pure Augenwischerei. Zu hören bekommt man nicht mehr und nicht weniger als 40 Jahre alten Mono Ton.


Ausstattung:

Es sind keine Extras vorhanden.


Fazit:

Auch wenn man aktuelle Maßstäbe anlegt, bleibt der Bildtransfer bis auf kleinere Schönheitsfehler fast durchgängig HD-­würdig. Für einen 40 Jahre alten Film ist das Ergebnis phänomenal. Der Ton enttäuscht dagegen völlig. Hier wird das Alter des Films zu jeder Zeit schmerzlich bewusst. Auf Extras wurde komplett verzichtet.

Das Wiegenlied vom Totschlag präsentiert sich sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch zerrissen. Zwischen der brutalen Anfangssequenz und dem finalen Massaker, versucht sich der Film als ungelenke romantische Komödie, die nie den Funken überspringen lässt, was hauptsächlich der fehlenden Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern anzulasten ist. Besonders Peter Strauss in der Rolle des naiven und unbeholfenen Soldaten stellt mit fortschreitender Spielzeit ein Ärgernis dar. Die eigentliche Botschaft des Films, die auf eine Neubewertung der amerikanischen Geschichte, ohne ungerechtfertigte Glorifizierungen abzielt, wird aufgrund der gezeigten Gewalt mit dem Holzhammer vermittelt. Dies ist zwar immer noch schockierend, in Zeiten eines John Rambo allerdings nicht mehr so einzigartig wie vor 40 Jahren.


Kurzbewertungen:

Story: 6/10
Bild: 8/10
Ton: 4/10
Extras: 0/10
Gesamt*: 4/10
* In der Gesamt-Bewertung wird die Story nicht berücksichtigt.


Kaufempfehlung: 5/10
Die Kaufempfehlung der Das Wiegenlied vom Totschlag Blu-ray wird anhand der technischen Bewertung und unter Berücksichtigung der Story berechnet.


Testgeräte:

TV: Pioneer PDP­LX5090 (50“) (kal.)
BDP: Pioneer BDP­LX71
AVR: Pioneer SC­LX81
Lautsprecher: B&W (Main), Teufel (Surround)
#2
Geschrieben: 15 Juli 2011 11:19

anzech

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anzech ....middle-finger-salute

einmal gesehen und ich glaube nicht,das ich das jemals wieder (und schon gar nicht in HD) brauche.
mir,als altem indianer-freak,waren die augenzeugenberichte aus Dee Brown's buch schon bekannt,bevor ich den film gesehen habe und sie sind noch deutlich heftiger als das im film gezeigte.der film ist erschreckend,gerade weil er NICHT fiktiv ist,sondern konkret ein ereignis (eins der vielen unrühmlichen) der amerikanischen geschichte zeigt (natürlich durch die rahmenhandlung aufgehübscht) und dürfte für seine zeit schon aussergewöhnlich gewesen sein.

anyway...sehr informatives und gut geschriebenes review!
regards,Ron
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Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich. Konrad Adenauer






#3
Geschrieben: 15 Juli 2011 19:41

Gandalf123

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Kann da meinem Vorredner nur zustimmen. Das Buch hies glaube ich "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" und behandelte so einige Massaker der US-Armee an den Indianern ... oder täusche ich mich jetzt da? :(

Dem Review kann ich bzgl. des Filminhalts voll und ganz zustimmen.

#4
Geschrieben: 17 Juli 2011 18:38

Globox

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Obwohl ich mir den Film selbst nach deinem Review nicht kaufen werde, bin ich wieder einmal beeindruckt von deiner fundierten und differenzierten Kritik. Sprachlich und inhaltlich ein Hochgenuss zu lesen! :pray:
#5
Geschrieben: 21 Juli 2011 04:21

Breiti

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Schließe mich dem Post von Globox an, tolles Review.
Allerdings werde ich mir den Film aufgrund der guten Bildwertung wohl irgendwann mal zulegen
"America is the only country that went from barberism to capitalism without civilization in between." - Oscar Wilde


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