Hierro Review
Als Co-Produzent war Álvaro Augustín bereits an zahlreichen
Erfolgsstorys beteiligt. Insbesondere der Fantasy Film und
dreifache Oscargewinner Pans Labyrinth zählte 2006 zu den
Highlights des Jahres und ist mit rund 83 Mio. USD Einspielergebnis
der erfolgreichste spanische Film aller Zeiten. Bereits ein Jahr
später bewegte sich Augustín erneut auf Erfolgskurs, denn der
spanisch-mexikanische Horrorfilm Das Waisenhaus spielte stattliche
79 Mio. USD ein und rangiert damit direkt auf Platz 2 der
erfolgreichsten spanischen Filme. Am 2. Oktober 2009 hatte
schließlich die weniger populäre, spanische Produktion Hierro beim
42. Sitges Film Festival Premiere und ist nun über ein Jahr später
auf Blu-ray Disc erschienen. Sollte dem Film mehr Aufmerksamkeit
geschenkt werden?
Story
María ist alleinerziehende Mutter ihres fünfjährigen Sohnes Diego,
mit dem sie sich auf eine Reise zur kanarischen Insel El Hierro
begibt. Auf der Überfahrt mit der Fähre legt María eine Ruhepause
ein und gönnt sich etwas Schlaf. Als sie aufwacht, trifft sie Diego
nicht mehr in der Spielecke an und auch nachdem das gesamte Schiff
erfolglos nach Diego abgesucht worden ist, bleibt er spurlos
verschwunden. Verzweifelt und frustriert kehrt María ohne ihren
Sohn zurück und leidet enorm unter der belastenden Situation.
Ein halbes Jahr später erhält sie einen niederschmetternden Anruf
der Polizei von El Hierro ihr Sohn sei tot aufgefunden worden. Mit
ihrer Schwester zusammen machen sich die beiden auf den Weg zur
Insel, um Licht ins Dunkel zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt
María noch nicht, welche Alpträume ihr erst noch bevorstehen…
Hierro ist ein interessanter Genre-Mix aus psychologischem
Mysterythriller und Horrorfilm. Dabei erwartet das Publikum kein
Blutbad aus brutalem Gemetzel, sondern einen subtilen
Spannungsaufbau, der überwiegend den Erwartungen eines
ausgeklügelten Psychothrillers gerecht wird. Genretypisch
entwickelt sich die Handlung erst langsam und nimmt dann mit dem
Verschwinden von Diego Fahrt auf. Schauspielerin Elena Anaya
gelingt es, ihrer Rolle als María die notwenige beklemmende und
erdrückende Ausstrahlung zu verleihen, die sich in ihrem Spiel
schonungslos manifestiert. Hochachtung gebührt an dieser Stelle den
Verantwortlichen für Schnitt und Kameraeinstellung. In Folge
extremen Close-ups und lebendigen Schwenks, gerät der Zuschauer
mitten ins Geschehen und wird automatisch Beobachter aller feinen
Veränderungen der Gesichtszüge von Elena Anaya.
Im Verlaufe des Films verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen
Realität und ihren surrealen, traumatischen Vorstellungen. Auch
diese sich abwechselnden Übergänge sind handwerklich sehr gut
umgesetzt und bieten großartige Filmkunst. Hierzu sind unbedingt
noch Regisseur Gabe Ibáñez und die Drehbuchautoren Jesus de la Vega
und Javier Gullón zu nennen. Gerade wenn man glaubt den Fortlauf
des Geschehens vorhersehen zu können, belehren sie den aufmerksamen
Betrachter eines besseren und lenken den Verdacht auf eine andere
Spur. Somit bleibt die Story bis zum Ende spannend und nicht
vorhersehbar.
Neben den dominierenden Charakteristiken eines Mysterythrillers,
kommen Horrorfilm-Fans nicht zu kurz. Klassische Elemente wie
Schockszenen, die einen mehrmals zusammenzucken lassen,
dramatisierte Träume und sogar eine blutige Duschszene, die an
Hitchcocks Klassiker Psycho erinnert, sorgen für die richtige
Würze. Bei der vielen positiven Bewertung gibt es jedoch auch
Anlass zur Kritik. Auf der einen Seite trägt die ausgeprägte
Vermengung von Realität und Marías Träumen zum angeregten
Nachdenken bei, auf der anderen Seite führt dies zu Verwirrung und
offenen Fragen. Zwar sind die Hauptstränge der Handlung bis zum
Abspann aufgedeckt, jedoch bleiben leider die Hintergründe zu
vielen Hinweisen und Details im Verborgenen. Die Vermutung liegt
nah, dass Regisseur und Drehbuchautoren dies absichtlich so
angelegt haben, was dennoch sehr schade ist.
