Zitat:
Sehr geehrte Damen und Herren
der Stiftung gegen Gewalt an Schulen,
des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden,
sehr geehrte Unterstützer und Assoziierte,
Mit Schrecken mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass Sie innerhalb
des letzten Monats gleich zwei Vorstöße zum Verbot von sogenannten
„Killerspielen“ unternommen haben. Sowohl die Unterschriftenaktion,
von der am 19.06. berichtet wurde, als auch Ihr Appell an den
deutschen Bundestag stellt eine Abkehr von Ihrem Bekenntnis dar,
derartig absolute Einschränkungen für Herstellung, Vertrieb und
Konsum von Computer- und Videospielen mit Gewaltinhalten nicht mehr
zu fordern. Noch im Dezember 2009 äußerte sich Gisela Mayer, Ihre
damalige Pressesprecherin, ablehnend zu einem Verbot – mit der
absolut richtigen Begründung, dies würde die Selbstbestimmung
erwachsener Menschen zu sehr beeinträchtigen.
Insgesamt vermissen wir die Sachlichkeit, die Ihr Handeln besonders
im Gespräch mit dem Verband für Deutschlands Video- und
Computerspieler auszeichnete. Leider aber sprechen Sie inzwischen
wieder von „Killerspielen“ – ein unsachlicher Kampfbegriff, der
nicht nur irreführend ist, sondern auch von nicht wenigen Spielern
als beleidigend empfunden wird: Er setzt diejenigen, die
Ego-Shooter spielen, mit professionellen Auftragsmördern
(„Killern“) gleich. Auch verdeckt er, dass der Zweck von
Ego-Shootern, entgegen den Aussagen Ihres Bündnisses, nicht das
Trainieren von Mord und Totschlag ist, sondern der
freundschaftliche, sportliche Wettbewerb in
Reaktionsgeschwindigkeit, Gruppenkoordination und Taktik.
Erwerb und Herstellung von Spielen eines ganzen Genres zu
verbieten, halten wir für unverantwortlich. Einerseits ist es
erwachsenen, mündigen Bürgern damit nicht mehr möglich, ihrem Hobby
legal nachzugehen. Ein generelles Verbot würde einen sehr großen
Anteil an Mitbürgern völlig unnötig kriminalisieren. Verherrlichung
von und Aufforderung zu Gewalt sind unabhängig vom Träger-Medium
bereits verboten. Dieses Verbot kann als gesamtgesellschaftlich
gefestigt betrachtet werden. Durch neue, undifferenzierte Verbote
könnte auch die Akzeptanz dieser anderen Verbote ins Wanken
gebracht werden. Es wäre nicht mehr möglich, zwischen Titeln zu
unterscheiden, die Gewalt verherrlichen und solchen, die nur als
jugendgefährdend einzuschätzen sind.
Andererseits kann auch durch ein generelles Verbot (zweifellos
stattfindende) Verbreitung von Computerspielen unter Jugendlichen
nicht kontrolliert werden. Die Tauschbörsen des Internets kennen
keine Ausweiskontrollen wie sie die Verkäufer im Fachhandel
durchzuführen verpflichtet sind. Ein Verbot konterkariert dadurch
jedwedes Ziel des Jugendschutzes, sondern erzeugt im Gegenteil nur
ein trügerisches Gefühl von Sicherheit.
Weiterhin sind Computerspiele immer noch genau das: Spiele. Wir,
die Spieler, wissen genau, dass wir uns in einer lediglich fiktiven
Umgebung bewegen, deren Regeln die der „wirklichen Welt“ in
keinster Weise beeinflussen. Das beginnt bei schlichter Physik (der
Umgebung im Allgemeinen aber auch der Waffen und deren Wirkung im
Speziellen) und hört bei den Moralvorstellungen nicht auf. Wir
wissen genau: Was im Spiel erlaubt sein kann, ist es deswegen in
der Realität noch lange nicht! Und weiter: Was im Spiel
funktioniert, funktioniert deswegen in der Realität ebenso wenig
zwingend!