Bildqualität
Universal Pictures stattet den Blu-ray Transfer mit einem VC-1
kodierten Bild bei einer Auflösung von 1080p/24p und einem
Seitenverhältnis von 1.78:1 aus. Der Gesamteindruck der
Bildqualität fällt recht unterschiedlich aus, da sich sowohl sehr
beeindruckende Impressionen, als auch problematische Szenen
abwechseln. Close-up Einstellungen bewegen sich durchgängig auf
hohem Niveau und vermitteln erstklassiges HD-Feeling. Bei
Landschaftsaufnahmen verliert sich der Zauber streckenweise in
detailärmere und unscharfe Bilder. Die bizarre Erscheinung der
vulkanischen Vergangenheit El Hierros kommt nicht immer gut zur
Geltung und wird je nach Lichtverhältnissen, insbesondere bei
Dämmerstimmung und in Innenräumen von stärkerem Filmkorn
beeinflusst. Ebenfalls den gesamten Film über präsent ist die
chromatische Aberration. Bei dieser Erscheinung handelt es sich um
cyan/rot/grüne Farbsäume, die bei Konturen sichtbar werden. Mit
großem Abstand auf einem Fernseher betrachtet, wird der
Abbildungsfehler kaum auffallen, jedoch auf einer großen Leinwand
werden die Farbsäume sichtbar und führen zu merklicher
Unschärfe.
Fotografisch ist Hierro ein wahres Kunstwerk. Die Wahl und Stärke
der Farben passt großartig zur Stimmung des Films und setzt
deutliche Akzente. So präsentieren sich die hellen Szenen am Meer
blass und sind in einer kalten Farbtemperatur gehalten.
Innenaufnahmen erwecken Retro-Stil Eindrücke, denn deutliche
gelb/grün Filter bestimmen das Erscheinungsbild. Davon wird auch
der Schwarzwert beeinflusst, welcher häufig durch ein tiefes Blau
ersetzt wird. Obwohl die Bildqualität insbesondere bei Schärfe und
Detailreichtum streckenweise Schwächen aufweist, überzeugt der
HD-Transfer insbesondere bei Nahaufnahmen. Die mystische Stimmung
wird durch ideale Farbanpassungen perfekt in Szene gesetzt.
Tonqualität
Endlich kommen wir als Deutsche mal wieder in den Genuss von
HD-Sound! Neben der spanischen Originaltonspur verfügt
erfreulicherweise auch die deutsche Synchronisation über DTS-HD 5.1
bei der üblichen Datenrate von 1536 kbps. Was sich in der Theorie
schon gut anhört, ist in der Praxis noch viel besser.
Für ein klares und ungetrübtes Klangerlebnis sorgt eine exzellente
Transparenz bei der Sprachverständlichkeit, die sich dank
ausreichender Lautstärke deutlich genug von Nebengeräuschen und
Musik abhebt. Dialoge sind dabei auf die Front- und
Center-Lautsprecher ausgesteuert, währenddessen atmosphärische
Geräusche deutlich auf den Surroundlautsprechern zu hören
sind.
Szenen mit Meeresrauschen werden nahezu lebendig und es besteht
“Gefahr”, dass sich das heimische Kino in einen Strand verwandelt.
Der Bass hält sich stets dezent im Hintergrund und setzt
beispielsweise gezielt bei Unterwasserszenen ein. Abwechslungsreich
gibt sich auch der ergreifende Soundtrack von Zacarías M. de la
Riva. Mal umgeben von einer minimalistischen Besetzung, mal tritt
das gesamte Kiev Symphony Orchestra mit Chor in Erscheinung, sind
die Streicher oder das Piano im Rücken die ideale Untermalung des
Mysterythrillers.
Ausstattung
Das Bonusmaterial ist eine Enttäuschung auf ganzer Linie, denn es
ist keines vorhanden. Über das Menü lässt sich lediglich der
Hauptfilm starten, die Sprachen auswählen, zu Kapiteln springen
sowie zwei Trailer auswählen. Gerade bei einem Film wie Hierro
hätte man sich Hintergrundinformationen und Interviews mit der Crew
gewünscht.
Fazit
Leichte Schwächen, wie zeitweise Unschärfe oder starkes Rauschen
bei der Bildqualität werden von faszinierenden Close-ups und
anspruchsvoller Fotografie ausgeglichen. Der Anspruch an den Ton
bewegt sich auf konstant hohem Niveau, denn mit ungetrübtem
HD-Genuss, erstklassiger Sprachtransparenz und großartiger
Raumverteilung bleiben keine Wünsche unerfüllt.
Insgesamt überzeugt Hierro vor allem durch die großartige
Darstellung von Elena Anaya sowie einer Story mit Tiefgang und viel
Potential. Bedauerlicherweise wurde es nicht voll ausgeschöpft, da
zu viele der gelegten Fährten ungeklärt bleiben. Nichtsdestotrotz
ist Hierro ein solider Mysterythriller, gewürzt mit einer
ordentlichen Prise Horror. Fans des Genres oder Zuschauer, die neue
Wege fernab des Mainstreams gehen wollen, sollten dem Film
unbedingt eine Chance geben!
Story: 7/10
Bildqualität: 7/10
Tonqualität: 9/10
Ausstattung: n/a
Gesamt: 5/10
Testgeräte
Projektor: Mitsubishi HC-6000
BD-Player: PlayStation 3
AV: Denon AVR-4308
LS: B&W 704
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