Wir sind der Ansicht, dass ein Verbot von Videospielen, mögen sie
auch Gewalt beinhalten, falsch ist und nicht zur Lösung von
gesellschaftlichen Problemen beiträgt. Auch sind Verbote von
Kulturgütern wie PC- und Videospielen nicht dazu geeignet, Gewalt,
in welcher Form auch immer, zu verhindern. Wir stellen weiterhin in
Zweifel, dass überhaupt kausale Zusammenhänge (und seien es nur
maßgebliche Teilaspekte) zwischen dem Konsum von Computerspielen
und den schrecklichen Bluttaten eines Amoklaufs bestehen. Allein
die große Verbreitung von Computerspielen und die (Gott sei Dank!)
sehr geringe Anzahl an Amokläufen spricht dagegen, dass fiktive
Gewalt zu realer Gewalt führt. Als weiterer Beleg lässt sich
anführen, dass es auf Veranstaltungen von Computerspielern nie zu
Gewalt kommt, obwohl sich teilweise mehrere tausend Menschen ohne
jeglichen Einsatz von Security auf engstem Raum befinden.
Es ist tragisch, dass in der jüngsten Vergangenheit immer mehr
junge Menschen zu Gewaltausbrüchen neigen. Gemeinsam ist den Tätern
aber vor allem eines: Sie fürchteten um den Verlust ihres
gesellschaftlichen Status, fühlten sich isoliert und am Rande der
Gesellschaft stehend. Wir sehen das Problem vielmehr in der
Gesellschaft, die diejenigen Mitglieder, die schwerwiegende
Probleme haben, nicht ausreichend betreut. Anstatt Sturm gegen eine
ungefährliche Freizeitbeschäftigung der Mehrheit junger Menschen zu
laufen, sollte sich gerade ein Bündnis und eine Stiftung mit Ihrer
Ausrichtung und Ihrem Hintergrund den mangelnden sozialen
Sicherungen an Schulen annehmen. Stigmatisieren Sie bitte nicht
unzählige Computerspieler, indem Sie immer wieder Angst
schüren!
Wir würden uns sehr darüber freuen, demnächst positivere Aussagen
von Ihnen zu hören. Wir unterstützen das Anliegen voll und ganz,
die Schulen und schließlich die Gesellschaft zu einem friedlichen
Ort zu machen, in dem niemand Gewalt gegen andere ausübt. Daher
sind wir auch gerne zu gemeinsamen Gesprächen bereit. Doch müssen
wir uns zuvor energisch gegen die fortwährende Diskriminierung als
Mörder und Verbrecher wehren! Wir sind friedliche Menschen, wir
lehnen Gewalt ab. Wir haben lediglich ein Hobby, durch das niemand
verletzt und das in allen Bereichen der Gesellschaft ausgeübt wird.
Wir möchten uns dafür nicht länger rechtfertigen müssen. Die auch
durch Sie vorangetriebene Vorverurteilung ist schon so weit
vorangeschritten, dass einige Menschen sich bereits nicht mehr
trauen, öffentlich zu ihrer Freizeitbeschäftigung zu stehen. Eine
Spaltung der Gesellschaft durch ausufernde Verbotsdebatten ist
jedoch genau das falsche Signal, wenn es um den Kampf gegen Gewalt
geht.
Es ist traurig, dass Sie offenbar immer noch einen Eindruck von uns
haben, der uns als Ihre Gegner erscheinen lässt. Dabei sollte uns
der Einsatz für eine bessere Zukunft doch vielmehr einen.
Hochachtungsvoll,
Junge Piraten, vertreten durch den Vorsitzenden Heiko Herberg
Pirate Gaming e.V., vertreten durch den Vorsitzenden Sven
Krumbeck
Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler, vertreten
durch den Vorsitzenden Patrik Schönfeldt